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ALPENSAGEN


UND SENNENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NACHERZÄHLT VON C. ENGLERT-FAYE

BUCHCLUB EX LIBRIS ZURICH


DER DIENSTFERTIGE ALPGEIST

Ein reicher Bauer besaß im Engelberger Tale eine große schöne Alp. Aber der Mann mochte seines Gutes nicht froh werden, denn es duldete keinen Knecht alida. War das Senntum zu Alp gefahren und die Wirtschaft in vollem Gange, dann währte es allemal nicht manchen Tag, und der Senn lag tot. Niemand aber konnte sagen, was sich zugetragen hatte. Das sprach sich bald im Land herum, so daß der Herr keine Knechte mehr bekam, und die Alp verödete und ward zur Wilde.

Eines Tages kam ein fremder Küher ins Tal, ein frischer kecker Bursche mit hellen Augen und starken Armen, und bat um Arbeit. Der Bauer sagte ihm von der gemiedenen Alp und meinte, er solle lieber die Finger davon lassen. Aber der Baschi — so nannte sich der Bursche - hieb standhaft und sagte: «I gange glych!» — «Jä nu», sagte der Bauer, «mach wie d'witt.» Und so fuhr der Baschi mit einem Dutzend lober Kühe zu dem verlassenen Staffel auf. Wie er mit der Habe zum Weidgatter kam, stand da ein schwarzer Mann. «He, du Cholebrenner, hie Bere, tue's Gatter uf!» rief unerschrocken der Baschi. Gleich kam der Schwarze gelaufen und tat auf. «Hü, rod di e chly! Bind al Du hesch der Zyt. Du bisch jo hie deheime.» Flugs tat's der Schwarze und lief gleitig hin und her, wo's was zu schaffen gab, sprach aber nie kein Sterbenswörtlein. Stumm folgte er dem Baschi auf Schritt und Tritt und tat immer das Gleiche, was er. Ging der Baschi ins Milchgaden, um die Gebsen zu rüsten, so ging der Schwarze mit, ging er in den Keller, in die Küche oder in den Futtergang, so tat jener desgleichen. Dem Baschi kam dies Gebaren kurios vor, aber er ließ ihn machen und sagte nichts.

Am Abend stellte der Baschi eine Mutte mit Ziegermilch auf den Tisch. Der Schwarze stand am Herd und rührte sich



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nicht. Da rief der Baschi: «He du, chum füre und sitz zuehe! Du hesch brav gschaffet. Jetz chasch au ha.» Der Schwarze kam und löffelte mit. Nach dem Essen schloff der Baschi ins Bett. «Gang, ligg au ab!» sagte er zu dem Schwarzen. Der kam ungesäumt und legte sich zu ihm, und so eiskalt war er, daß dem Baschi ein Schauer durch Mark und Bein ging, und doch war es ihm, als berühre der andre ihn gar nicht. «Rütsch yne, ich will der scho warm gä!» sagte der Baschi und schlief ein.

Am andern Tage folgte der Schwarze dem Baschi wiederum unablässig, wie sein Schatten, aber diesmal war er ihm, wo er nur stand und ging, im Wege. Da sagte der Baschi: «Gang mer doch uß Wäg! Ich ha hie d'Rächt und ha susch Arbet gnueg. Hilf mer ringer schaffe, und tramp mer wäger nit uf d'Füeß!» Und siehe da, kaum gesagt, griff der Schwarze behende zu, nahm den Eimer zur Hand, molk die Kühe, mistete, trug die Milch ins Gaden, trieb den Ankenkübel und half die Käse salzen. Er schürte das Feuer in der Wellgrube, daß es hoch aufloderte und die Funken bis zum Giebel stoben, holte die Milch im Nidler, schüttete sie ins Wellkessi, aber so raas,



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daß der Gutsch hoch bis zum Dach aufspritzte, man hätte meinen können, kein Tröpflein käme ins Geschirr. Der Baschi sah dem Treiben zu, und schüttelte zuweilen den Kopf, wenn's gar zu toll herging, aber alles ging dem seltsamen Helfer gut von der Hand, und so sagte er nichts. So ging ein Tag um den andern, und der Senn und der Geist waren bald die besten Gespanen geworden. Der Baschi plauderte mit dem schwarzen Gesellen wie mit Seinesgleichen; der aber blieb stumm wie ein Stein, nickte nur zuweilen mit dem Haupt oder machte eine Gebärde mit der Hand. Alle Nacht aber schliefen sie im selben Bett. Die Kühe gediehen prächtig und gaben einen Schapf Milch, wie noch nie. Und alle Welt wunderte sich, daß der Baschi noch am Leben sei und so gut schaffe.

So verstrich der Sommer ohne Unfall, bis die Alp geräumt werden mußte. Am Tag der Abfahrt half der Wandler alles rüsten und trieb zuletzt noch die Kühe zusammen. Als aber alles zum Aufbruch bereit war, stand er da und schaute dem Baschi traurig in die Augen. Dem wollte es scheinen, als sei sein Genosse nicht mehr so schwarz, wie er gewesen. «Wenn d'witt, chumm mit!» sagte der Baschi. Und so zog der Geist mit zu Boden, trieb das Senntum zu Tal und half die Kühe daheim wieder anbinden, und wie auf dem Staffel werkte und schaffte er auch auf dem Hofe als treuer Gehilfe den lieben langen Tag, und des nachts schlief er, wie gewohnt, in Baschis Bett. Aber keiner, außer dem Baschi, konnte ihn mit Augen sehen. Unlang aber, so fragte der Meister den Baschi, mit wem er denn auch immer gesprächle, er rede am End gar laut mit sich selber. «S'isch Numine der Schwarz», sagte der Baschi, und erzählte dem Meister alles, was sich Sommers auf der bösen Alp begeben. Da ward der Mann nachdenklich und riet dem Baschi, er solle den Wandler fragen, ob er etwas für ihn tun könne, das ihm zur Seligkeit verhelfe. Der Baschi tat nach des Meisters Wort. Der Geist sprach: «Vor Jahren bin ich



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Senn auf jener Alp gewesen und hab meinem Meister, dem Großvater deines Herrn, aus purer Bosheit, weil ich neidisch war, die schönsten Kühe erfallen lassen, viel gute Milch versudelt, Käs und Anken vertan und sonst mit seinem Gut gewüstet. Bis das gebüßt ist, muß ich wandeln. Wenn mir die Schuld erlassen wird, bin ich erlöst. Aber nur durch einen Menschen kann ich mich mitteilen. Die vor dir hinaufgekommen sind, fürchteten sich oder ärgerten sich an mir und fluchten, wenn ich ihnen im Wege war. Da erhielt ich Gewalt über sie und mußte sie erwürgen!» Als das der Bauer vernahm, schenkte er dem Büßer die Schuld in seines Großvaters Namen um der Gnade Gottes willen. Da erschien der Geist dem Baschi ganz weiß und sprach: «Lebewohl und vergelt's Gott. Jetzt geh ich ein zur Seligkeit!» — «Leb wohl und mach's gut», sagte der Baschi und hielt ihm die Hand hin zum Abschied. Aber jener winkte ab und schüttelte den Kopf. Da hielt ihm der Baschi ein Schindelholz hin. Der Geist ergriff es, als wäre es die Hand, und war im selben verschwunden. Die Schindel aber lag ganz verkohlt am Boden.


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