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ALPENSAGEN


UND SENNENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NACHERZÄHLT VON C. ENGLERT-FAYE

BUCHCLUB EX LIBRIS ZURICH


DAS SCHULDENBÄUERLEIN UND DER GELDSCHEISSER

Im Reußtale lebte einmal ein armer, geplagter Bauer. In seiner Not wußte er nicht mehr, wo Brot hernehmen für sein Herdlein Kinder und wo Geld, um dem harten Herrn zu zinsen. Wie er eines Tages traurig durch den Wald dahinschritt und sich fast hintersann um Rat und Hilfe, da begegnete er einem fremden Mandli in lederbraunem Gewande. Das bot ihm freundlich Guten Tag und fragte gar mitleidsvoll, was ihn denn so bedrücke, daß er ein so räßes Gesicht mache und mit so trüben Augen in die Welt luge. Dem Bauer war der Braune eher unheimlich, aber er nahm sich doch ein Herz und klagte ihm seine Not. «Da bist du am Rechten», antwortete das Mandli, «tu nur, wie ich dir sage, geh und grabe unter einem Weißhaselbusch, an dem eine Mistel sitzt! Grab in der Heiligen Nacht, wenn es zur Wandlung läutet, grab gerade so tief in die Erde, als hoch an der Staude die Mistel sitzt, dann wirst du dort eine Kröte finden; die nimm mit nach Hause und leg ihr ein Geldstück unter, und sie wird dir jeden Tag noch einmal so viel dazu legen. Fahr so fort, bis du reich genug bist. Nur mußt du gut zu ihr schauen und ihr putzen und schoren wie einem Kind.»



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Der Bauer dankte dem Mandli gar sehr und ging voller Freuden heim und tat zur bestimmten Stunde, wie ihm geboten. Just, als es zur Wandlung schellte, grub er unter dem Busche ein Tierlein aus. Das sah aus wie ein glänzig grasgrünes Fröschlein. Er brachte es in einem finsteren Winkel seines Stübleins unter und legte ihm am ersten Tag einen Franken unter, am zweiten zwei, am dritten vier, und so fort, und konnte sich alle Tage die Taschen füllen, und bald hatte er einen schönen Schochen Geld aufgehäuft und lebte mit den Seinen im Wohlstand. Aber - warum, wußte er nicht zu sagen - er konnte seines unverhofften Glückes nicht recht froh werden, denn sein kleiner Geldscheißer schien ihm je länger je weniger geheuer, und schließlich dachte er, jetzt sei es genug, und er beschloß, sich des Tieres zu entledigen. Auf den Rat seines Weibes wickelte er das unheimliche Geschöpf in ein seidenes Sacklümpli und steckte es in den Hosensack und ging mit ihm auf den Markt, ließ aber den Zipfel des kostbaren Tüchleins mit Fleiß zum Sack heraus lampen. Und was er dachte, geschah: Wirklich griff im Gedränge ein Schächentaler darnach, zog's heraus und machte sich stille davon. Unser Bauer aber tat nicht Mutz, nicht Cheus, als er merkte, wie jener ihm mit langen Fingern in den Sack fuhr. Aber, o heie, als er froh der gelungenen List heimkam und in den Sack langte, da lag das Donnersvieh mitsamt dem Seidentüchlein wieder drin. Jetzt ward's ihm eng und heiß. Er packte die Kröte und warf sie in einer Wut weit über eine hohe Fluh hinaus. «Jetzt ist der Cheib zu Hudeln und Gudern gegangen», dachte er aufatmend und ging befriedigt heim. Aber, o heie, als er zu Hause ankam, saß das Teufelstier, wie wenn nichts geschehen wäre, unversehrt in seinem Truckli hinter dem Kasten und glotzte ihn mit stechigen Augen an. Jetzt wurde dem Manne erst recht höllenmäßig angst und verzweifelt lief er, so schnell ihn seine Füße trugen, noch zur selben



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Stunde talab zu einem Pater Kapuziner in einem Kloster, viele Stunden weit weg. Der hörte seine Geschichte mit bedenklicher Miene an, strich sich ernst den Bart und sprach streng: «Du kommst in letzter Stunde noch; es ist dein Glück, daß du nicht gestorben bist mit diesem Tiere im Hause. Du wärest auf ewig verloren gewesen. Aber es wird schwer sein, den Unhold loszuwerden.» Lange sann der Pater kopfschüttelnd hin und her und schien mit seinem Witz am Berge, und dem Bäuerlein ward's bang und hänger. Aber endlich sprach jener: «Bring die Airaune morgen abend, fest eingetan in ein Lümpli, hierher an die Pforte; ich werde bereit stehen und dir öffnen. Wirf sie blitzgeschwind zum Spalt hinein, schletz die Tür zu und mach' dich fort. Aber, aber, ich fürchte, es wird einen harten Putsch absetzen; denn mit dergleichen Teufelszeug ist nicht zu spaßen.»

Der Abend war noch dem Tage näher als der Nacht, als das Bäuerlein in seiner Angst an der Klosterpforte anläutete. Die Pforte sprang auf, das Tüchlein flog in den Kreuzgang, und die Türe schlug krachend ins Schloß. Der Pater packte die Kröte und heftete sie, in ein Kelchtüchlein eingewickelt, an das große Kruzifix zu Füßen des Gekreuzigten.

Aber um die zwölfte Stunde der nächsten Nacht erhub sich wildes Getümmel und gewaltiger Lärm draußen vor den Klostermauern. Der Pater Guardian schaute zur Luke hinaus und erblickte eine Rotte wüster Kriegskerle, die ohne Aufhör mit den Waffen klirrten, tobten und brüllten. «Heraus mit ihm, heraus mit ihm, sonst zerstören wir Kirche und Kloster!» Erschrocken fragte sie der Guardian nach ihrem Begehr. «Ihr haltet unsern Hauptmann gefangen!» schrien jene, «gebt ihn auf der Stelle heraus!» Aber jener wußte von allem nichts und meldete es dem Oberen. Der berief ohne Verzug den Konvent und frug die frommen Väter, ob einer von ihnen etwas wisse; aber keiner wußte, was sich begeben, und alle zitterten vor



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Furcht, denn der Lärm wurde je länger je ärger. Da fiel es dem Oberen ein, daß er einen Pater, den alle für einfältig hielten und drum nicht eben hoch achteten, noch nicht gerufen und gefragt habe. Wer konnte wissen, was der in seiner Dümme angestellt haben mochte! Gleich ließ er ihn vor sich kommen und forschte ihn genau aus. Der bekannte auch gleich, was geschehen war. «Gut», sprach der Obere streng, «so iß jetzt selber die Suppe aus, die du uns eingebrockt!» Gehorsam ging der Pater zur Pforte, um mit dem tobenden Haufen zu verhandeln. «Gebt unsern Hauptmann heraus, gebt unsern Hauptmann heraus!» schrien sie nach wie vor. «Hm, das eilt mir keinen Dreck», meinte der Pater gelassen, «wenn ihr nicht warten wollt, so kommt nur und holt ihn selber!» Das aber war ihnen verwehrt. Freilich, die andern Väter drangen gar heftig in ihn, er solle der wütenden Menge den Willen tun, ehe etwas Böses geschehe. Er aber lächelte bloß und verharrte in seinem Tun. «Fürchtet euch nicht!» sprach er beschwichtigend, «wir wollen mit Gott erst noch sehen, wer der stärkere ist!» Endlich wurde es draußen stiller und die üblen Gesellen verlegten sich aufs Markten. Sie hatten wohl gemerkt, daß sie da mit Fuchten und Fausten nichts vermöchten. «Gut so», sprach der unerschrockene Kuttenmann, «schafft mir zwölf Säcke geschoppt voll Gold vom Meeresgrund herauf und stellt sie her, so sollt ihr euern Hauptmann wieder haben, eher nicht!» Aber wohl. Unlang, so standen die zwölf Säcke voller Gold vor der Pforte und das Meerwasser troff noch ab ihnen. Nun schleuderte der Pater in weitem Wurf die Kröte zur Pforte hinaus und im selben Augenblicke war das Unwesen verschwunden. «Sehet jetzt!» sprach da der einfältige Pater zu den klugen, «jetzt ist ein Lösegeld gezahlt worden, das unserem Kloster und den Armen gar wohl kommt.»


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