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Vo chlyne Lüte


ZWERGENSAGEN FEEN- UND FÄNGGENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NEU MITGETEILT VON C.ENGLERT-FAYE


MIT BILDERN VON BERTA TAPPOLET

TROXLER-VERLAG BERN


Das Geschenk des Zwerges

Dicht am steinigen Ufer der Emme stand eine rauchgeschwärzte Stube. Darin wohnte ein armer Korbmacher mit seinen vielen Kindern. Und so fleißig schaffte der Mann, daß er alle Jahre dem Bauern, dem die Hütte gehörte, den Zins zur rechten Zeit bezahlte. Das nahm die Leute wunder, und sie meinten, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, er halte es mit den Erdleutlein, die hielten dort Versammlung und beschenkten ihn reich dafür. Der Körber aber lächelte nur, wenn man ihm solche Worte gab, und sagte weder ja noch nein.

Eines Abends schlug ein gewaltiges Gewitter vom Hohgant her über die Berge. Alle Bäche schwollen alsbald so hoch an, daß Brücken und Stege weggeschwemmt wurden wie Schwefelhölzlein. Auf weite



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Strecken überfluteten die reißenden Wasser das Land und deckten Matten und Äcker viele Fuß hoch mit Grien und Grus. Der Körber hatte mit Not den Seinen das nackte Leben gerettet. Schon schossen die Wellen schäumend an die schwachen Mauern der Hütte, als der Mann auf dem Dache ein winziges Männlein erblickte, das mit erhobenen Armen um Hülfe schrie. Gleich watete der Körber durch das wirbelnde Wasser seinem Hüttlein zu, schwang das Männlein auf seine Achseln und trug es auf sicheren Grund. «Du hast mir das Leben gerettet», sagte das Männlein, «und ich will dir's danken. Nimm hier diese Erbsen und koch dir und den Deinigen all Tag ein Mus daraus. Aber gib acht, daß allemal mindestens zwei davon übrig bleiben.» Und er gab dem Körber ein zierliches Säcklein voll Erbsen in die Hand und war verschwunden.

Der Körber, voll Angst um seine Hütte, hätte bald im Vergeß das Geschenk des Zwerges weggeworfen. Aber so schoppte er's in den Sack und ging zu den Seinen, die in einem Nachbarhof Aufnahme gefunden hatten. Über Nacht verlief sich das Wasser, so daß der Körber des andern Morgens wieder in sein Häuschen einziehen konnte. Und sie räumten den Schutt weg und kochten zu Mittag, und allen mundete



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das Erbsen mus so gut, daß sie wünschten, jeden Tag eine so köstliche Speise essen zu können. Und also geschah es auch. Denn andern Tags war das Säcklein wieder voll, und so alle Tage. Und der Korbmacher, sein Weib und die Kinder gediehen vortrefflich bei dieser Kost. Und auch mit seinem Handwerk ging es besser als zuvor. Überall begehrte man seine Körbe, Kratten, Zeinen und Hutten, und bald hatte alle Not ein Ende.

Das Geheimnis von den Erbsen erbte sich samt dem Säcklein von Kind auf Kindeskinder, und noch heute würden die Nachkommen von den Erbsen des Zwergleins zehren, hätte ein unachtsames Mädchen nicht einmal, als es die Küche zu besorgen hatte, alle Erbsen auf einmal gekocht. Da war und blieb das Säcklein leer, und der gute Lebtag hatte für immer ein Ende.


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