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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Das Feuerzeug

Einem braven Mägdlein zu Escholzmatt war ein Erdmännlein von Kind auf hold und wünschte, daß es ihm im Leben dereinst in allen Stücken wohl ergehen möchte. Aber wie es so geht auf der Welt, als das gute Kind zu einer schönen



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Jungfrau herangewachsen war, da freite ein Bursche um sie, und schon wollte sie ihm ihr Jawort geben. Aber da kam das Männlein und sprach: «Glaub mir, Vreneli, dieser Jüngling wird dich nicht glücklich machen. Er ist nicht in Wahrheit so, wie du deinen Mann dir wünschen möchtest. Ihm mag ich nicht die Gabe anvertrauen, die schon lange für den bereit liegt, der dich einmal als sein Weib heimführen wird.» Das Mädchen tat nach dem Rate des Männleins, wie hart es ihm auch ward, und stand von der Heirat ab. Nachmals aber reichte es seine Hand einem anderen Burschen, der zwar arm an Gut und Geld war, aber er hatte das Herz auf dem rechten Fleck und ein paar schaffige Hände. Und da meinten sie, könne es nicht fehlen.

Am Hochzeitstage kam abends, ehe die Brautleute zur Kammer gingen, das Männlein und nahm den Bräutigam beiseite und was meint ihr, hat er ihm gebracht? Eine Truhe voll Gold und Edelsteinen? Oh nein, nur ein Feuerzeug mit Stahl und Stein und Zunder: Der Jüngling nahm's und drehte es in den Händen und wußte nicht, was er sagen sollte. «Siehe», sprach da das Männlein, «das ist kein gewöhnliches Feuerzeug. Hab Sorg dazu, wie zum größten Schatz. Aber hüte dich wohl, es anders als in der höchsten Not zu brauchen. Dann aber, wenn du Feuer schlägst, wird's allemal auf der Stelle hinter dir fragen: Was willst? Sage alsdann deinen Wunsch - aber schau dich ja nicht um - und alsbald wird er dir erfüllt sein. Behalte dies alles wohl bei dir und sage niemand davon, auch deinem Weibe nicht.» Mit diesen Worten war das Männlein - husch -verschwunden.

Übers Jahr im andern Sommer, als der Mann einem ausbrüchigen Rind nachging, erspähte er hoch in den Flühen auf einem Absatz die schönsten Flühblumen. «Ei», dachte er, «davon bring ich der Vrene ein Sträußlein heim, und er kletterte zu dem überhängenden Felsenband hinauf. Da bröckelte unter ihm der Fels ab und die Brocken rollten polternd zu Tal. Er griff nach einer Staude, die nur lose im Gestein



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wurzelte, um sich festzuhalten. Nur wenige Atemzüge und sie gab nach, und er drohte in die Tiefe zu stürzen. «Allmächtiger Gott, das Feuerzeug!» Mit der freien Hand bringt er's aus dem Sack, klemmt Stein und Zunder zwischen zwei Finger der andern Hand, mit der er die Staude umklammert hält und schlägt Feuer. Da fragt's hinter ihm: «Was willst?» — «O hilf mir fort!» rief er, und wohlbehalten stand er unten an der Fluh auf der Weide, das Büscheli Flühblumen, das er gepflückt, in der Hand.

Manches Jahr ruhte nun das wundersame Feuerzeug und ward schier vergessen. Da einmal erkrankte die Frau. Das Erdmännlejn kam und brachte Arzneien. Aber der Mann traute dem Tränklein nicht recht und gab es der Frau nicht ein, da wurde das Übel stündlich schlimmer. Schon lag sie in den letzten Zügen. Der Mann schluchzte und schrie: «Ist denn auch gar kein Kräutlein auf Gottes Erdboden gewachsen, das hilft!» O du Narr, das Feuerzeug! Wie konnt ich das vergessen! Und er langt in den Sack - aber o weh, da ist kein Feuerzeug mehr! Da kam's ihm, er möchte das Erdmännlein durch sein Mißtrauen erzürnt haben. «O hilf nur dies eine Mal noch!» rief er laut. Da fühlte er das Feuerzeug in seiner Hand. Er schlägt Feuer und spricht seinen Wunsch aus, und das Heilmittel ist da, und alsbald ist die Frau genesen.

Und wieder ging manches Jahr ins Land, und die beiden Leutlein wurden alsgemach älter. Da gerieten sie in bittere Not. Kein Batzen war mehr im Beute!, kein Brot im Haus. «Ach», sagte der Mann, «will denn auch gar kein Stern mehr zünden in dieser Finsternis!» und er verfluchte sein Schicksal und haderte mit Gott. «Ei, das Feuerzeug!» Hättest sehen sollen, wie seine Hand in den Sack fuhr, und wie ein Wetterleuchten huschte die Freude über sein Gesicht. — Aber o weh, das Feuerzeug ist wieder fort. Und vergeblich ist all sein Bitten und Betteln. Ob wohl das Erdmännlein die Bitten der Frau erhören würde? Der Mann vertraut ihr



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das Geheimnis an. Und in der Tat ihren Bitten gab das Erdmännlein Gehör. Das Feuerzeug kehrte in den Sack des Mannes zurück. Er schärfte der Frau gar sehr ein, daß sie sich ja nicht umschauen solle, wenn sie die Stimme hinter sich höre: sonst sei alles verloren. Aber, was es nun sein mochte, wie es drauf und dran kam, da hatte sie das Gebot vergessen, oder der Gwunder stach sie -sie wollte schon den Kopf kehren. Aber der Mann sah's und packte sie eben noch am Ribel und hielt ihr den Kopf fest. Da stand ein großes silbernes Becken voller Kronentaler vor ihnen auf dem Tisch. Damit war nicht nur der Not im Augenblick abgeholfen, sondern jetzt waren sie auf einen Schlag reiche Leute geworden und lebten fortan in Glück und Wohlergehen bis an ihr selig Ende. Ihr fragt, was aus dem Feuerzeug geworden sei? Das hat das Erdmännlein wieder an sich genommen. Aber wer brav ist und seine Huld gewinnt, der bekommt's vielleicht von ihm geschenkt.


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