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Märchen aus Italien Spanien und Portugal


Illustrationen


von Sabine Wilharm

Märchen europäischer Völker


Das Ei und der Edelstein

Es war einmal eine Frau, die hatte eine Tochter und eine Stieftochter; sie lebten allein zu Haus. Das eine Mädchen mußte immer in der Küche sein und schwer arbeiten, während das andere ruhig am Fenster saß und hochmütig von oben herunterschaute. Da kam eines Tages eine Alte vorbei, die bat um Almosen. Die Stolze sagte:

»Geh weg, Alte, wir haben kein Brot im Haus.«

Die andere aber sagte:

»Ich kann dir nichts geben als dieses Ei, das ein Huhn gerade gelegt hat.«

Und sie gab der Alten das Ei. Die zerbrach es, und da war im Ei ein großer Edelstein, der war ein Brillant; die Alte nahm ihn und gab ihn dem Mädchen:

»Trage diesen Stein immer an deinem Hals, denn solange du ihn an dir hast, fällt alles Glück dir zu.«

Das Mädchen hängte den Stein um ihren Hals. Die Schwester, die neidisch war, suchte nun auch ein Ei und gab es der Alten. Sie sagte, sie möchte es zerbrechen; doch als die Alte es tat, lief das Ei, das faul war, aus, und die stinkende Flüssigkeit floß ihr über Hände und Gesicht.



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Die Alte ging fort. Nun geschah es, daß bald darauf der König am Haus vorbeikam und das Mädchen mit dem Edelstein erblickte; er fand sie so schön, daß er sich sogleich in sie verliebte und sie holen ließ und sie heiratete. So wurde sie Königin; und weil sie von Herzen gut war, baten die Stiefmutter und die Stiefschwester sie, bei ihr im Schloß leben zu dürfen, und sie erlaubte es. Eines Tages mußte der König in den Krieg ziehen und längere Zeit fortbleiben; die Königin ließ er im Schloß zurück. Da nun versuchte die Stiefmutter, die die geheime Kraft des Edelsteines erkannt hatte, mit ihrer Tochter zusammen der Königin den Brillanten wegzunehmen. Und als diese eines Tages im Bad war und die Stiefschwester zu ihr ging, um ihr das Badetuch überzuwerfen, stahl sie ihr den Stein, ohne daß die Königin es bemerkte. Sie wurde nun sehr betrübt.

Die Stiefschwester verließ mit der Mutter zusammen das Schloß, um zum König zu gehen, der im Felde war, denn die beiden glaubten, daß er nun die Stiefschwester für seine Frau halten werde. Unterwegs ruhten sie eine Weile aus und schliefen dabei ein. Ein Adler, der hoch oben vorbeiflog, sah den Edelstein leuchten, stieß herab und schnappte ihn und schluckte ihn hinunter. Die beiden Frauen, die das Fehlen des Edelsteines nicht bemerkten, zogen bald darauf ihres Weges weiter und kamen vor das Zelt des Königs. Sie baten um die Erlaubnis, eintreten zu dürfen, und sagten, die Königin sei da und wolle ihn besuchen, weil sie große Sehnsucht nach ihm habe. Der König aber erkannte, wer sie waren, und er ließ sie gehörig ausprügeln und hinauswerfen. Da erst bemerkte das Mädchen, daß sie den Stein nicht mehr hatte, und sie machte sich mit ihrer Mutter eilig von dannen.

Als der König in sein Reich zurückkehrte, kam die Königin ihm entgegen. Aber da sie den Stein nicht hatte, erkannte der König sie nicht, und er sprach: »Die ist so dumm wie die anderen auch.« Und er warf sie hinaus. Sie kehrte ins Schloß zurück, aber da wollte man sie nur noch als Küchenmagd annehmen. Als man nun eines Tages ein großes Essen für die Hochzeit des Königs bereitete und sie dafür einen Adler zurechtmachen mußte, fand sie in seinem Bauch einen Edelstein. Sie nahm ihn an sich und bat den Küchenmeister, bei Tisch bedienen zu dürfen. Sie hing sich den Stein um den Hals, und kaum war sie in den Saal getreten, erkannte der König sie, erinnerte



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sich wieder und fragte sie, wie alles gekommen sei. Sie erzählte es ihm, und der König ließ sie zu seiner Rechten Platz nehmen; und die andere Prinzessin mußte wieder abziehen.


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