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Märchen aus Italien Spanien und Portugal


Illustrationen


von Sabine Wilharm

Märchen europäischer Völker


Hans Einundeinhailb

Es war einmal ein Soldat, der hieß Einundeinhalb. Man gab ihm die Ration von sieben Soldaten zu essen, und er war immer noch hungrig. Eines Tages rief ihn der Hauptmann zu sich und sagte zu ihm: »Wie kommt es nur, daß du niemals satt wirst?«

»Als meine Mutter einmal eine Pfanne mit Maisbrei für mich machte, sagte ich ihr, es lohne sich gar nicht für mich, damit erst anzufangen. Und meine Mutter antwortete: >Herrgott, Junge! Du wirst auch nie satt.<Und seit jenem Tage bin ich nie mehr satt geworden.« Hans Einundeinhalb war sehr tapfer, deswegen verliebte sich die Tochter des Königs in ihn. Der König ließ ihn zu sich rufen und sagte:

»Bist du der tapfere Soldat?«

Hans Einundeinhalb antwortete nicht. Da fragte der König die Prinzessin:

»Ist dies der Soldat, in den du dich verliebt hast?«

»Ja; ich habe mich in ihn verliebt, weil er so tapfer ist.«

»Geh du einmal hinaus«, sprach der König zu der Prinzessin, »denn ich will es gleich in Ordnung bringen: Hör, Hans Einundeinhalb, du mußt in ein Schloß gehen, das in den Felsen von Armenien liegt, und mir etwas herbringen, das beweist, daß du dort gewesen bist.« Hans Einundeinhalb machte sich auf die Wanderung nach den Felsen von Armenien, und unterwegs begegnete ihm eine Frau, die sagte zu ihm:

»Wohin gehst du, guter Freund?«

»Das kann ich Euch nicht sagen.«

»Gib mir deine rechte Hand«, sagte die Frau.

Hans gab ihr seine Hand, und die Frau steckte ihm einen Ring an den Mittelfinger und sagte zu ihm:

»Wenn du etwas willst, so reibe diesen Ring!«

Hans Einundeinhalb wanderte weiter, und in einem Dorf trat er in eine Schmiede, in der arbeitete ein Schmied und ein Geselle. Und er sagte:

»Guten Tag, Schmied. Ich will mir eine Zange schmieden, die zwei Zentner wiegt.«

Und in einer Viertelstunde hatte er sie geschmiedet. Als er aus der



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Schmiede heraustrat, rieb er den Ring, und da verwandelte er sich in einen großen Vogel; er nahm die Zange in den Schnabel und flog davon. Die Bewohner jenes Dorfes erschraken sehr, als sie den großen Vogel über ihren Köpfen fliegen sahen. Er erreichte die Felsen von Armenien und nahm wieder menschliche Gestalt an. An dem Tor des Schlosses stand ein Mann, der fragte ihn:

»Weswegen kommst du hierher?«

Da öffnete der oberste Teufel das Tor, und Hans Einundeinhalb ging auf ihn zu, packte ihn mit der Zange, rieb den Ring, verwandelte sich wieder in einen Vogel und flog mit dem Teufel davon. Er kam zu dem König und sagte zu ihm:

»Hier ist der Beweis, den ich dir aus dem Schloß der Felsen von Armenien mitgebracht habe.«

»Wie hast du es nur angestellt, diesen Herrn hierher zu bringen?« sagte der König.

»Die Welt lehrt viel«, antwortete ihm Hans Einundeinhalb.

»Wie bist du in das Schloß von Armenien hineingekommen?«

»Ich trat nicht ein; ich hatte das Glück, den, der mir das Tor öffnete, mitnehmen zu können.«

»Gut, laß ihn jetzt los.«

Hans Einundeinhalb öffnete die Zange, und der Teufel entschlüpfte in die Luft. Da nahm Hans Einundeinhalb die Zange wie ein Gewehr in die Hände und pflanzte sich vor dem König auf. Der fragte ihn:

»Wer hat dir diese Zange gegeben?«

»Ich machte sie in einer Viertelstunde.«

Der König befahl vier Soldaten, Hans Einundeinhalb in eine Bütte voll warmes Wasser zu stecken und ihm die Rußflecken zu entfernen, die ihm der Teufel auf der Reise gemacht hatte.

Nachdem sie ihn gut gewaschen hatten, gab der König ihm ein Gewand und sagte zu ihm:

»In meinem Lustgarten habe ich zweihundert Tauben; ich will, daß du sie mir hierher bringst in den Hof meines Schlosses.«

Hans Einundeinhalb ging in den Garten, rieb den Ring und sagte: »Hierher die Tauben.«

Da kamen sie alle: Einige setzten sich auf seinen Kopf; andere auf seine Schultern; wieder andere flogen um ihn herum. Er zog mit ihnen



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los, und als er so durch die Straßen ging, blieb das Volk stehen und staunte über die vielen Tauben, die ihn umgaben. Und er trat mit ihnen in das königliche Schloß, und der König sagte zu ihm: »Laß die Tauben hier. Jetzt kannst du einige Tage ausruhen.«

Am nächsten Tag machte Hans Einundeinhalb einen Spaziergang, und unterwegs sprach er bei sich:

>Wenn der König glaubt, daß ich das ganze Jahr sein Dienstmann sein werde, so irrt er sich.<

Dann rieb er den Ring und sagte:

»Hierher die Prinzessin!«

Die Prinzessin kam, und sie machten sich zusammen auf und davon und verheirateten sich in einem anderen Reich. Der Vater der Prinzessin schrieb dem König jenes Landes und bat ihn, Hans Einundeinhalb zu töten, und sagte ihm, er solle dabei vorsichtig zu Werke gehen, denn es handle sich um den tapfersten Soldaten der Welt. Da rief jener König alle Schuster der Stadt zusammen und befahl ihnen, einen großen Mann aus Pech zu machen und ihn an das Meeresufer zu bringen und dort so aufzustellen, daß ihn bei Flut das Wasser überspülte.

Die Schuster machten den Mann aus Pech und stellen ihn an das Ufer des Meeres und befestigten ihn dort mit einigen Pfählen, die er an den Fußsohlen hatte.

Da rief der König Hans Einundeinhalb und sagte zu ihm: »Ist es wahr, daß du niemals einen Mann gefunden hast, der so tapfer ist wie du?«

»Niemals.«

»Nun, hier ist einer, der sich mit dir messen will.«

»Wo ist er? Er soll herkommen, und alle Soldaten sollen sich aufstellen, denn vor ihnen allen will ich mit diesem Tapferen kämpfen.« Hans Einundeinhalb gab der Prinzessin den Ring und ging an das Ufer des Meeres. Der König war am Strand bei der in Reih und Glied aufgestellten Truppe und sagte zu Hans Einundeinhalb: »Hier ist der Mann, der mit dir kämpfen will.«

Das Wasser stieg gerade an und reichte dem Mann aus Pech bis zu den Knien. Hans Einundeinhalb ging auf ihn zu und sagte zu ihm: »Bist du der tapferste Mann in diesem Reich?«

Und er versetzte ihm einen Faustschlag ins Gesicht, da klebte seine



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Hand an ihm fest. Er wiederholte den Schlag mit der anderen Hand, und sie blieb auch kleben. Da stieß er ihn mit dem Knie in den Bauch, und die beiden fielen ins Wasser, und eine Welle riß sie mit sich fort. Da rieb die Prinzessin den Ring und sagte: »Zu meinem Vater.« Und sie kehrte in ihr Reich zurück.


Copyright: arpa, 2015.

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