Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Wer Gott am nächsten ist

Einmal waren ihrer drei beisammen, ein Bauer. ein Priester und ein Bettler, die stritten miteinander, wer Gott am nächsten sei: «Ich muß Gott am liebsten sein, denn armselig wandere ich durch die Welt und lebe von anderer Leute Almosen!» sagte der Bettler. Der Priester sprach: «Ich bringe Tag für Tag das heilige Meßopfer dar und bete täglich für euch alle. Drum muß ich Gott am liebsten sein!» «Und ich», sagte der Bauer, «werke und schaffe meiner Lebetage zur Ehre Gottes und opfere meiner Hände Arbeit dem Herrn; das ist so gut als beten.»

So stritten sie lange und konnten nicht einig werden, denn jeder beharrte auf seinen Worten. Zu guter Letzt gingen sie alle drei zu einem weisen Manne, der gab ihnen diesen Rat: «Wandert alle drei eine Tagereise weit, ein jeder für sich, und da. wo ihr hinkommt, wenn die Sonne zu Gold geht, da bleibet und bringet die Nacht zu; dann kommt wieder zurück und erzählt mir, wie es euch ergangen ist!» Die drei befolgten den Rat des weisen Mannes und machten sich früh am Morgen auf den Weg. Als die Nacht einbrach, war der Bettler zu einem Graben gekommen. Dort legte er sich zum Schlafe nieder. Die ganze Nacht war es ihm, wie wenn Steine getröhlt würden. Der Priester kam bis zu einem großen Rosenbusch, der in vollem Blust stand. Am Morgen



Schw. Maerchen Sagen-107 Flip arpa

aber trug er nur noch eine Rose. Der Bauer kam zu einem schönen Hause. Er ging hinein, auf dem Tische stand ein köstliches Mahl bereit. Das mundete ihm herrlich. Dann ging er zu Bett und schlief so weich und gut, daß er erst aufwachte, als die Sonne hoch am Himmel stand.

Des andern Tages kamen sie alle drei zu dem Ratgeber zurück und erzählten ihm, was sie erlebt hatten. Jener aber sprach zu dem Bettler: «So mancher Stein im Graben gerollt wurde, so manche Speise hast du erbettelt und nie verbetet!» Zum Priester: «So manche Messe hast du gelesen als Rosen am Strauch blühten, aber nur eine einzige war gut.» Und zum Bauer: «Du bist am nächsten bei Gott, denn dir ist es am besten ergangen.»


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt