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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Wie der Band zustande kam

Curt Englert hatte vorgesehen, zu den «Schweizermärchen» eine zweite Folge zu veröffentlichen.

Noch im Jahre 1944 schrieb er an den Herausgeber: «der zweite Band der Märchen ist fertig. Er ist noch schöner als der erste.»

Er sandte - laut Mitteilungen von Englert das Manuskript zur Beurteilung an seinen verehrten Lehrer Karl Meuli in Basel. Nachforschungen nach dem Hinscheiden Englerts (1945) bei Karl Meuli und später im Nachlaß Meulis, sowie bei den Verlagen, die hierfür in Frage kamen, blieben ergebnislos. Man muß annehmen, daß er das Manuskript nie erhalten hat, daß es in den Kriegswirren verschollen ist.

Ein Doppel war nicht vorhanden; ebensowenig ein Verzeichnis der Texte, die er an Professor Meuli gesandt hatte. Englert ließ, seiner Gewohnheit gemäß, bis zum letzten Moment alles offen, um fortzu ändern und umstellen zu können, alle neuen Gesichtspunkte berücksichtigend, die sich ihm aus dem Leben mit diesen Texten ergaben.

So blieb die Aufgabe, zu versuchen, aus dem vorhandenen umfangreichen Nachlaßmaterial einen Band zusammenzustellen.

Es galt zunächst diejenigen Texte herauszusuchen, die von Englert für Herausgaben bearbeitet worden sind. Das konnte insofern mit Sicherheit festgestellt werden, als man sich stützen konnte auf die gewissenhafte Sekretärsarbeit, die Frau Anita Tuggener jahrelang für ihn geleistet hatte. Man kann drei Arbeitsphasen unterscheiden: Abschriften, teils unbearbeitet, die zu seiner Sammlung von Märchenund Sagenmotiven gehören. Von diesen Abschriften hat er eine ganze Reihe bearbeitet und die Bearbeitung jeweils zur Reinschrift nach Zürich gesandt. Einige Abschriften wurden dann nach Oslo gesandt und von Englert erneut korrigiert. Ein Exemplar ging jeweils an Frau Tuggener zurück und sie



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übertrug die Korrekturen in ihr Reinexemplar und schrieb darüber: «von E. revidiert». Aufgrund dieser Arbeitsweise konnten eine große Anzahl von Märchen- und Sagentexten sicher ermittelt werden, die von Englert durchgearbeitet und zur Drucklegung vorgesehen waren.

Während der Sichtung der Texte ergab sich von selbst eine natürliche Gliederung des Bandes in die Unterabteilungen: Märchen, Fabeln, Sagen, Fenggengeschichten und Schwänke, wenngleich die Gattungen nicht eindeutig zu bestimmen sind, sondern fließende Übergänge aufweisen. So faßt dieser Band die besten, noch ungedruckten Texte aller Gebiete zusammen, auf denen Englert gearbeitet hat.

Aufgefundene Verzeichnisse konnten wichtige Fingerzeige geben: so lag eines vor für eine Neuauflage des Buches «Vo chlyne Lüte», in das er vierundzwanzig neue Texte einfügen wollte. Das Fenggenbuch wurde 1965 unverändert wieder aufgelegt, und so findet nun dieses Bündel Fenggengeschichten fast gesamthaft in diesem Band Aufnahme.

Ein weiteres umfangreiches Verzeichnis von Märchenund Sagentexten hatte er der Illustratorin, Berta Tappolet gesandt. Aus diesem entnahm er die erste Folge des Schweizer Märchenbuches. Aus dem ungedruckten Restbestand ließ sich seine Intention eines Folgebandes erahnen, man ersah, welche Motive ihm wichtig waren und suchte die Texte im Nachlaßmaterial.

In diesem Verzeichnis waren Märchen aufgeführt («Die Schöne mit den goldenen Zöpfen», «Der dumme Peter»), die dann in der «Gschichtetrucke» Aufnahme gefunden hatten; sie wurden als charakteristische Motive des Folgebandes in die vorliegende Sammlung übernommen.

Wiederum hatte er eine Motivgruppe gereiht um die Sage vom «erleuteten Senn». Diese Gruppe wurde ebenfalls als Einheit übernommen, obwohl die Geschichte vom erleuchteten Senn bereits in den Alpensagen gedruckt ist. Zu zwei weiteren Sagen, die er in der Mundartfassung vorgesehen



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hatte, wurde die schriftdeutsche Fassung aus den «Alpensagen» übernommen, einerseits um dem Leser den Genuß des «Chuereihens» im Haslitalerdialekt zu erleichtern - man wird staunen über die Vollkommenheit der Überlieferung dieser Sage; andrerseits kann der Leser an diesen Beispielen Einblick gewinnen in das «Wie» der sprachlichen Gestaltung Englerts. Darüber schreibt er in einem Brief:



***
«Mein Verdienst an der Neugestaltung - der Märchen und Sagen -ist, daß ich die Wortlaute so gefaßt habe, wie es dem Wesen des Gegenstandes entspricht. Ich habe sie gereinigt von den Krusten verstaubter Gelehrsamkeit und von journalistischer Zerfaserung. Was künstlerisch daran genannt werden kann, ist also natürliche Eigenschaft der Dinge selber; es sind Steine und Blumen der Berge selber. Mein Name könnte also füglich wegbleiben. »

Nicht alle von Englert bearbeiteten Märchen und Sagen wurden in den Band aufgenommen, er wäre sonst zu umfangreich und von den Motiven her in ein Ungleichgewicht gekommen.

Um eine Vielseitigkeit der Motive zu wahren, wie sie den anderen Bänden Englerts eigen sind, mußten sogar zur Ergänzung einige Stücke aus den Quellen ausgewählt werden, aus denen Englert schöpfte, und vom Herausgeber redigiert werden.

An manchen Bearbeitungen Englerts mußten da und dort auch Retouchen vorgenommen werden, wenn ihm etwa ein unbildlich chlichéhafter Ausdruck entgangen war, den er spätestens in der Korrektur durch ein träfes Wort ersetzt hätte.

So ist die Herausgabe besorgt worden mit der Verantwortung, als handle es sich um ein eigenes Buch, in ständiger innerer Zwiesprache mit den Intentionen des Freundes



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und in dem Geist der Zusammenarbeit. wie sie der Herausgeber hatte zu Lebzeiten Curt Englerts erfahren dürfen.

Wie dieser zweite Band geworden wäre, können wir nicht wissen. Es oblag uns, mit behutsamer Hand die vorhandenen Edelsteine zu sammeln: es hat Perlen und leuchtende Steine darunter, dann auch solche mit unscheinbaren Farben. Freilich, die Meisterhand, sie zu einem Geschmeide zu ordnen, wodurch ein jeder erst zu seiner Geltung, zu Glanz und Wirksamkeit kommt, sie fehlt.

H. R. Niederhäuser


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