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Vo chlyne Lüte


ZWERGENSAGEN FEEN- UND FÄNGGENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NEU MITGETEILT VON C.ENGLERT-FAYE


MIT BILDERN VON BERTA TAPPOLET

TROXLER-VERLAG BERN


Die Sage von den heiligen Wassern

Das ist so lange her, daß es nicht in den Büchern aufgeschrieben steht. Da gab es neben uns rechten Leuten im Glottertal noch Wildmännlein und Wildweiblein, die in den Wäldern wohnten. Die süßen Zirbelnüsse aus den großen Arvenwäldem waren ihre liebsten Leckerbissen. Darum redeten sie mit den fünf Dörfern und sagten: «Wir wollen euch genug Wasser auf eure trockenen Felder leiten und euch alle reich machen, wenn ihr uns Wildleuten den Wald an der Talhalde schenkt, wo die Zirbeln wachsen.» Müde von der Not, traten die Leute dem Handel bei. Aber sie wunderten sich, wie die Wildletite Wasser in die Felder und Weinberge hinauf führen oder tragen werden, und viele Leute gingen hinauf, um es selber zu sehen. Die Wildleute fingen aber zu arbeiten an, sie hieben die Bäume um und höhlten die dicken Stämme aus, so daß breite und tiefe Kännel entstanden. Den ersten legten sie an



Vo Chline Luete-068 Flip arpa

das Gletschertor, aus dem die Glotter ins Tal läuft, und dann viele Hunderte daran, je den Anfang des einen und das Ende des vorigen, immer fast eben hin. Von Zeit zu Zeit prüften sie, ob das Wasser hindurchfließe, und wenn es lief, so tanzten sie vor Freude und klatschten in die Hände. Da ihnen der Boden des Tales zu rasch abwärts ging, zogen sie die Kännel den Berg entlang, so daß sie viel höher als der Talhoden ztr liegen kamen und sich hoch am Berg dahinwanden. Die Talleute wunderten sich, daß die Wildleute sich so viel Mühe gaben; sie wußten nicht, was werden sollte.

Wo ein Baum stand, der die Kännel beschattet hätte, fällten sie ihn. Sie zogen die Leitung der Sonnenseite des Tales entlang und hoch über den Wald. Viele Kirchtürme hoch über den trockenen Dörfern kam das Wasser in die Weinberge, und vom langen Lauf an der Sonne war es ganz warm. «Aber es ist ja trüb, was sollen wir mit trübem Wasser anfangen?» murrten die Weinbergleute. Die Wildleute jedoch tanzten wie närrisch um die fertige Leitung und mahnten:

«Trüehi Wasser, güldige Wyn!
Grabend Gräben, lassends yn!»

Die Leute folgten dem Rate, sie gruben Furchen zu den verdorrten Weinstöcken, und siehe, die Reben grünten und trieben Schosse! Wo ein Tröpflein hinkam, sproßte das Gras; die Bäume schlugen aus. Das ganze Land wurde schön wie ein Garten und prangte in Fruchtbarkeit. Die Leute standen da, die Eltern zeigten das Wunder den abgemagerten Kindern die Greise weinten vor Freude und streckten die Hände ins Wasser, daß sie merkten, wie es rieselte. Da rief einer: «O du heiliges Wasser!» und alle antworteten: «Ja du heiliges Wasser! Seither hat man die Leitung nie anders genannt.


Copyright: arpa, 2015.

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