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VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

II. BAND

DAS UNGEHEUERLICHE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA


1. Der Amazonenkampf

Man spricht aus alter Zeit von einem Mann, der war sehr reich, aber er hatte keinen Sohn. Er heiratete eine erste Frau und erhielt drei Töchter von ihr. Er heiratete eine zweite Frau und erhielt wiederum drei Töchter von ihr. Er heiratete eine dritte Frau und erhielt eine Tochter. Er hatte so sieben Töchter. Es waren sieben Mädchen von großer Schönheit, aber noch größerer Stärke. Der Mann war darüber, daß er keinen Sohn hatte, sehr traurig. Er heiratete, als seine Töchter schon heranwuchsen, eine vierte Frau.

Die älteste Schwester nahm ein Schwert und sagte zu ihren Schwestern: "Kommt, wir wollen auf das Feld reiten und miteinander uns im Schwertkampf üben. Wir sind stark. Wir wollen den Kampf üben, bis wir stärker sind, als die Männer. Sechs von den Schwestern schlossen sich dem Vorschlage an. Die Jüngste aber sagte: "Ich bin stark genug mit meinen andern Mitteln. Wenn ich ein Büschel meiner Haare verbrenne, so erhalte ich alle Kunst und Kraft, die ich nötig habe. Ich habe die Kunst, mit dem Schwerte zu kämpfen, nicht nötig." Die Jüngste beteiligte sich nicht an den Kämpfen der sechs Schwestern. Die sechs andern wurden aber so stark und geschickt, daß jede einzelne von ihnen imstande war, dem Haufen eines Dorfhäuptlings zu widerstehen und ihn zu überwinden. Die sieben Schwestern aber lebten nur für sich und mit Frauen und Mädchen zusammen. Sie wollten mit keinem Mann etwas zu tun haben.

Eines Tages gebar die vierte Frau dem Vater einen kleinen Sohn. Es wurde ein großes Fest gefeiert. Die älteste Schwester sagte aber zu den andern fünf Schwestern, die mit ihr das Schwertfechten geübt hatten: "Wir wollen für unseren Bruder eine Frau erkämpfen. Am gleichen Tage mit ihm ist die Schwester des Wuarssen geboren, die ein überaus schönes und starkes Mädchen sein soll. Die Wuarssen verteidigen diese kleine Schwester mit aller Tapferkeit. Schon vierzehn Agelith haben ihr Leben und ihre Mannschaft im Kampfe mit den Wuarssen eingebüßt, und jetzt kämpfen nur noch wenige Söhne der Agelith gegen die Wuarssen. Kommt Schwestern, wir wollen uns die Kleider der Männer anziehen, unsere Pferde besteigen, die Schwerter ergreifen und gegen die Wuarssen kämpfen." Die fünf Schwestern waren einverstanden.

Die älteste Schwester ging zum Vater und bat ihn: "Mein Vater, erlaube mir und meinen fünf Schwestern auf die Reise zu gehen."



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Der Vater sagte: "So wartet doch, bis euer Bruder herangewachsen ist. Dann werdet ihr männlichen Schutz haben. Wenn ihr solange warten wollt, will ich es gerne erlauben." Die älteste Schwester sagte: "Mein Vater, erlaube es uns; wir werden uns als Männer verkleiden, und kein Mensch wird uns als Mädchen erkennen. Du weißt, wir sind stark; erlaube es uns." Die Mädchen baten lange. Der Vater gab zuletzt nach. Die sechs Mädchen zogen die Kleider von Männern an, steckten einiges Essen zu sich, eine jede bestieg ein Pferd. Sie nahmen von ihrer jüngsten Schwester, den Eltern und dem jungen Bruder Abschied und ritten fort durch das Land des Agelith gegen die Wuarssen.

Die Wuarssen waren weit in das Land der vierzehn Agelith eingedrungen. Die Agelith selbst waren getötet und mit der größeren Zahl ihrer Mannschaft gefallen. Es lebten nur noch sieben Söhne der Agelith, die waren jung, schön und stark. (Der Erzähler weiß nicht, ob dies richtige Brüder waren; er meint, es mögen die Söhne verschiedener Väter, d. h. Fürsten gewesen sein, die nun eine fürstliche Brüderschaft gegründet hatten.) Sie zogen eines Tages wieder gegen die Wuarssen. Der eine der Agelithsöhne war sehr klug. Er brauchte nur auf seine Fingernägel zu sehen und erkannte, was geschah. Der kluge Agelithsohn sah auf seine Fingernägel und sagte: "Brüder, laßt uns schnell und mit aller Kraft die Wuarssen überfallen. Ich sehe, daß unsere zukünftigen Frauen auf dem Wege sind. Nur die Frau unseres jüngsten Bruders ist daheim geblieben." Einer der andern Agelithsöhne sah sich um und sagte: "Ich sehe unsere Frauen nicht." Der erste Agelithsohn sagte: "Komm nur schnell!"

Die sieben Agelithsöhne stürzten sich mit aller Gewalt auf die Wuarssen. Die sechs Schwestern aber teilten sich. Sie wollten die Wuarssen umfassen. Zwei der Schwestern ritten im weiten Bogen herum. Ihre Pferde gingen durch. Die Pferde der zwei Schwestern waren nicht zu halten und führten sie in eine Entfernung, die man sonst in einem Jahre zurücklegt. Die vier anderen Schwestern brachen mit großer Gewalt über die Wuarssen herein und schlugen die Wuarssen. Einigen schlugen sie die Köpfe im Kampfe ab. Die andern waren über die Kraft und Geschicklichkeit der vier als Männer verkleideten Schwestern so entsetzt, daß sie besinnungslos durch den Wald entflohen.

Die vier Schwestern verfolgten die Wuarssen. Die Wuarssen entkamen. Die vier Schwestern kamen aber auf ihrem Wege an das



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Haus, in dem die Wuarssen ihre schöne Schwester unter dem Schutze einer alten Frau, einer Teriel, bewahrten. Die alte Teriel kam heraus, als sie die vier als Männer verkleideten Schwestern kommen hörte. Die Teriel sagte bei sich: "Ich rieche Menschenfleisch" (wörtlich: nphrach thenphrach bennaden, d. h. man ist zufrieden, Fleisch zu riechen). Sie begrüßte die vier als Burschen verkleideten Mädchen und sagte: "Wo wollt ihr eure Pferde anbinden? Soll ich sie dort am Baum anbinden?" Die als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Nein, binde sie dort an den Awaruak" (ein knoblauchartiges Gewächs). Die Teriel sagte "Es ist gut." Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten jede ihrem Pferd in das Ohr: "Wenn dich die alte Frau anrühren will, tritt ihr mit den Füßen auf den Leib. Zertritt ihr mit den Füßen den Kopf!" Dann gingen die vier als Burschen verkleideten Mädchen in das Haus.

Die alte Teriel fragte sie: "Was soll ich euern Pferden zu fressen geben? Sollen sie Gerste oder Weizen haben?" Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Jetzt gib ihnen Kohle und nur am Morgen gib ihnen Korn." Die alte Teriel sagte: "Und was wollt ihr zu essen haben?" Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Wir haben erst gegessen, zeige uns aber die Quelle. Wir sind durstig und möchten an der Quelle trinken." Die alte Teriel ging voran. Drei der als Burschen verkleideten Schwestern folgten ihr. Die klügste Schwester aber blieb im Hause zurück und sagte: "Ich habe keinen Durst. Ich werde mich gleich hinlegen und schlafen."

Als die alte Teriel mit den drei Schwestern gegangen war, sah die kluge Schwester sich im Hause um. Sie sah in alle Kammern. Sie kam in eine Kammer, die war ganz aus Gold hergestellt. In der Kammer war die schöne junge Schwester der Wuarssen. Die kluge Schwester begrüßte sie und sagte: "Du bist die schöne Schwester der Wuarssen. Wir sind sieben Schwestern. Sechs von ihnen sind wir nun zum Kampf ausgezogen, um die Wuarssen zu besiegen und dich für unseren jungen Bruder, der am gleichen Tage mit dir geboren ist, zu freien. Wir sind deinetwegen gekommen." Die schöne Schwester der Wuarssen sagte: "Dann laß mich nur alles machen. Ich will euch im Kampf gegen meine schlechten Brüder helfen und will euren Bruder heiraten."

Als es Nacht war, kam die alte Teriel mit den drei als Burschen verkleideten Schwestern wieder in das Haus. Die Schwester der Wuarssen hatte in das Essen der Teriel ein Betäubungsmittel gemischt. Die Teriel aß davon. Die Teriel schlief ein. Die Schwester



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der Wuarssen und die vier als Burschen verkleideten Mädchen schlossen die Teriel ein. Dann gingen sie hinaus zu den Pferden. Die Schwester der Wuarssen sagte: "Eure Pferde taugen nichts. Sie sind für die Wuarssen nicht schnell genug. Ich will in den Stall der Pferde der Wuarssen gehen und will von dort Pferde holen, mit denen wir die Wuarssen bekämpfen und töten können." Die Schwester der Wuarssen ging und holte die Pferde. Sie bestieg selber eines und ritt mit den vier als Burschen verkleideten Mädchen noch in der Nacht hinter den Wuarssen her.

Inzwischen waren die zwei anderen Schwestern um die Wuarssen herumgeritten und hatten sie im Rücken angegriffen. Die vier anderen Schwestern griffen mit der schönen Schwester der Wuarssen die Wuarssen von vorne an. Die sieben Söhne des Agelith kämpften auf der Seite. Der Kampf ging hin und her. Bald wurden die Wuarssen zurückgeworfen, bald mußten die sieben Mädchen zurückweichen. Zuweilen hatten die von vorn und hinten angreifenden Mädchen die Wuarssen ganz dicht zusammengedrängt, dann aber gewannen die Wuarssen wieder die Oberhand. So kämpften sie drei Jahre lang.

Eines Tages aber wurde die schöne Wuarssenschwester und die älteste der sechs als Burschen verkleideten Mädchen verwundet. Am gleichen Tage wurde auch der kluge Sohn des Agelith, der von den Fingernägeln ablesen konnte, schwer getroffen und fiel blutend auf die Erde. Er lag fast im Sterben und allein, während seine sechs Brüder weiterkämpften.

Inzwischen sagte die jüngste der sieben Schwestern zu ihrem Bruder: "Mein Bruder, ich weiß, daß der Kampf gegen die Wuarssen nicht gut geht. Von den vierzehn Agelith, die früher mit den Wuarssen kämpften, sind nur noch sieben Söhne am Leben und im Kampfe. Auch von ihnen ist einer schon schwer verwundet und beinahe am Sterben. Die anderen gehen ihrer Verwundung entgegen. Unsere Schwestern haben die schöne Schwester der Wuarssen gefunden und aus dem Hause der Teriel befreit. Die schöne Schwester der Wuarssen kämpft mit unseren Schwestern gegen ihre Brüder. Der Kampf geht hin und her. Bald Siegen unsere Schwestern, die die Wuarssen von zwei Seiten angreifen, bald sind die Wuarssen siegreich und drängen unsere Schwestern zurück. Eine unserer Schwestern ist schon schwer verwundet, und die Schwester der Wuarssen, die du einmal heiraten sollst, ist auch verwundet.



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Es wird Zeit, daß wir dem Kampfe, der schon drei Jahre dauert, ein Ende machen, indem wir unseren Schwestern zu Hilfe kommen. Gürte also dein Schwert und folge mir."

Die jüngste Schwester ging mit ihrem Bruder zu ihrem Vater und ihrer Mutter und sagte: "Mein Vater, meine Mutter! Unsere sechs Schwestern sind im heftigen Kampf mit den Wuarssen. Sie sind jetzt so weit entfernt, daß ich, um zu ihnen zu kommen, vier Jahre gebrauchen werde. Erlaubt mir, daß ich mit meinem jungen Bruder meinen Schwestern zu Hilfe komme. Erlaubt es uns, und ich schwöre euch, daß ich am ersten Abend nach meiner Ankunft die sämtlichen Wuarssen vernichtet haben werde." Der Vater sagte: "Du also, meine jüngste Tochter, die ich mehr liebe als alle andern, willst mit deinem Bruder, meinem einzigen Sohne, auch dorthin gehen?" Die jüngste Tochter sagte: "Soll ich denn meine Schwestern und unsere zukünftigen Gatten im Kampfe mit den Wuarssen sterben lassen?" Der Vater sagte: "So warne ich dich: Übernachtet wenigstens nicht in den Wäldern." Die jüngste Tochter sagte: "Mein Vater, ich schwöre dir bei dem Kopfe deines Großvaters, daß ich beide Wälder mit meinem Bruder durchziehen und kein wildes Tier am Leben lassen will!"

Die jüngste Tochter kleidete sich nun als Bursche. Sie nahm Essen mit. Das Mädchen und der Bruder gürteten die Schwerter um. Sie bestiegen die Pferde; sie ritten davon. Sie ritten, bis sie an den ersten Wald kamen, der acht Tage lang war.

Am Rande des Waldes von acht Tagen sagte das Mädchen zu seinem Bruder: "Ich werde als die ältere zwei Drittel des Waldes übernehmen. Übernimm du ein Drittel. Ich werde dann sehen, wie stark du bist. Wir werden viele Löwen, Panther, Teriel und andere wilde Tiere treffen und wollen sie alle töten." Der Bruder sagte: "Es ist gut." Die Schwester und der Bruder ritten nun in den Wald. Sie kämpften mit allen Tieren. Die Schwester war mit ihrem Teile zuerst fertig. Sie kam aus dem Walde heraus und blickte zurück. Sie sah den jüngeren Bruder ganz dicht umringt von fünfundzwanzig Löwen, Panthern und Teriel nahe dem Ausgange des Waldes. Sie wollte ihrem Bruder zu Hilfe eilen. Der Bruder rief aber: "Laß nur, das mache ich allein." Dann führte er mit seinem Schwert drei Hiebe. Da lagen alle fünfundzwanzig Löwen, Panther und Teriel in viele Stücke zerschlagen tot umher. —Als die jüngste Schwester das sah, sagte sie: "Mein junger Bruder ist stark, ich kann ihm Vertrauen schenken."



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Die jüngste Schwester und ihr junger Bruder kamen an den Wald von einem Jahr (d. h. zu dessen Durchwanderung man ein Jahr braucht). Die jüngste Schwester sagte zu ihrem jungen Bruder: "Da du so stark und tapfer bist, will ich mit dir diese Arbeit teilen, nimm du die eine Hälfte des Waldes (d. h. zur Säuberung von den wilden Tieren), ich werde die andere Hälfte nehmen." Die jüngste Schwester und ihr junger Bruder ritten in den Wald hinein.

In dem Teile des Waldes, den die jüngste Schwester durchritt, befiel alle wilden Tiere die Furcht vor dem als Bursche verkleideten Mädchen. Die Tiere liefen alle fort. Die jüngste Schwester konnte nur wenige Tiere töten. Die meisten liefen zu dem Teile des jungen Bruders hinüber und kämpften mit diesem. So war die jüngste Schwester schon nach einem halben Jahr durch den Wald gekommen und ritt noch ein halbes Jahr auf der anderen Seite weiter. Sie machte dann erst Halt und wartete ein Jahr lang' auf ihren jungen Bruder.

Der junge Bruder kämpfte ein Jahr lang schwer im Wald und war dann erst mit den wilden Tieren fertig geworden. Er kam aus dem Walde und nahm einen falschen Weg. Er kam an einen Fluß. Am Flußufer waren gerade sieben Wassernixen (tirochänien; Sing.: tarochanith) mit einer alten zusammen. Unter den Wassernixen war eine, die war so schön wie die Sonne. Sie war die jüngste unter den Wassernixen, und als sie den jungen Bruder sah, gewann sie ihn sogleich lieb. Die anderen sechs Wassernixen und die Alte sahen das und sagten: "Wir wollen den Burschen fangen und töten. So wie er ein Wort spricht, können wir uns seiner bemächtigen. Veranlasse ihn zu sprechen." Die junge Nixe liebte aber den jungen Bruder und sagte: "Ich werde es nicht tun." Da fielen die Schwestern und die Alte über die jüngste Nixe her, rissen ihr die Kleider vom Leib, schlugen sie und sagten: "Wenn der Bursche sieht, wie wir dich mißhandeln, wird er uns Vorwürfe machen und sprechen, und wir haben ihn!"

Der Bursche sah die schöne junge Nixe und gewann sie lieb. Er sah, wie die Alte und die sechs Schwestern ihr die Kleider vom Leibe rissen und sie schlugen. Er wollte hinzugehen und sagen: "Geht, wie könnt ihr sieben eine einzige schlagen!" Die schöne junge Nixe machte ihm aber ein Zeichen, daß er stehenbleiben und schweigen solle. Er tat es. Er blieb in der Entfernung stehen, sah zu und schwieg. Das Herz tat ihm weh, weil er nicht sprechen sollte, aber die schöne junge Nixe machte ihm ein Zeichen, und so



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Der Schluß des Amazonenkampfes. Oben von links nach rechts: der jüngste Bruder; die jüngste Schwester; eine ältere Schwester und ein Agelithsohn, ziehen gegen das Gehöft (Mitte des Bildes), in welchem das älteste Wuarssenpaar (links) wohnt, das die letzten Wuarssen (unten) beherrscht. (Zu Nr. i) Originalzeichnung eines Kabylen



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blieb er stehen. Er sah ihre ganze Schönheit und konnte nichts als stehen und zusehen. So blieb er ein Jahr lang stehen und rührte sich nicht. Er aß nicht und trank nicht, das Herz schmerzte ihn, aber die jüngste schöne Nixe machte ihm ein Zeichen, und so schwieg er.

Die jüngste kluge Schwester des Burschen hatte inzwischen ein Jahr lang auf ihren Bruder gewartet. Als er nicht kam, riß sie sich einige Haare aus und verbrannte sie, um zu sehen, wo ihr Bruder sei. Sie sah die Richtung und ritt sogleich an den Fluß. Als sie an den Fluß kam und den Bruder stehen sah, rief sie: "Willst du hier verhungern?" Sie zog ihr Schwert und sprengte mit dem Pferde zwischen die sechs Nixen und die Alte. Sie jagte sie auf und tötete sie.

Die befreite jüngste Nixe sprang auf, dankte der jüngsten klugen Schwester und sagte: "Wo gehst du mit deinem Bruder hin?" Die jüngste kluge Schwester sagte: "Ich bin kein Mann; ich bin ein Mädchen wie du und die Jüngste von sieben Schwestern. Meine sechs Schwestern kämpfen seit drei Jahren mit den Wuarssen und sind daran zu unterliegen. Deshalb muß ich eilen ihnen zu helfen, denn ich habe noch ein Jahr Weges vor mir." Die junge Nixe sagte: "Ich will deinen jungen Bruder heiraten. Erlaube mir, daß ich mich auch als Bursche kleide, ein Schwert umbinde, ein Pferd besteige und mich am Kampf gegen die Wuarssen beteilige." Die jüngste kluge Schwester sagte: "Es ist mir sehr recht."

Die jüngste Nixe kleidete sich als Bursche, nahm ein Schwert, bestieg ein Pferd und ritt mit der jüngsten klugen Schwester und dem jungen Bruder in das Land, in dem die anderen Schwestern und die Agelithsöhne mit den Wuarssen kämpften. Sie ritten noch ein Jahr, dann langten sie an.

Die sechs Schwestern und die sieben Söhne der Agelith waren am Ende ihrer Kräfte. Sie waren alle verwundet und bluteten an vielen Stellen. Die Wuarssen glaubten sich schon Sieger und wären es am andern Tage auch gewesen. Als die jüngste Schwester, die Nixe und der Bruder ankamen, sahen sie es. Der Bruder stürzte sich an der Meerseite auf die Wuarssen. Die jüngste Schwester kam von der Landseite. Die Nixe griff in der Mitte an. Der Bruder warf auf seiner Seite alle Wuarssen in das Meer. Die Nixe tötete alle Wuars.. Sen, die ihr gegenüber standen. Vor der jüngsten Schwester fielen alle Wuarssen tot zu Boden.

Im Rücken der Wuarssen standen die Agelithsöhne. Als die



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jüngste Schwester alle Wuarssen vor sich getötet hatte, stieß sie auf die Agelithsöhne. Die jüngste Schwester dachte: "Sind es noch mehr Wuarssen?" Sie zog ihr Schwert wieder und schlug auf die Agelithsöhne ein. Ihr Schwert drang aber nicht in die Kleidung der Agelithsöhne. Die jüngste Schwester sagte: "Was ist dieses? Dies können keine Wuarssen sein!" Sie zog sich ein Büschel Haare aus und verbrannte sie. Da erkannte sie, daß ihre Gegner die Agelithsöhne waren.

Die jüngste Schwester steckte das Schwert ein und sagte: "Haltet Friede, ich bin kein Wuarssen, wie ihr keine Wuarssen seid. Ihr seid unsere zukünftigen Ehegatten. Steckt eure Schwerter ein. Der Krieg mit den Wuarssen ist zu Ende." Die Tarochanith (Nixe) aber sagte: "Meine kluge Schwester, warte noch; der Krieg ist noch nicht ganz zu Ende. Es besteht noch ein Haus, in dem sind der große Wuarssen mit seiner Frau und sieben Haufen (seva l'mhäl) Krieger. Die bewachen dort die Schätze, die in 199 Kammern untergebracht sind. Der große Wuarssen und seine Frau schlafen noch. Wir können sie nur im Schlafe töten. Ich werde euch den Weg zeigen!" Die jüngste Schwester sagte: "Tu dies, wir wollen sogleich alles zu Ende führen."

Die Tarochanith ritt voran. Sie kamen an das Haus. Der große Wuarssen und seine Frau schliefen. Sie schichteten um ihre Kammern Holz an und entzündeten es. Der große Wuarssen und seine Frau verbrannten, ehe sie sich noch wehren konnten. Die Jüngste fand die 199 Schlüssel. Sie öffnete die 199 Häuser und fand sie gefüllt mit allerhand Schätzen.

Dann ritt die jüngste Schwester umher und suchte die Verwundeten auf. Sie verband ihre Wunden, verbrannte Haare und brachte ihnen Speise und Trank. Nach einigen Tagen waren sie alle gesund. Die sieben Söhne der Agelith kamen zu den Schwestern und sagten: "Ihr habt das Land von den Wuarssen befreit. Ohne euch wäre alles vernichtet und die Welt zerschlagen worden. Wir bitten euch, unsere Frauen zu werden und uns zu helfen, die Welt neu aufzurichten."

Die jüngste Schwester sagte: "Wir wollen es tun. Wir haben unserem Bruder die schöne Schwester der Wuarssen gewonnen und die schlimmen Wuarssen getötet. Unsere Arbeit ist fertig. Wir wollen aber erst nach Hause reiten, wollen unsere Eltern begrüßen und die Kleider der Männer ausziehen. Dann werden wir heiraten."



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Die sieben Schwestern ritten mit der schönen Schwester der Wuarssen und der schönen Tarochanith nach Hause. Sie begrüßten ihre Eltern. Dann legten alle neun Mädchen die Kleider der Burschen ab. Die sieben Schwestern heirateten die Söhne der Agelith und ihr junger Bruder die schöne Schwester der Wuarssen und die schöne Tarochanith.


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