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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Die sonderbaren Tierlein

In einer einsamen Hütte im hintersten Grachen des Tales wohnten einmal ein Mann und eine Frau. Eines Tages starb die Mutter, und der Vater blieb mit dem einzigen Kinde, einem Büblein, allein. Er hütete es wie seinen Augenstern, nie kam ihm der Knabe aus den Augen, und so wuchs er zu einem schönen Jüngling heran und hatte nie einen anderen Menschen gesehn als seinen Vater. Als nun der Bube über zwanzig Sommer zählte, sagte er eines Tages zum Vater, er möchte doch auch gern einmal zur Messe geben. Der Vater bedachte sich eine Weile, war dann aber willig, den Wunsch zu erfüllen, und so machten sie sich am nächsten Sonntag miteinander auf den Weg. Ehe sie in die Kirche traten, gebot der Alte dem Sohne, daß er sich nicht unterstehe, auf die linke Seite zu schauen: dort sitzen nach altem Brauch die Frauen - denn er besorgte, den Buben möchte nach einem Weibe verlangen. Der Sohn versprach es. Aber seine Neugier war rege geworden, und so konnte er sich nicht enthalten, während der Messe die Augen nach links zu wenden, wo er sonderbare Wesen sitzen sah; denn dieselben waren so ganz anders anzuschauen als sein Vater. Als nun der Priester die Hostie emporhielt, hub der Bub bald zu weinen an und bald zu lachen.

Als sie selbander nach der Messe heimzu stapften, fragte der Vater seinen Sohn, warum er geweint und gelacht habe. Der Bub erwiderte: «Der Meßbub hat dem Heer halt ein Blech in die Höhe gehalten und dann geschellt, und der



Schw. Maerchen Sagen-147 Flip arpa

Heer hat ein Büblein in die Luft gestreckt und so spitzig hat er's gehalten mit dem Finger, daß ich gemeint hab, es falle gar schier zu Boden. —Und, Vater, sag, was sind denn das auch für Tierlein, die links von uns gesessen sind?»

Da verstand der Alte gar wohl, daß der Bub ein Mann geworden sei und sagte: «Ja, ja, die nächste Woche darfst du wieder hinunter und dir eins zutun!»


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