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ALPENSAGEN


UND SENNENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NACHERZÄHLT VON C. ENGLERT-FAYE

BUCHCLUB EX LIBRIS ZURICH


DIE RÜFENHEXE

Während des Sommers kam öfters ein fremdes Wybervölchli herauf in den Bruniboden. Am einen Bein trug es einen roten, am andern einen schwarzen Strumpf. Auf dem Kopf hatte es eine Haube, tief ins Gesicht, mit Spitzen dran, die immer auf und ab wippten. Sie tat gar armselig und bresthaft und bettelte an allen Türen. Die Leute gaben ihr Almosen an Zieger, Geißkäslein und anderem Imbiß. Aber bald merkten sie, daß die Alte mehr Batzen hatte, als sie hervormachen wollte, und gar nicht so arm war, wie sie tat. Da gaben ihr die Bauern nichts mehr. Aber da wurde das Weiblein böse und schrie allemal mit schriller Stimme, wenn es an seinem Stecken davonhumpelte: «Wartet nu, ich will-i im Nahsummer ä Schwirrä schla, daß er nu am-mi dänket!» und machte dazu fuchsteufelswilde Augen. Von da an zeigte sie sich nicht mehr.

Es war ein schöner Sommer gewesen. Gras gab's in Hülle und Fülle, das Vieh war gediehen wie selten, und reichlich hatten die Leute Käs und Anken aufgespeichert. An einem der ersten Nachsommertage bedeckte sich eines strahlenden Nachmittags der Himmel plötzlich mit schweren schwarzen



Alpensagen-188 Flip arpa

Wetterwolken, und ein Sturmwind mit Hagelschauern und Regengüssen brach hernieder über den Boden, wie es die Leute noch nie erlebt hatten. Mächtige Tannen wurden entwurzelt oder geknickt wie Strohhalme, Gras und Kraut auf den Weiden in den Boden geschlagen. Durch Runsen und Rinnen tosten die Bäche, und brüllend rollte eine gewaltige Rüfe, Totz über Totz, rainab. Zuvorderst auf dem größten Trämel aber hockte das Bettelweib, jauchzte und johlte mit gellem Gekreisch und spann und spann wie letz an einem Spinnrad. Und zuoberst fuhr ein zweites Wybervolch daher und trieb aus Leibeskräften an einem Haspel. Alles Volk aber stand und weinte und jammerte. Ein Alter sagte: «Wenn doch nur einer nach Schwanden liefe und das Kapellglöcklein läutete!» Ein flinkes Büblein hört's und springt - was gischt was bescht - und zieht den Strang. Da spitzt die Haspierin die Ohren und schnerzt:

«Sperz, Lunnä, sperz, Lunnä!
's Sywli gyßet z' Schwandä!»

Und die Spinnerin schreit zurück:

«D'Annä tüot z'fast schryä
j mag nimma, i müoß la ghyä!»

Und im Nu waren die Hexen verschwunden, das Wetter legte sich und die Rüfe ließ nach.


Copyright: arpa, 2015.

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