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ALPENSAGEN


UND SENNENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NACHERZÄHLT VON C. ENGLERT-FAYE

BUCHCLUB EX LIBRIS ZURICH


DAS ERSTE ALPHORN

Auf der Wengernalp hirtete in alten Zeiten all Sommer ein junger Senn, der hat das erste Alphorn erfunden. Das gab er seiner Liebsten, einer Sennerin. Die hütete nicht weit von ihm auf einer Alp, und bald lernte sie das Horn gar schön blasen.

Früh bei Tag, wenn die Morgensonne die Firne beschien, trieb der Senn seine Kühe auf die Weide; dann lehnte er sich wohl gegen eine Fluh und blies aus frischer Brust ein munteres Morgenlied, und alsbald trieb auf der andern Alp die Jungmagd ihr Senntum aus und blies ein Stücklein zum Gegengruß. So bliesen sie bald zusammen ein Lied, bald jedes für sich seine Weise, und bei frohem Schaue verging ihnen Stunde um Stunde der Tag, und eines ward inne des andern Gedanken im tönenden Klang des Horns von Berg zu Berg.

So ging ein Lenz und noch ein Lenz, und wenn der dritte vergangen, sollte die Ehe sie einen, denn so hatten sie es einander versprochen.

Und aber kam der Lanzig ins Land, die Matten grünten, die ersten Blumen blühten, aus den tiefen Tälern waren die Sennen fröhlich zu Berg gefahren, und die Küher jauchzten und johlten vor Lust. Auch der Jungsenn war wieder auf seiner Alp, und als am ersten Tag die Sonne aufging, blies er einen lustigen Reigen hinüber zum Willkomm. Aber kein Ton erscholl von der andern Alp. Und stärker blies er zum anderen Male. Aber stille war es, da blies er zum dritten Male mit allem Odem so stark und hell wie nie zuvor. Und nun klang es von drüben in sanften Tönen hallend zurück:

Im Fridhof han myn Platz ich gnon!
O, möchtist bald doch zuo mir chon!
Da ward dem Jüngling so weh ums Herz. In wildem Schmerz
nahm er sein gutes Horn und schmetterte es gegen den Felsen,



Alpensagen-078 Flip arpa

so daß es in Stücke zerschellte. Irr und wirr vor Leid lief er einsam haldan über die Weiden hinauf, nur die schneeweiße Treichelkuh lief hinter ihm drein, und leise läutete ihre Schelle. Er aber vernahm keinen Laut mehr und stieg empor durch Schratten und Schrunden auf die Berge und ward nie mehr gesehen. Aber niemand will wissen, wie er geendet. Und lange hat keiner die Kunst vermocht ein Alphorn zu bauen.

Copyright: arpa, 2015.

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