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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Das Fröschlein mit dem roten Halsband

Es war einmal eine arme Frau. die war lahm und immer krank. Sie hatte nur einen einzigen Knaben, der wäre um alles in der Welt gerne in die Stadt zur Schule gegangen, aber der Lehrer, der ein braver Mann war, hatte der Mutter gesagt: «Gute Frau, wie würde es euch auch ergehen ohne euren Knaben? Ihr bedürfet seiner, daß er euch helfe euer Brot verdienen.»

Sie bewohnten eine kleine Hütte in der Nähe eines Wäldchens,



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und unfern floß ein Bächlein vorüber. Der arme Knabe ging täglich in den Wald, und sorgte, daß seine Mutter zu leben hatte. Das Reisig legte er für ihren eigenen Bedarf zur Seite, das gute schöne Holz aber verkaufte er in der Stadt. Im Bächlein fischte er schöne Fische, die brachte er in die Stadt auf den Markt.

Allemal aber, wenn er in den Wald kam, begegnete ihm ein schönes grasgrünes Fröschlein mit einem roten Halsreif. Es sah ihn mit großen Augen an und hüpfte munter um ihn herum, dieweil er Holz suchte, und im Nu hatte er die schönste Burde beisammen. Wenn er fischen ging, war das Fröschlein auch dort, tauchte vor ihm ins Wasser vor Freude, hüpfte leicht und lustig von einem Ort zum andern. Und die Fische bissen ihm an, ruck zuck, einer feister als der andere.

Aber eines schönen Tages, als er wieder an den Bach kam, um zu fischen, was sah er da? Hinter einen Schilfband kauerte das Fröschlein und angstvoll pochte ihm das Herzlein unter seiner dünnen Haut. Der Knabe schaute auf und erblickte einen großen Vogel mit hohen dünnen Beinen und einem langen, spitzen Schnabel. Rasch nahm er das Fröschlein auf, barg es im Busen und trug es nach Haus. Als ihn seine Mutter kommen sah, sagte sie: «Was fällt dir ein, diesen Frosch heimzubringen, es hat deren ja so schon mehr als genug auf der Wiese?» —«Oh, glaub mir nur, Mutter, das ist kein Fröschlein wie die anderen.» Dann erzählte er ihr, wie das Fröschlein ihn immer begleitet hätte, wenn er im Walde Holz suchen oder am Bächlein fischen ging. «Nun denn halt, meinetwegen», sagte darauf die Mutter, «behalten wir es bei uns. Bring es in den Garten und schau gut zu ihm.»

Als die Frau am selben Nachmittag in einer alten Truhe nach Stoffresten suchte, kam ihr von ungefähr eine gestickte Geldbörse unter die Hände, die sie nie zuvor gesehen hatte. Voller Staunen brachte sie sie ihrem Knaben und sagte:



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«Wenn ich nur wüßte, wie dies Geld in die Truhe gekommen ist!»

Nachdem sie hin und her gewerweißt hatten, sprach sie: «Mein Gott, diese Dukaten sind unser, wir haben sie ja nicht gestohlen. Weißt du was, nimm du die Hälfte und geh in die Stadt zur Schule und lerne das, wonach dir schon lange der Sinn steht. Mir bleibt genug zu leben, bis du wiederkommst. Da nahm der Knabe Abshied von seiner Mutter und begab sich auf eine Reise durch Frankreich. Derweilen aber hatte die Mutter immer gut Sorge zu dem Fröschlein. Mittags und Abends, wenn sie aß, setzte sich das Fröschlein immer neben sie auf den alten Ledersessel.

Als der Sohn alles Geld aufgebraucht hatte, schrieb er der Mutter, daß er heimkommen werde. Und eines schönen Tages, an einem Morgen, trat er zur Türe herein. Da hub das Fröschlein an zu springen und zu hüpfen, als sei es ganz von Sinnen vor Freude über seine Rückkehr.



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Nach einiger Zeit erhielten sie eines Tages einen Brief aus der Stadt, darin stand geschrieben, sie sollten eine Erbschaft antreten, von der sie auf der weiten Welt nichts gewußt und geahnt hatten. Die Mutter sagte: «Das Fröschlein hat uns Glück gebracht! Du hast wahrgesagt, es ist ein besonderes Fröschlein.»

Nachdem sie die Erbschaft abgeholt hatten, sagte der Sohn zu seiner Mutter: «Laß mich reisen, Mutter, daß ich meine Lehrzeit vollende. Diesmal möchte ich gerne auch die deutsche Sprache lernen. «Nun denn», sagte sie, «so tue nach deinem Willen, mein Sohn. Fahre, wenn es dich deucht. es sei zu deinem Besten.» Und der Knabe nahm abermals Abschied. Aber die ganze Zeit über, da er in der Fremde weilte, versäumte er es nie, seiner Mutter fleißig Briefe zu senden. Man hätte schwören mögen, daß es das Fröschlein fühlte, wenn ein solcher Brief unterwegs war, denn dann sprang und tanzte und hüpfte es allemal wie toll.

Eines schönen Tages kam der Knabe wieder heim. «Guten Tag, Mutter», sagte er, jetzt werde ich dich nicht mehr verlassen. Nun habe ich genug gelernt, um dir deine alten Tage erheitern zu können. Überglücklich sagte die Mutter: «Nun da muß ich heute wohl eine besonders gute Suppe kochen, um deine Rückkunft zu feiern.» Sie deckte den Tisch in der Stube und versäumte nicht, auch den Lederstuhl für das Fröschlein an den Tisch zu rücken.

Aber während sie inder Küche die Suppe schöpfte, siehe da verwandelte sich das Fröschlein aufs Malin das schönste Mädchen der Welt, so schön, ein schöneres hätte man nicht einmal im Traume zu sehen bekommen. Dieses Mädchen sagte darauf zu dem Sohn der lahmen Mutter: «Ich war die Königin der Frösche, und ich habe wohl bemerkt, daß du ein wackerer Bursche bist und das Herz auf dem rechten Fleck hast, denn du bist gut, vor allem weil du deiner Mutter Gutes tust. Und drum frage ich dich jetzt, ob du mich zur Frau nehmen willst.» Ihr könnt euch denken, wie



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erstaunt der Jüngling war. Die Rede blieb ihm im Halse stecken. Zuletzt aber antwortete er: «Wahrlich, ich weiß nicht, was ich euch darauf sagen soll! Denn seht, ich bin arm und besitze keinen Heller mehr; der letzte Batzen ist für meine Lehrzeit verbraucht worden. Die Jungfrau aber lächelte und sprach: «Oh! wenn's weiter nichts ist, ich bin reich genug!»

Nun wurde der Tag der Heirat festgesetzt. Aber wie sie von der Kirche zurückkamen, da stand da an Stelle der ärmlichen Hütte ein prächtiges Schloß — und die Lakeien und Zofen eilten geschäftig durch alle Säle und von den Zimmern in die Küche, um das Hochzeitsmahl aufzutragen. Die gute alte Mutter war ganz in Spitzen und Seide gekleidet. Man aß und trank während dreier Tage. Und ich, ich stand am Herde und bereitete die Saucen zu, ich kam, als ich mich bückte, dem Feuer zu nahe, da fing meine Schürze Flammen. Und die andern wurden zornig und schlugen mich mit der Schöpfkelle, dann jagten sie mich mit Schimpf und Schande davon, bis hierhin, und da sitze ich jetzt matt und müd auf diesem Stuhl, um euch dieses Märchen zu erzählen.


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