Vo chlyne Lüte
ZWERGENSAGEN
FEEN- UND FÄNGGENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ
NEU MITGETEILT VON C.ENGLERT-FAYE
MIT BILDERN VON BERTA TAPPOLET
TROXLER-VERLAG BERN
Der Wechselbalg
Leute von Klosters nahmen ihr unlang geborenes Kind mit aufs Feld hinaus und legten es am Ram in den Schatten einer Tanne. Als die Mutter ihre Arbeit getan hatte, ging sie nach dem Kinde schauen. Doch wie erschrak sie, als sie in dem Korbe statt ihres Bühleins ein fremdes Kind erblickte mit spindelförmig verdrehtem Leib und einem dicken Krötenkopf. Die armen Eltern suchten überall nach ihrem rechten Kinde. Es war keine Spur von ihm zu finden. Schweren Herzens nahmen sie das fremde Geschöpf mit nach Hause und pflegten es. Überall aber fragten sie um Rat. Da sagte ein alter Mann, der mehr konnte als Brot essen, zu dem Vater, er solle alle Eierschalen, so viel nur im Hause zu finden seien, vor das Kind auf den Herd legen, wenn es schliefe, und heimlich zuschauen, wie es sich benehme, wenn es erwache, dann sollten sie hinzulaufen und es mit einer Rute schlagen und kein Erbarmen haben, wie sehr es auch schreie. Auf diese Weise
Vo Chline Luete-103 | Flip | arpa |
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würden sie vielleicht ihr Kind wieder erhalten. Die Mutter tat nach dem Rat des Alten, legte eine große Menge Eierschalen vor das Kind, das auf dem Herde in seinem Korbe schlief, und verbarg sich in einer Ecke der Küche. Wie nun das Geschöpf erwachte und die vielen Eierschalen erblickte, begann es alsbald zu reden und rief:
«Jetzt bin i sövel und sövel alt und han die Boschga nünmal gsähn in Wies und Wald, aber nie noch sövel Guckhäfeli uf einem Herd.» |
Wie das Kind dies sagte, rannte die Frau herbei und schlug es mit der Rute, so hart sie konnte. Da sprang auf einmal wie von einem Windstoß die Haustür auf, eine Fänggin stürzte herein, ein schönes, wohlgewachsenes Kind auf den Armen, legte es auf den Herd, ergriff das garstige Kind und rief: «Se, nimm dys Kind, und ich nimm mys, du unbarmherzigs Muetterli!» Und lief auf und davon, und fort war sie —hast du nicht gesehen! —
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