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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Der Milchriemen

Vor alten Zeiten lebte im Grund eine Frau. die konnte am Riemen ziehen. Das geschah so. Sie ging in den Stall, zog zwei Lederriemen durch die Barrenlöcher und nannte die Kühe ihrer Nachbarn bei dem Namen und sagte:

«Herrengut und Sennenzoll,
Von jeder Kuh zwei Löffel voll.»

Dann stellte sie eine Melchter unter die Riemen und tat als ob sie Kühe melke. Bald füllte sich die Melchter mit herrlicher Milch. Die Nachbarn merkten aber nicht das mindeste, daß ihre Kühe weniger Milch gaben. Die Frau verteilte die Milch an die armen Leute des Dorfes und namentlich an kleine Kinder und war so eine geliebte Wohltäterin.

Da stach der G'wunder einen Nachbar, wie die Frau zu so viel Milch komme, da sie doch nur eine einzige Kuh halte. Er schlich sich heimlich in den Stall und versteckte sich darin. Bald kam auch die Frau und stellte die Melchter unter die Riemen, machte mit der Hand ein paar Zeichen, sagte den angeführten Spruch und fing an zu melken. Sofort füllte sich die Melchter mit Milch, worauf die Alte den Stall verließ.

Der Nachbar hatte sich den Spruch wohl gemerkt und die Zeichen und lief voller Freude nach Hause, um das einträgliche Stücklein zu probieren. Aber mit zwei Löffel voll war er nicht zufrieden und sagte:

«Herrengut und Sennenzoll,
Von jeder Kuh zwei Kübel voll.»

Da floß nun die Milch in Strömen, daß bald der Stall und das ganze Haus davon voll war und er gar elendiglich ertrinken



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mußte. Das hörte die alte Frau. Sie wurde darüber so entrüstet, daß sie ausrief:

«Das tut mir keiner mehr nach!»
und den Zauber verwünschte.

Das geschah in der guten alten Zeit. Seither ist diese Kunst verloren.


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