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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

I. BAND


WEISHEIT

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EINBANDZEICHNUNG VON VON F. H. EMCKE


36. Djeha

Dscheha oder Djeha ist eine der berühmtesten Persönlichkeiten der kabylischen Erzählungskunst. Man erzählt sich verschiedene Streiche in verschiedener Reihenfolge aneinander gekettet. Auch der Schluß weicht in den verschiedenen Varianten stark voneinander ab)

Im Anfange war Djeha der ehrlichste und fleißigste Mann. Man erzählt sich aber, daß Djeha eines Morgens mit seinen zwei Ochsen auf das Feld ging, um zu pflügen. Zwei Diebe hatten Djeha mit seinen Ochsen fortgehen sehen und sagten untereinander: "Wir wollen die Ochsen Djehas stehlen." Sie gingen hinter Djeha her. Djeha kam auf den Hügel, auf dem sein Feld lag. Dort pflügte er mit seinen Ochsen.

Der eine der beiden Diebe blieb in einem Gebüsch am Fuße des Hügels und hockte hier an einem trockenen Graben nieder. Der andere stieg mit einem Korb voll Feigen (thatharth) zu Djeha empor und sagte: "Hast du genug zu essen, oder darf ich dir einige Feigen anbieten ?" Djeha, der in der letzten Zeit wenig zu essen gehabt hatte, sagte: "Nein, ich habe jetzt wenig zu essen. Es ist jetzt Frühling (arr'wär) und da ist alles so teuer. Ich freue mich, wenn ich einige Feigen preiswert kaufen kann." Der Dieb verkaufte Djeha die Feigen zu einem angemessenen niedrigen Preise. Djeha aß alle Feigen. Djeha hatte, nachdem er alle Feigen gegessen hatte, Durst.

Djeha fragte: "Hast du ein wenig Wasser in deinem Ziegenschlauch? Ich habe starken Durst." Der Dieb sagte: "Nein, Wasser habe ich nicht, aber als ich vorhin hier heraufsteigend an dem Graben dort unten im Gebüsch vorbeikam, stand da ein Mann, der wusch da seine Kleider. Geh hinab und hole dir also dort unten Wasser, wenn du so durstig bist." Djeha sagte: "Sonst pflegt doch kein Wasser in dem Graben zu sein." Der Dieb sagte: "Ich sage dir, ich sah eben noch den Menschen seine Kleider waschen." Djeha sagte: "So bleibe du einen Augenblick bei den Ochsen, während ich hinabgehe, etwas zu trinken. Bewache die Ochsen so lange, bis ich zurückkehre." Der Dieb sagte: "Das will ich tun." Djeha ging den Hügel hinab zu dem Graben im Busch.

Kaum war Djeha vom Rande des Hügels ein wenig entfernt, so knotete der Dieb den einen der zwei Ochsen vom Pfluge los und trieb ihn von dannen.

Djeha kam mittlerweile an den trocknen Graben im Gebüsch an. Der andere Dieb stand hier und wusch mit trockenem Sand die Kleider.



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Djeha sah eine Weile zu, dann sagte er: "Du Narr! Du wäscht ja deine Kleider mit trockenem Sande." Der Dieb sagte: "Was soll ich tun, wenn kein Wasser vorhanden ist ?"Djeha sagte: "Wie heißt du denn?" Der Dieb sagte: "Ich heiße Themenhä-wayad (d. i. etwa "den Rest vollbringen")". Djeha ging, ohne seinen Durst gelöscht zu haben, zu seinem Ochsengespann zurück.

Als er über die Kante des Hügels kam, sah Djeha, daß der fremde Mann einen seiner Ochsen abgespannt und fortgetrieben hatte. Er sagte bei sich: "Ich werde den Mann verfolgen." Dann rief er laut zurück in den Graben: "Themenhä-wayad!" Der zweite Dieb antwortete: "Ja, ja, ich komme schon!" Als der zweite Dieb angekommen war, sagte Djeha zu ihm: "Soeben hat mir ein Dieb einen Ochsen ausgespannt und fortgetrieben. Ich will ihm nachlaufen. Kannst du solange den anderen Ochsen beaufsichtigen ?" Der zweite Dieb sagte stolz: "Ich bin Themenhä-wayad." Djeha sagte: "Gut denn, tue so!" Djeha lief alsdann hinter dem ersten Dieb mit dem Ochsen her.

Kaum war Djeha auf der einen Seite des Hügels weggegangen, so knotete der zweite Dieb den zweiten Ochsen vom Pfluge los und trieb ihn nach der anderen Seite von dannen. Nicht weit davon entfernt traf er mit dem ersten Dieb zusammen, beide zogen nun mit den gestohlenen Ochsen zum Markte.

Djeha lief inzwischen ein gutes Stück hinter der Fußspur her, bis sie sich auf der Straße verlor. Dann kehrte er betrübt zurück. Als er nun auf den Hügel kam, sah er sich nach dem anderen Ochsen um. Es war kein Ochse mehr vor dem Pfluge. Da nahm er seine kleine Hacke (thakarescht) auf die Schulter und setzte sich neben dem Pfluge (l'marrum) nieder, um zu wachen, daß wenigstens nicht auch dieser gestohlen würde. Djeha saß hier die ganze Nacht und dachte vor sich hin. Im Beginn der Nacht war Djeha betrübt. Um Mitternacht war er zornig. Als es Morgen wurde, stand er aber auf und schwur: "Ich war bisher ein ehrlicher Mann und habe mich bemüht, durch Arbeit das zu verdienen, was ich brauchte. Ich habe den Menschen immer getraut, trotzdem meine Mutter mich warnte. Dabei bin ich im Leben nicht vorwärts gekommen, sondern rückwärts. Ich habe meiner Mutter nicht gefolgt, und nun bin ich daran, zu verarmen. Die Menschen sollen aber nicht glauben, daß ich etwa törichter sei als die anderen. Die Menschen haben bislang mich betrogen und von meiner Arbeit gelebt. Von jetzt ab werde ich die Menschen betrügen und von ihrer Arbeit leben. Vordem war keiner,



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der mir in der Arbeit über war, in Zukunft soll keiner sein, der mich an Klugheit übertrifft."

Das sagte Djeha, dann ließ er seinen Pflug stehen und ging mit der Hacke auf der Schulter nach Hause, bestieg seinen Esel und ritt ebenfalls in die Stadt.

Mittlerweile hatten die beiden Diebe die Ochsen verkauft und standen nun in einem Winkel, um das Geld untereinander zu teilen. Auf dem Markt trieb sich aber noch ein dritter Dieb herum, der kannte die anderen beiden von früher. Er beobachtete die beiden Diebe, und als sie im Winkel standen, um den Erlös für die verkauften Ochsen untereinander zu teilen, trat er zu ihnen und sagte: "Ich weiß, daß ihr dieses Geld für die zwei Ochsen bekommen habt, die ihr Djeha gestohlen habt. Wenn ihr es nun nicht sogleich gutwillig mit mir teilt, gehe ich hin und zeige euch an." Die anderen beiden Diebe erschraken und erklärten sich dann bereit. So teilten sie dann das Geld in drei Teile und schwuren sich danach unverbrüchliche Freundschaft zu.

Djeha kam auf dem Markte an. Er hielt Umschau und erkannte alsbald die beiden Diebe. Djeha sagte aber nichts. Er blieb auf dem Markte bis zum Nachmittage und als er sah, daß die Diebe sich auf den Heimweg machten, richtete er es so ein, daß er vor ihnen herritt. Ehe er aber abritt, legte er unter den Schwanz seines Esels ein Goldstück.

Als Djeha nun auf dem Heimwege merkte, daß er dicht vor den drei Dieben herritt, kniff er den Esel insgeheim, so daß das Tier hinten hoch ging und dabei das Goldstück fallen ließ, das klirrend auf dem steinigen Boden aufschlug. Djeha streichelte aber sogleich den Esel und ermahnte ihn laut: "Mein Esel, behalt deine Goldstücke so lange bei dir, bis wir zu Hause sind und du auf deinem Teppich stehst." Dann wandte er sich um und sagte zu den Dieben, die erstaunt das blinkende Goldstück aufgehoben hatten: "Ihr Wanderer, nehmt das Stückchen ruhig zu euch und behaltet es; ich habe genug davon daheim!" Die drei Diebe sahen sich untereinander erstaunt an und sagten: "Was ist das? Ein Esel, der statt Mist Gold fallen läßt? Den müssen wir kaufen."

Die drei Diebe traten zu Djeha und fragten: "Läßt dein Esel statt Mist Gold fallen ?" Djeha lachte und sagte: "Habt ihr es denn nicht eben selbst gesehen?" Die drei Diebe sagten: "Wir möchten diesen goldmachenden Esel kaufen; wieviel forderst du für ihn?" Djeha sagte: "Der Esel ist mir nicht feil." Die Diebe drangen in ihn und



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sagten: "Nenne uns den Preis!"Djeha sagte: "Der Esel ist mir nicht feil, und ich würde auch nicht daran denken, ihn zu verkaufen, wenn ich nicht immer Sorge hätte, daß er mir eines Tages gestohlen werden könnte." Die Diebe sagten: "So sage uns den Preis."Djeha sagte: "Wenn ich ihn weggebe, geschieht es nur für fünfhundert Goldstücke!" Die Diebe sagten: "Wir wollen dir die fünfhundert Goldstücke zahlen." Dann führten sie den Esel heim und zahlten Djeha die fünfhundert Goldstücke. Djeha sagte zum Abschied: "Nun metkt euch, wie der Esel behandelt werden muß: er frißt nur Allerbestes, er ist gewohnt, auf einem Teppich zu schlafen, aus dem ihr dann allmorgendlich die Goldstücke ausschütten könnt." Dann ging Djeha mit seinen fünfhundert Goldstücken heim.

Die Diebe einigten sich unterdessen, daß sie den Esel jeder je einen Tag in seinem Hause behalten und so sein Gold immer einer nach dem anderen der Reihe nach gewinnen wollten. Der Älteste nahm also den Esel mit sich nach Hause. Er räumte die beste Stelle frei, breitete seinen besten Teppich aus und ließ ihm durch seine Frau das beste Essen bereiten. Vor Ungeduld konnte er die ganze Nacht nicht schlafen und jedesmal, wenn der Esel entsprechende Töne von sich gab, rief er: "Nur gründlich! Mein Esel! Entleere dich nur gründlich!" Als es Morgen war, ging er sogleich hin, um das Gold zusammenzulesen. Es war aber kein Gold da; hingegen hatte der Esel infolge des guten Essens den schönen Teppich gründlich beschmutzt und vollkommen verdorben.

Der Dieb sagte aber nichts. Er brachte, wie es verabredet war, den Esel dem zweiten Dieb. Hier ging es genau ebenso. Auch dieser sagte nichts und brachte ihn dem dritten. Als der nun das gleiche erlebt hatte, kamen die drei Diebe zusammen und sagten: "Der Esel macht kein Gold. Er macht Mist wie alle anderen Esel. Djeha hat uns betrogen. Wir wollen zu Djeha gehen und unser Geld zurückfordern." Damit machten sich die drei Diebe gemeinsam auf den Weg.

Djeha sagte sich: "Es sind drei Tage vergangen, heute werden die drei Diebe kommen und ihre fünfhundert Goldstücke zurückverlangen." Dann ließ er von seiner Frau eine Platte mit allerbestem Kuskus bereiten. Als sie fertig war, machte er mit seiner Hacke ein Loch in den Boden der Hütte, versenkte das Gericht, bedeckte es sorgfältig und deckte die Stelle wieder mit Erde zu. Kaum war er damit fertig, so kamen auch schon die drei Diebe."

Djeha begrüßte die drei Diebe und sagte: "Ihr kommt sicher wegen eines Geschäfts. Nun das können wir nachher abmachen; erst wollen



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wir nun einmal recht gut essen. Nehmt Platz! Wie geht es denn dem Esel?" Die drei Diebe sagten: "Dem Esel geht es sehr gut." Djeha rief seine Frau und sagte: "Hier sind Freunde. Ich will mit ihnen essen; reiche mir einmal die Kuskushacke (Kuskus-suksu)." Die Frau brachte ihrem Mann die Hacke. Djeha hackte da, wo der Kus-. kus kurz vorher vergraben war, ein wenig Erde beiseite und hob das noch dampfende Gericht heraus.

Die drei Diebe sahen verblüfft zu. Sie sahen das dampfende, wohlriechende Gericht. Sie aßen mit Djeha zusammen. Es mundete ausgezeichnet. Djeha stand auf und sagte: "Verzeiht einen Augenblick. Ich will nur meiner Frau draußen den Auftrag geben, uns etwas zu trinken zu bringen." Er ging hinaus. Sogleich steckten die drei Diebe die Köpfe zusammen und sagten: "Was ist das? Eine Kuskushacke, mit der man nur ein wenig den Boden zu ritzen braucht, um ein vorzügliches Gericht zu gewinnen? Und wieviel Arbeit macht die Bereitung des Kuskus unseren Frauen?! Wie oft müssen wir stundenlang auf die Zubereitung warten! Wie kostspielig ist es, ein so gutes Essen herzurichten! Wir wollen Djeha die Kuskushacke abkaufen!"

Djeha kam wieder herein. Die drei Diebe sagten: "Wir wollen dir die Kuskushacke abkaufen! Sage uns den Preis!"Djeha sagte: "Die Kuskushacke ist eine der besten Dinge, die ich von meinem Vater geerbt habe; sie ist mir nicht feil. Denkt nur, wieviel Arbeit sie meiner Frau erspart!" Die drei Diebe sagten: "Deshalb wollen wir sie ja gerade kaufen. Daß sie wertvoll ist, sehen wir. Sage uns also den Preis." Djeha sagte: "Einem Fremden würde ich die Kuskushacke überhaupt nicht geben. Ich würde sie nur Freunden aus Freundschaft ablassen." Die drei Diebe sagten: "Wir sind deine besten Freunde! Djeha, sage uns also den Preis." Djeha sagte: "Ihr Wert würde mindestens fünfhundert Goldstücke sein." Die drei Diebe liefen nach Hause. Sie holten die fünfhundert Goldstücke und bezahlten die Kuskushacke. Dann gingen sie, glücklich über die Erwerbung, wieder heim und vergaßen in ihrer Freude ganz mit Djeha wegen des goldmistenden Esels zu sprechen.

Die drei Diebe verabredeten untereinander wieder, daß jeder die Kuskushacke einen Tag behalten dürfe und sie dann dem nächsten weiterzugeben habe. Der erste nahm die Kuskushacke über die Schulter. Er kam nach Hause und sagte: "Frau, du brauchst heute keinen Kuskus zu bereiten. Ich habe die Kuskushacke!" Die Frau freute sich und sagte: "So zeige einmal, was deine Kuskushacke



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kann." Der Dieb begann sogleich im Fußboden seiner Hütte zu hacken. Er konnte aber hacken, so tief er wollte, es kam kein Kuskus zutage. Er machte ein ganz tiefes Loch. Es kam kein Kuskus zutage. Die Frau stand daneben und sah ängstlich zu. Sie sagte bei sich: "Mein Mann ist verrückt geworden." Der Dieb hackte den ganzen Boden der Hütte auf. Er zerstörte den Boden und die Lehmbänke. Es kam kein Kuskus zutage, und als es Nacht war, war alles rundherum aufgerissen und in Unordnung. Der Dieb und seine Frau mußten aber hungrig zu Bett gehen.

Wie es verabredet war, gab er am anderen Morgen die Kuskushacke dem nächsten Dieb weiter. Er sagte aber nicht, wie es ihm ergangen war. Der zweite verbot nun auch seiner Frau Kuskus zu bereiten und begann genau wie der erste Dieb den Boden seines Hauses zu zerstören, um nachher, als es Nacht ward, mit seiner Frau hungrig zu Bett zu gehen. Ebenso erging es dem dritten, und dann sprachen die drei Diebe untereinander: "Die Kuskushacke bringt keinen Kuskus heraus, es ist eine Hacke wie jede andere Hacke. Djeha ist nicht mehr ein törichter, ehrlicher Mann wie früher. Djeha versteht das Betrügen jetzt ebensogut wie wir. Er hat uns erst mit dem Esel und dann mit der Kuskushacke betrogen. Wir wollen zu Djeha gehen und unser Gold zurückfordern." Damit machten sich die drei Diebe gemeinsam auf den Weg.

Djeha sagte sich: "Es sind drei Tage vergangen. Heute werden die Diebe wiederkommen." Djeha ging auf den Hof und ergriff einen großen Hahn. Er schnitt ihm den Hals ab und den Bauch auf und nahm die Gedärme heraus. Den Darm füllte er mit Blut und band ihn seiner Frau um den Hals, so daß er vom Kleide bedeckt war. Kaum war er damit fertig, so kamen die drei Diebe.

Djeha begrüßte die drei Diebe und sagte: "Ihr kommt sicher wegen eines Geschäftes. Nun, das können wir wieder nachher abmachen, erst wollen wir nun einmal gemeinsam essen. Nehmt Platz! Frau, mach' uns gleich einen guten Kuskus!" Die Frau Djehas brummte und sagte: "Seit wir nicht mehr die Kuskushacke haben, kann ich von früh bis spät arbeiten." Djeha sagte: "Nun mach' schnell!" Die Frau sagte: "Weshalb hast du die Kuskushacke verkauft, ich bin müde." Djeha wurde zornig. Er sprang auf seine Frau zu, zog sein Messer und schnitt den mit Blut gefüllten Darm des Hahnes durch. Die Frau sank blutüberströmt zu Boden. Djeha sagte: "So, nun liege deine Zeit, das ist deine Strafe!"

Die drei Diebe erschraken und sagten: "Aber Djeha, wie kannst



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Zur Schöpfungsgeschichte



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du nur so schnell und in unserer Gegenwart deine Frau ums Leben bringen!" Djeha lachte und sagte: "Ihr denkt, ich ließe sie nun so tot liegen! O nein! Fürchtet nichts! Mein Messer tötet (thenak), es belebt (thaiju) aber auch wieder." Die drei Diebe sagten: "Wieso, erkläre uns näher, was du meinst."Djeha sagte: "Nun, so seht zu!"

Djeha nahm sein Messer, strich es dreimal um den Hals seiner Frau und sagte feierlich: "Thenak thaiju! Thenak - thaiju! Thenak thaiju!" Die Frau Djehas erhob sich, sie sah Djeha an und sagte: "Nun ist es ja gut, ich will den Kuskus ja machen!" Die Frau ging hinaus. Djeha sagte: "Ich will ihr herausgeben, was sie nötig hat. Verzeiht einen Augenblick." Djeha folgte seiner Frau.

Sogleich steckten die drei Diebe ihre Köpfe zusammen und sagten: "Habt ihr das gesehen? Mit dem Messer hat er seine Frau getötet; mit dem Messer hat er seine Frau wieder belebt. Wie leicht hat er es, mit diesem seine Frau in Gehorsam zu erhalten! Wie schwer haben wir es dagegen, unsere Frauen zur Ordnung zu bringen, wenn sie arbeiten sollen oder eifersüchtig sind. Dieses Belebungsmesser ist eine herrliche Sache. Wir wollen das Belebungsmesser Djeha abkaufen."

Djeha kam wieder herein. Er sagte: "So, nun ist meine Frau fleißig an der Arbeit, wir werden nun bald essen können! Wie sollte man mit störrischen Frauen fertig werden, wenn es nicht so ausgezeichnete Dinge gäbe." Die drei Diebe sagten: "Dieses Belebungsmesser ist allerdings eine ausgezeichnete Sache. Wir wollen es dir abkaufen. Was willst du dafür haben?" Djeha sagte: "Was denkt ihr; das Belebungsmesser ist mir nicht feil!" Die drei Diebe sagten: "Wir sind gute Freunde! Sage uns den Preis. Wir wollen ihn sogleich bezahlen." Djeha sagte: "Das Messer ist die Ordnung meines Hauses, wie sollte ich es auch Freunden überlassen können, es sei denn, daß diese noch bösere Frauen haben als ich, so daß es dort noch mehr nützt." Die drei Diebe sagten: "Unsere Frauen sind noch viel böser als die deine, nenne uns den Preis." Djeha sagte: "Sogar dann kann ich mich nur schwer davon trennen, auch wenn ich fünfhundert Goldstücke dafür erhalte." Die drei Diebe sagten: "Die fünfhundert Goldstücke sollst du erhalten." Die drei Diebe liefen heim und holten schnell die fünfhundert Goldstücke. Djeha gab ihnen das Messer. Die drei Diebe gingen damit eilig nach Hause und vergaßen in ihrer Freude ganz, mit Djeha wegen des Esels und der Kuskushacke zu sprechen.

Die drei Diebe verabredeten untereinander, daß jeder immer einen



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Tag lang das Belebungsmesser haben solle, am anderen Tage solle er es dann weitergeben. Der erste nahm also das Messer und ging in sein Haus. Als er in die Türe trat, herrschte er seine Frau an und sagte: "Schnell, jetzt den Kuskus gemacht! Ich bin hungrig!"Seine Frau sagte: "Nun, nun! Ich will ja schon schnell machen. Jede Sache braucht aber ihre Zeit!"Der Dieb sagte: "Was da Zeit! Gar keine Zeit hat es! Ihr Weiber seid ein störrisches Volk. Aber es gibt, dem Herrn sei Dank, Mittel, euern Gehorsam zu erzwingen!" Die Frau sagte: "Was, so willst du mir kommen? Dann werde ich dich verlassen und zu meiner Mutter zurückkehren. Seit du dein Geld für Mistesel und Erdhacken verschleuderst, glaube ich überhaupt nicht mehr an deinen Verstand!" Der Dieb wurde zornig. Er zog das Messer und rief: "Kennst du das da? Mit dem werde ich dich, wenn du aufbegehrst, töten und so lange tot liegen lassen, wie es mir gut scheint; und eher werde ich dich auch nicht wiederbeleben." Die Frau des Diebes sagte: "Du bist wahrhaftig betrunken!" Der Dieb sagte: "Das werden wir nachher sehen! Erst stirb einmal!" Damit sprang er auf sie zu und schnitt ihr den Hals durch. Die Frau fiel tot und blutüberströmt zu Boden. Der Dieb sagte: "So nun liege deine Zeit. Das ist deine Strafe."

Der Dieb ging dann eine Weile herum. Er betrachtete das Messer und sagte: "In Zukunft wird meine Frau gehorchen." Der Dieb ging eine Weile herum. Er betrachtete das Messer und sagte: "Was meine Frau wohl sagen wird, wenn ich sie wieder belebt habe."Der Dieb ging eine Weile herum. Er betrachtete das Messer und sagte: "Ich hoffe, daß ich es auch richtig gemacht habe." Der Dieb trat an die Leiche seiner Frau, strich dreimal mit dem Messer um den Hals seiner Frau und sagte (feierlich): "Thenak -thaiju! Thenak thaiju! Thenak -thaiju!" Die Frau des Diebes rührte sich nicht. Der Dieb sagte: "Meine Frau ist noch störrischer, als die Frau Djehas. Bei meiner Frau muß man die Wiederbelebung wiederholen." Der Dieb nahm wieder das Messer, strich es dreimal um den Hals der Leiche seiner Frau und sagte (feierlich): "Thenak -thaiju! Thenak -thaiju! Thenak -thaiju!" Die Leiche rührte sich nicht. Den Dieb befiel eine große Angst. Wieder und immer wieder umstrich er den Hals der Leiche seiner Frau und wiederholte immer wieder (feierlich): "Thenak -thaiju! Thenak -thaiju! Thenak - thaiju!" Endlich sah er ein, daß er seine Frau zwar getötet hatte, sie aber nicht wiederbeleben könne. Er trug die Leiche hinaus und begrub sie.



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Am anderen Morgen gab er, wie verabredet und ohne etwas zu sagen, das Belebungsmesser dem zweiten Dieb. Der zweite Dieb tötete und begrub seine Frau wie der erste. Er gab am dritten Morgen und wie verabredet, und ohne etwas zu sagen, das Belebungsmesser dem dritten Dieb. Der dritte Dieb tötete und begrub seine Frau wie der erste und der zweite. Dann aber kamen die drei Diebe zusammen und sagten: "Das Belebungsmesser kann nicht wiederbeleben. Es ist ein Messer wie jedes andere, und wir haben alle drei damit unsere Frauen getötet. Djeha ist jetzt nicht nur ein Betrüger wie wir, sondern er ist auch noch klüger als wir. Er hat uns um unser Geld und um unsere Frauen betrogen. Wir wollen hingehen und Djeha töten, denn sonst bringt er womöglich uns noch um das Leben." Damit machten die drei Diebe sich gemeinsam auf den Weg.

Djeha sagte sich: "Es sind drei Tage vergangen, die drei Diebe werden ihre Frauen getötet haben. Heute werden sie kommen und mich töten wollen. Dieses Mal ist es eine ernste Sache. Deshalb will ich mich nur gleich in mein Grab legen." Djeha nahm eine Hacke und grub ein Grab. Er baute es weit und groß und stellte sich Essen hinein. Er machte auf der Seite das Opferloch (leghar-rabi-Loch Gottes; ein solches war früher bei allen alten Kabylengräbern angebracht; vergl. oben S. 14), nahm eine Zange (thirandi), stieg hinab und ließ seine Frau das Grab schließen.

Die drei Diebe kamen. Djehas Frau trat ihnen weinend entgegen und sagte: "Warum seid ihr, die Freunde Djehas, nicht zu seinem Begräbnis gekommen! Nun ist er schon seit zwei Tagen gestorben. und heute erst kommt ihr." Die drei Diebe sagten: "Was sagst du, dein Mann ist gestorben ?"Die Frau Djehas sagte: "Ja, vor zwei Tagen ist er gestorben, und wir mußten ihn gleich begraben."

Die drei Diebe wurden zornig. Sie sagten: "So zeige uns das Grab!" Die Frau Djehas sagte: "Das tue ich gern, kommt mit." Sie führte die drei Diebe zu der Stelle, an der sich Djeha hatte eingraben lassen, und sagte: "Dies ist es." Der erste Dieb sagte: "Dein Djeha hat mich um mein Gold und um meine Frau betrogen. Ich will ihm noch im Tode einen Schimpf antun." Der erste Dieb schob den Stein über dem Opferloch beiseite und hockte sich über das Opferloch. Da steckte Djeha die Zange von unten hinauf und kniff mit der Zange den ersten Dieb. Der erste Dieb fuhr auf und sagte: "Ah!"

Der zweite Dieb sagte: "Dieser Djeha hat auch mich um mein Gold und meine Frau betrogen. Ich will ihm noch im Tode einen Schimpf antun." Der zweite Dieb hockte sich auch über das offene



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Opferloch. Da streckte Djeha wieder die Zange von unten herauf und kniff mit der Zange den zweiten Dieb. Der zweite Dieb fuhr auf und sagte: "Ah!"

Der dritte Dieb sagte: "Dieser Djeha hat mich wie meine Freunde um mein Gold und meine Frau betrogen. Ich will ihm noch nach seinem Tode einen Schimpf antun, wie meine Freunde." Der dritte Dieb hockte sich also auch über das offene Opferloch. Djeha streckte zum drittenmal die Zange von unten hinauf und kniff auch den dritten Dieb. Der dritte Dieb fuhr auch auf und sagte: "Ah!"

Die drei Diebe gingen wieder nach Hause. Das Gehen wurde ihnen schwer; denn Djeha hatte sie mit der Zange so arg von unten gekniffen. Die drei Diebe sagten: "Djeha verfolgt uns noch im Tode. Er kann es uns nicht vergessen, daß wir ihm seine Ochsen gestohlen haben und verkauften. Wir hielten Djeha für einen törichten Arbeiter. Wir haben ihm seine Ochsen genommen, und dann wurde er klüger und stärker als wir." Die drei Diebe gingen heim und waren nun ganz arm.

Als Djeha die drei Diebe von unten mit der Zange gekniffen hatte und sie nach Hause gegangen waren, rief er seine Frau, ließ die Decke von seinem Grabe nehmen und kam wieder herauf. Nach einiger Zeit ging er zu den drei Dieben und sagte zu ihnen: "Hört mich! Erst habt ihr mich betrogen und mich Klugheit gelehrt. Dann habe ich euch alles heimgezahlt und will euch auch lehren. Wenn ihr mich in Zukunft gut grüßen wollt (d. h. mir freundlich und untertänig gesinnt sein wollt), so will ich euch Gutes tun und euch behilflich sein, das Eure auf andere Art wiederzugewinnen. Ihr habt gesehen, daß ich stärker bin als ihr." Die drei Diebe sagten: "Du hast recht. Du bist stärker als wir. Wir wollen dir untertänig und gute Freunde sein." So wurden die drei Diebe Djehas Freunde und Gehilfen.

Eines Tages rief Djeha die drei Diebe zu sich und sagte: "Wir wollen gemeinsam in das Schatzhaus (Haus des Reichtums) des Agelith (Fürst) einsteigen und sehen, ob wir etwas finden, was wir gebrauchen können. Geht also in den Wald und macht eine Leiter (thathelumt; Steigbaum -thirkaebin). Die drei Diebe machten die Leiter und folgten dann Djeha in der Nacht zu dem Hause des Agelith. Sie lehnten die Leiter an, stiegen auf das Haus (flache Dach) und machten in der Decke ein Loch. Durch dieses Loch stiegen Sie von oben hinein.

Das Haus, in das Djeha und die drei Diebe eingestiegen waren,



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war das Haus, in dem der Agelith seine Schätze aufbewahrte. Sie lagen da in sieben großen Haufen (Gold [d'ehir], Silber [n'feda], Bronce [n'ahass, oder bedeutet dies ursprünglich auch Kupfer?] Kupfer [lahaliä], Messing [lahaliá-thaürachäh] usw.). Nachdem sie das Schilf der Decke beiseite geschoben hatten, ließen sie sich an einer Schnur herunter. Sie füllten sich alle Taschen mit Gold, soviel sie tragen konnten, und stiegen wieder hinauf. Sie brachten die Leiter beiseite und gingen heim.

Ehe sie sich trennten, sagte Djeha zu den drei Dieben: "Wenn ihr nun wieder hingehen würdet, würdet ihr sicher gefangen und getötet werden. Darum schwört mir, daß ihr dies nicht tun werdet." Die drei Diebe schworen es.

Am anderen Tage meldeten die Wächter dem Agelith, daß in der Nacht die Diebe in das Haus seiner Schätze gekommen wären und ihn sehr bestohlen hätten. Der Agelith sandte sofort zu einem weisen Manne (amrar asemeni) und ließ ihn um Rat fragen, was er tun solle. Der weise Mann ließ antworten: "Die Diebe werden sicherlich wiederkommen. Macht kein Aufhebens von der Sache, schließt auch das Loch, durch das sie eingestiegen sind, nicht wieder. Unter dem Loch bestreicht aber alles mit Leim (lesuk), so daß jeder, der von oben her unten ankommt, festklebt. So kann der Agelith die Diebe fangen." Der Agelith ließ alles so herrichten, wie es der weise Mann geraten hatte. Niemand sprach von dem Diebstahl; das Einsteigeloch wurde nicht wiederhergestellt; aber auf dem Boden unter dem Loch wurde alles dick mit Leim bestrichen.

Die drei Diebe kamen eines Tages zusammen und sagten: "Niemand hat den Diebstahl gemerkt. Es spricht niemand davon. Das Haus ist nicht wiederhergestellt. Wir können also noch einmal hereinsteigen. Da wir aber Djeha geschworen haben, es nicht wieder zu tun, so wollen wir ihn nicht mitnehmen und ihm nichts davon sagen!" Also machten sie sich zu dreien auf den Weg, holten aus dem Walde die Leiter herbei, lehnten sie an das Haus der Schätze und stiegen auf das flache Dach.

Auf dem Dache traten sie an das Einsteigeloch, das sie das erstemal mit Djeha gemacht hatten. Sie fanden es offen und sagten untereinander: "Sie haben es noch nicht wieder geschlossen. Der törichte Djeha, der diese schöne Unternehmung nicht wiederholen wollte!" Der erste Dieb ließ sich nun an einem Strick herunter. Kaum war er aber unten angekommen, so klebte er auch fest. Der erste Dieb rief: "Hier ist alles voll Leim gestrichen. Ich klebe, zieht mich



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schnell wieder herauf." Die anderen beiden Diebe zogen. Sie mochten aber ziehen, wie sie wollten, sie konnten den ersten Dieb vom Leim nicht wieder losreißen.

Die beiden Diebe riefen: "Lege dir den Strick um den Hals, dann geht es vielleicht besser!" Der erste Dieb war in großer Angst. Er legte sich selbst den Strick um den Hals. Die anderen beiden zogen. Sie schnürten ihm den Hals zu und erwürgten ihn so; aber losreißen konnten sie ihn nicht. Die beiden Diebe riefen von oben: "Bist du noch nicht wenigstens ein wenig lockerer?" Der zweite Dieb sagte: "Er antwortet nicht." Der dritte Dieb sagte: "Ich glaube, wir haben ihn erwürgt." Die beiden Diebe erschraken und sagten: "Djeha hatte recht, als er uns schwören ließ, nicht wieder hierher zu kommen. Nun werden sie morgen den toten Kameraden finden und dann uns, seine Freunde suchen. Wir wollen schnell zu Djeha eilen und ihn um seinen Rat fragen. Hier kann nur Djeha helfen."

Die beiden Diebe liefen zu Djeha und sagten ihm alles. Djeha sagte: "Ihr Narren, weshalb habt ihr mir nicht gefolgt. Wir wollen dem Toten schnell den Kopf abschneiden, damit sie nicht erkennen, wen sie gefangen haben." Djeha ging mit den beiden Dieben zum Schatzhaus. Er stieg hinauf. Er ließ sich an der Schnur soweit herunter, daß er den Kopf des Toten packen konnte. Er schnitt dem Toten den Hals ab und kletterte mit dem Kopfe im Arme wieder empor. Mit dem Kopf im Arme und den beiden Dieben eilte Djeha dann wieder daheim.

Am anderen Morgen meldeten die Wächter dem Agelith: "Wir haben einen Dieb gefangen, man kann aber nicht erkennen, wer es ist, denn der Kopf ist ihm abgeschnitten." Der Agelith ließ sogleich den weisen Mann rufen. Der weise Mann kam. Der Agelith fragte ihn: "Was meinst du hierzu? Ich will die Diebe auf jeden Fall fangen. Gib mir einen Rat, wie ich das machen kann." Der weise Mann schüttelte den Kopf und sagte: "Der das tat, der ist klug; er ist klüger als wir alle. Deshalb rate ich dir, von der weiteren Suche abzulassen. Du wirst die Diebe nicht fangen. Setz dich auf freundliche Weise mit dem Manne auseinander."

Der Agelith ward böse. Er sagte: "Ich will den Dieb fangen. Deine Sache ist es, mir zu diesem Ende einen guten Rat zu geben." Der weise Mann sagte: "Den Dieb zu fangen, wird sehr schwer sein. Wohl aber kann es gelingen, festzustellen, wer der Tote ist. Hängt den Leichnam ohne Kopf auf den Marktplatz aus. Wahrscheinlich werden seine Angehörigen kommen, ihm die Leichenklage zuteil



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werden zu lassen. (Eine sehr wesentliche Sache bei den Kabylen.) Stelle Wachen bei dem Leichnam auf und laß alle Klagenden gefangennehmen. Das ist das einzige, was ich dir für den Augenblick raten kann."

Der Agelith befahl, daß es so gemacht würde. Die Leiche des Diebes ohne Kopf wurde auf dem Marktplatz aufgehängt. Zur Seite standen Wächter. Die Mutter des getöteten Diebes kam zu Djeha. Sie weinte und sagte: "Djeha, gib mir eine Möglichkeit, für meinen Sohn zu klagen. Ich werde auch sterben, wenn ich nicht klagen kann. Ich muß hingehen und klagen." Djeha sagte: "Nun gut! Ich werde dir die Möglichkeit geben, für deinen Sohn zu klagen, ohne daß der Agelith und die Wächter es merken. Lade einen Korb voll Töpfe auf deine Schulter. Geh mit dieser Last über den Marktplatz. Wenn du an der Leiche vorbeikommst, erschrick über den Anblick, stolpere und laß deine Last im Schreck zu Boden fallen. Dann hast du allen Grund, um deine Töpfe zu klagen. Niemand kann beweisen, daß deine Klagen deinem toten Sohne gelten."

Die Mutter des Toten tat so. Sie lud eine Last mit Töpfen auf und ging über den Marktplatz. Als sie nahe der Leiche war, stieß sie einen Schrei aus und stolperte. Sie ließ die Töpfe zu Boden fallen und begann dann zu weinen und zu klagen. Die Wächter kamen herbei und sagten: "Du klagest hier!" Die Mutter des Toten rief: "Was soll ich nicht klagen um das, was ich hier verloren habe? Hängt man so die Toten, statt sie zu begraben, auf dem Marktplatz auf? Soll man nicht erschrecken, wenn man plötzlich auf dem Marktplatz Leichname hängen sieht? Und habe ich nicht durch den Schreck über diesen Toten meine Töpfe, alles was ich habe und wofür ich meine Nahrung verdienen konnte, eingebüßt? Wäre es nicht Sache derer, die die Toten auf dem Marktplatz aufhängen und die Menschen dadurch erschrecken, für den so verursachten Schaden aufzukommen? Und nun wollt ihr gar noch meinen Jammer über mein Unglück bestrafen?" Die Wächter sagten: "Schweig, Alte! Das ist nicht unsere Sache. Wir sind Wächter des Agelith, der uns seine Befehle gab. Komm jetzt mit hin zu ihm, und sage dem dann alles." Die Mutter des Toten sagte: "Gewiß will ich ihm alles sagen."

Die Wächter des Agelith brachten die Mutter des Toten zu dem Agelith. Die Wächter sagten: "Diese Frau klagte vor dem Toten." Der Agelith fragte die Frau: "Wer ist der Tote?" Die Frau sagte: "Kennst du ihn denn?" Der Agelith sagte: "Nein, ich kenne ihn eben nicht! Deshalb frage ich dich!" Die Frau sagte: "Hört doch,



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eine arme alte törichte Frau soll mehr wissen als der weise Agelith!" Der Agelith fragte: "Warum hast du denn geweint und geklagt?" Die Frau sagte: "Haben deine Wächter, die so gut auf alles achten, dir nicht gesagt, daß ich mit meiner Last Töpfe über den Platz ging, um sie zum Verkauf zu tragen? Haben sie dir nicht gesagt, daß ich beim Anblick des Toten erschrak und stolperte, so daß meine Töpfe zu Boden fielen und zerbrachen? Haben sie dir nicht gesagt, daß ich das Recht in Anspruch nehme, über meinen Verlust zu klagen? Haben sie dir nicht gesagt, daß ich den für den Verlust der Töpfe verantwortlich mache, der die harmlosen Bummler des Marktplatzes durch das Aufhängen von Leichen erschreckt und ihnen so Verluste beibringt? He? Haben dir das deine klugen Wächter nicht gesagt ?"

Der Agelith fragte die Wächter: "Verhält es sich so, wie die Frau erzählt ?" Die Wächter sagten: "Es hat sich in der Tat so begeben!" Der Agelith herrschte die Wächter an und sagte: "Ihr seid Narren! Ihr solltet mir eine Frau bringen, die über den Toten klagt, und ihr bringt mir eine, die über alte Topfscherben heult. Narren seid ihr! Packt euch!" Dann beruhigte der Agelith die Mutter des Toten, bezahlte ihr den Wert der zerbrochenen Töpfe und hieß sie von dannen gehen.

Die Mutter des Toten kam zu Djeha zurück. Djeha fragte sie: "Willst du die Leiche deines Sohnes noch einmal wiedersehen?" Die Mutter des Toten sagte: "O Djeha, ich möchte sie begraben." Djeha sagte: "Ich will sehen, was ich machen kann!"

Djeha tötete einen schwarzen Stier. Er zog dem Stier die Haut ab. Djeha hüllte sich in die schwarze Stierhaut, nahm eine Debus (Keule) in die Hand und trieb eine Herde schwarzer Ziegen vor sich her. Djeha trieb, als es Nacht geworden war, seine Herde gerade auf den Marktplatz auf die Stelle zu, an der der Leichnam des Toten hing, und an der die Wächter standen. Hier faßte Djeha seine Keule fest und schlug stark auf den Boden, so daß es dröhnte. Die Ziegen erschraken. Sie sprangen nach allen Seiten auseinander. Die Wächter sahen die wilden Sprünge der schwarzen Tiere. Die Wächter sahen die unförmige Masse des schwarz verhüllten Djeha. Die Wächter erschraken und schrien: "Die bösen Geister (adjniu, Singl. ledjenun; die alledjenu des Sudan) kommen!" Die Wächter sprangen auf und davon, weit weg, soweit sie konnten, und versteckten sich.

Als die Wächter weggelaufen waren, nahm Djeha den Leichnam herab und auf die Schulter. Er sammelte die Herde seiner schwarzen



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Ziegen und trieb sie heimwärts. Er brachte den Leichnam des toten Diebes zu dessen Mutter. Diese weinte und begrub den Leichnam.

Am anderen Tage hörte der Agelith, daß der Leichnam vom Marktplatz verschwunden sei. Er ließ seine Wächter zusammenrufen und tötete sie. Dann wandte er sich wieder an den weisen Mann (amrar asemeni) und sagte: "Sage mir, wie ich den fangen kann, der den Einbruch in das Haus meiner Schätze geleitet und jetzt den kopflosen Leib seines Kameraden gerettet hat!" Der weise Mann dachte nach und sagte: "Binde eine Thourthend (Gazelle) an der gleichen Stelle an, an der der Leichnam hing." Der Agelith ließ die Gazelle anbinden, wie es der weise Mann geraten hatte. Er stellte andere Wächter in der Nähe auf. Als es Nacht war, hüllte sich Djeha in die Kleider des getöteten Diebes, nahm ein weißes Gewand über sich und ging auf den Marktplatz. Djeha brüllte: "Ich bin der Tote, ich kann den Platz nicht verlassen, an dem ich so lange hing. Ich bin der Tote! Ich bin der Tote!" Dabei schob er die Schultern mit steifem Oberkörper hin und her und brüllte. (Es ist interessant, daß der Erzähler pantomimisch die Gesten Djehas als Toter nachahmend genau die Bewegungen ausführt, die für die Maskentänze der Berber und Nordsudaner typisch sind.) Die Wächter erschraken. Die Wächter schrien: "Der tote Dieb kommt zurück! Der tote Dieb kommt zurück!" Die Wächter liefen schnell von dannen und versteckten sich. Djeha band aber die Gazelle los, trieb sie heim, schlachtete sie, gab seiner Frau das Fleisch und sagte: "Nun haben wir ein gutes Gericht für morgen. Bereite es gut zu." Am anderen Tage hörte der Agelith, daß die Gazelle ebenfalls vom Marktplatz weggestohlen war. Der Agelith war sehr zornig. Er ließ die Wächter zusammensuchen und töten. Dann rief er wieder den weisen Mann und sagte: "Der Dieb, der den Einbruch in das Haus meiner Schätze geleitet und dann die Leiche seines Kameraden gerettet hat, hat nun auch die Gazelle geraubt, ohne daß meine Wächter es zu hindern wußten. Sage mir, wie ich diesen Mann fangen kann!" Der weise Mann lachte und sprach: "Daß er diese Gazelle rauben würde, wußte ich schon, denn ich sagte dir ja von vornherein, daß er uns an Klugheit übertrifft. Nunmehr ist aber das Gazellenfleisch in den Händen seiner Frau und so hat er eine Teilhaberin seiner Taten, die ihm an Schlauheit sicher nicht gleichkommt. Nutze eilends die Zeit. Sende eine alte Frau herum und laß sie für Barmherzigkeit als einziges Heilmittel für einen Totkranken ein Stück Gazellenfleisch von den Frauen der Stadt erbitten."



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Der Agelith rief sogleich eine kluge alte Frau. Die ging von Haus zu Haus. Nirgends aber konnte man ihr ein Stück Gazellenfleisch geben. Die alte Frau kam auch an das Haus Djehas. Sie klopfte. Die Frau Djehas öffnete. Die alte Frau sagte: "Der Agelith ist soeben zu Tode erkrankt. Der Arzt sagt, er könne nur geheilt werden, wenn er schnell ein Stück Gazellenfleisch erhielte. Wenn Ihr zufälligerweise auch nur das kleinste Stück Gazellenfleisch im Hause habt, gebt es mir aus Barmherzigkeit für den totkranken Agelith." Die Frau des Djeha sagte: "Ei gewiß, meine Alte, haben wir für den Agelith ein Stück Gazellenfleisch; warte, ich will es dir sogleich herausbringen." Die Frau Djehas ging hinein, schnitt ein Stück von der Gazellenkeule ab und brachte es heraus. Die alte Frau sagte: "Ich danke! Ich danke! Ich danke!" Die Frau Djehas sagte: "O, es ist nichts Besonderes. Mein Mann hat gestern eine ganze Gazelle gebracht. Wenn der Agelith noch mehr braucht, komm nur wieder." Die alte Frau ging. Sie wollte zum Agelith zurückkehren.

Als sie ein Stück weit gegangen war, traf sie auf Djeha, der gerade nach Hause kam. Djeha sah das Fleischstück in der Hand der alten Frau und sagte: "Meine Alte, was hast du dort ?" Die alte Frau sagte: "Der Agelith ist todkrank, und der Arzt sagte, daß er, wenn er nicht sehr schnell ein Stück Gazellenfleisch erhielte, sterben müsse. Die freundliche Frau in jenem Hause dort hat mir nun dieses Stück geschenkt." Djeha sagte: "Zeige einmal her! Was, dieses ist alles? Das sieht meiner Frau ähnlich, sie ist aber auch zu geizig. Komm zurück mit mir; ich will dir mehr geben, so wie es sich schickt, wenn einer dem Agelith etwas schenkt."

Die alte Frau kehrte mit Djeha zu dessen Haus zurück. Djeha sagte: "Tritt mit ein und suche dir selbst ein gutes Stück aus!" Er führte die alte Frau in den Stall, in dem die Gazelle hing. Dann schnitt er der alten Frau den Hals durch, so daß sie auf der Stelle tot war. Als es nun Nacht wurde, nahm Djeha die tote Alte auf den Rücken und trug sie auf den Marktplatz. Dort setzte er den Leichnam an der Stelle hin, an der erst die kopflose Leiche des Diebes gehangen hatte und an der nachher die Gazelle angebunden war. Der toten Alten drückte er aber in jede Hand ein Stück Gazellenfleisch. Hierauf kehrte er nach Hause zurück.

Am anderen Morgen wurde dem Agelith berichtet: "Die Leiche der alten Frau, die du gestern ausgesandt hast, das Gazellenfleisch zu suchen, sitzt auf dem Marktplatz an der Stelle des toten Diebes und der Gazelle, und in jeder Hand hat sie ein Stück Gazellenfleisch!"



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Der Agelith erschrak. Er ließ sogleich den weisen Mann rufen und sagte: "Höre, was geschehen ist. Der Dieb, der erst in mein Haus der Schätze eingebrochen ist, der Dieb, der die Leiche des Kameraden trotz meiner Wächter in Sicherheit gebracht hat, der Dieb, der meinen Wächtern die Gazelle stahl, der gleiche Dieb hat die alte Frau, die das Gazellenfleisch suchte, getötet, hat ihre Leiche auf den Marktplatz gesetzt und ihr, wie zum Hohne, noch ein Stück Gazellenfleisch in jede Hand gedrückt."

Der weise Mann sagte: "Laß mich nachdenken." Der Agelith sagte: "Ich warte!" Nach einer Weile sagte der weise Mann: "Ich habe dir von vornherein gesagt, daß dieser Mann uns an Klugheit weit überlegen ist. Ich finde nur noch ein Mittel, ihn zu entdecken. Vielleicht ist er gierig nach Gold. Streue also weit über den Marktplatz Gold aus, stelle zur Rechten und zur Linken eine Schar deiner besten Wächter auf. Laß sie alle scharf beobachten, was den Tag über geschieht. Vielleicht, daß die Gier nach dem Golde den Mann veranlaßt, eine Torheit zu begehen, so daß wir seine Spur finden. Ich will dir aber gleich von Anfang sagen, daß du dein Gold wahrscheinlich umsonst auf die Straße streust. Bei diesem Manne scheint mir alles vergebens, was nicht auf ein gütliches Übereinkommen herausläuft. Überlege es dir also noch einmal." Der Agelith sagte: "Dieser Mann ist ein Dieb; und ich bin der Agelith. Zwischen uns soll es kein Übereinkommen geben. Ich will es mit dem Gold versuchen."

Der Agelith ließ das Gold auf dem Marktplatze ausstreuen. Er stellte zur Rechten eine Schar seiner besten Wächter, und er stellte zur Linken eine Schar seiner besten Wächter. Die Leute sahen das Gold. Die Leute sahen aber auch die Wächter. Kein Mensch wagte den Versuch, das Gold des Agelith auf der Straße aufzuheben. Djeha ging vorüber. Djeha sah das Gold. Djeha sagte: "Niemand wagt dies? Nun, so werde ich es tun, um die Ehre der Bewohner der Stadt zu retten. Niemand soll sagen, daß in dieser Stadt kein Mann sei, der es wage, das Gold, das auf die Straße geworfen wird, aufzuheben." Djeha ging nach Hause.

Djeha trieb eine Herde Kamele zusammen, er behängte die Kamele auf der rechten Seite rot, und auf der linken Seite schwarz. Djeha zog sich ein Kleid an, das war auf der rechten Seite schwarz und auf der linken Seite rot. Djeha bestrich die Sohlen der Füße seiner Kamele dick mit Leim. Dann trieb er die Kamele durch die Straßen und über den Marktplatz. Djeha trieb seine Kamele rechts und schrie: "Hae! Hie!" Er trieb seine Kamele links und schrie: "Hie! Hie!" Die



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Kamele gingen von rechts nach links und von links nach rechts, sie schritten langsam über den Marktplatz weg, und alles Gold blieb an ihren Fußsohlen hängen. Die Wächter sahen von rechts zu und die Wächter sahen von links zu. Nachdem seine Kamele so alles Gold aufgesammelt hatten, trieb Djeha sie nach Hause, nahm ihnen das Gold ab und füllte einen Sack damit.

Als es Abend war, sandte der Agelith einen Boten und ließ fragen: "Wie steht es nun mit dem Golde ?" Die Wächter sahen über den Marktplatz hin; sie sahen, daß alles Gold weggenommen war. Sie erschraken und sagten: "Das Gold ist nicht mehr da. Wir haben aber wohl achtgegeben, es hat kein Mensch es aufgehoben. Es ist überhaupt nur ein Mann mit Kamelen über den Marktplatz gekommen. Alle anderen Leute fürchteten sich zu sehr, den Marktplatz zu betreten. Dieser Kameltreiber hat sich aber auch nicht ein einziges Mal gebückt." Die Boten kehrten zum Agelith zurück und meldeten ihm alles.

Der Agelith ließ die Wächter und den weisen Mann kommen. Der Agelith sagte zu dem weisen Manne: "Du hast recht gehabt, der Mann, der in das Haus meiner Schätze einbrach, der Mann, der die Leiche seines Kameraden zwischen den Wächtern wegnahm, der Mann, der die Gazelle trotz der Wächter stahl, der Mann, der meine Botenfrau tötete und ihre Leiche zu meinem Hohne mit Gazellenfleisch auf den Marktplatz setzte, derselbe Mann hat auch aus dem Kreis der Wächter heraus am hellen Tage mein Gold auf der Straße aufgesammelt, ohne daß diese es wahrnahmen und ohne eine Spur zu hinterlassen."

Der weise Mann fragte die Wächter: "Ist jemand tagsüber über den Marktplatz gekommen?" Die Wächter sagten: "Ja, es ist ein Mann mit Kamelen über den Marktplatz gekommen; er hat sich aber nicht gebückt, er hatte seine Not, eine Herde Kamele zusammenzuhalten." Der weise Mann sagte: "Wie sah der Mann aus?" Die Wächter zur Rechten sagten: "Der Mann war schwarz gekleidet und seine Kamele waren rot behangen." Die Wächter zur Linken riefen dazwischen und sagten: "Nein, der Mann war rot gekleidet und die Kamele waren schwarz bekleidet." Die Wächter zur Rechten sagten: "Ihr lügt. Ihr habt geschlafen! Der Mann war schwarz und die Kamele waren rot." Die Wächter zur Linken sagten: "Nein, Ihr lügt und Ihr habt geschlafen. Die Kamele waren schwarz und der Mann war rot." Die Wächter stritten hin und her.

Der Agelith sagte zu den Wächtern: "Schweigt jetzt." Der Agelith



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fragte den weisen Mann: "Was meinst du hierzu?" Der weise Mann schüttelte den Kopf und sagte: "Ich bleibe bei meiner Meinung, daß dieser Mann klüger ist als wir. Er wird deine Wächter und dich, wie er es bisher gekonnt hat, immer wieder übertölpeln. Nun weiß ich nur noch ein Mittel, von dem ich mir allerdings auch keinen Erfolg verspreche. Versuche es immerhin. Du willst in der nächsten Zeit ja sowieso einen Stellvertreter ernennen. Lade zu dieser Gelegenheit alle Männer der Stadt zu einem Abendessen auf dem Marktplatz ein. Sorge, daß alle Männer zu Gaste erscheinen. Setze ihnen dann ein Gericht Kuskus vor, dem du reichlich Sekrane (Betäubungsmittel) beifügen läßt. Die Männer werden dann auf dem Marktplatz einschlafen. Gehe dann umher und frage die Schlafenden, ob sie bei dir eingebrochen und auch die anderen Streiche ausgeführt haben. In ihrer Betäubung werden sie alles erzählen. So wie du nun den Mann gefunden hast, der dir dies alles antat, schneide ihm sogleich die eine Hälfte des Bartes ab, dann wirst du ihn am anderen Morgen sogleich wiedererkennen." Der Agelith war damit einverstanden.

Der Agelith lud alle Männer der Stadt zu einem Abendessen auf dem Marktplatz ein. Seine Boten gingen überall hin und sagten: "Der Agelith will einen Stellvertreter und Nachfolger ernennen. Er will dies mit allen Männern der Stadt besprechen. Am Abend vorher sollen sie aber alle auf dem Markt seine Gäste sein!" Alle Männer kamen; auch Djeha war unter ihnen. Der Agelith ließ große Platten mit Kuskus herumreichen. In den Kuskus war Sekrane gemischt. Alle aßen davon; auch Djeha. Aber er aß nicht so viel wie die anderen. Nach dem Essen wirkte das Sekrane, und alle schliefen ein.

Als alle Männer der Stadt auf dem Marktplatz eingeschlafen waren, ging der Agelith von einem zum anderen und fragte: "Bist du in das Haus meiner Schätze eingedrungen? Hast du mir den Leichnam des Diebes, die Gazelle und mein Gold vom Marktplatz weggenommen ?" Die Männer antworteten alle im Schlafe: "Nein, ich habe es nicht getan!" Der Agelith kam zu Djeha und fragte: "Bist du in das Haus meiner Schätze eingebrochen? Hast du mir den Leichnam des Diebes, die Gazelle und mein Gold vom Marktplatz weggenommen?" Djeha antwortete: "Gewiß, das habe ich getan. Ich habe auch die Mutter über der Leiche des toten Diebes klagen lassen. Ich war es, der ihr den Rat gab, über die Töpfe zu weinen. Ich habe auch deine alte Botenfrau, als sie Gazellenfleisch erbeten hatte, getötet



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und habe ihren Leichnam mit zwei Stücken Gazellenfleisch in den Händen dir zum Hohne auf den Marktplatz gesetzt. Denn du glaubtest klüger zu sein als ich. Ich aber habe mich, seitdem ich einsah, daß der ehrliche Mann mit seiner Arbeit unter euch nur zurückkommt, auf die List verlegt. Und wenn ich euch alle früher in der Arbeit übertraf, so will ich euch allen nunmehr in der List überlegen sein, bis ihr mir den Platz gebt, der mir gebührt."

Als der Agelith das hörte, lachte er und sagte zu seinem Diener: "Diesem Mann schneide sogleich die rechte Seite des Bartes ab, damit wir ihn morgen früh wiedererkennen." Der Diener tat es. Sogleich ging der Agelith nach Hause und legte sich zum Schlafen nieder. Djeha hatte aber weniger von dem Kuskus gegessen als die anderen und deshalb wachte er, als die Morgenkühle über das Land strich, vor den anderen auf. Er fühlte sogleich, wie der Wind über die nackte rechte Seite seiner Ohrlippe strich, faßte hin und merkte, daß sein Bart auf dieser Seite abgeschnitten war. Djeha sagte: "Ho, so leichtes Spiel soll der Agelith nicht mit mir haben!" Er stand auf, nahm sein Messer und ging von einem der schlafenden Leute zum anderen. Er schnitt einem jeden die rechte Seite des Bartes ab. Dann legte er sich wieder hin, um den Rest seiner Schlaftrunkenheit auszuschlafen.

Als es heller Tag geworden war, kehrte der Agelith mit dem weisen Mann und seinem Diener auf den Marktplatz zurück, um den Mann zu ergreifen, den er in der Nacht nach dessen eigenem Bekenntnis die rechte Seite des Bartes hatte abschneiden lassen. Als der Agelith nun unter den Männern Umschau hielt, sah er, daß sie alle der rechten Seite des Bartes beraubt waren. Er wandte sich an den weisen Mann und fragte ihn: "Was soll ich nun tun?" Der weise Mann sagte: "Ich habe dir gesagt, daß ich dir meinen letzten Rat gegeben habe. Dieser Mann übertrifft uns alle an Klugheit. Am ersten Tage riet ich dir schon, du solltest dich mit ihm gütlich einigen. Treibst du es mit der Verfolgung weiter, so glaube ich, daß du eher darüber sterben wirst als er. —Vergiß im übrigen nicht, daß du die Männer zusammengerufen hast, um unter ihnen einen Stellvertreter und Nachfolger auszuwählen."

Der Agelith dachte über alles dieses und über das, was ihm in der Nacht Djeha gesagt hatte, nach und sagte dann zu den versammelten Männern: "Ich habe euch zusammengerufen, um euch zu sagen, wen ich zu meinem Stellvertreter und Nachfolger auserwählt habe.



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Unter euch ist einer, der erst der beste Arbeiter unter uns allen war, der aber dann, als er damit nicht vorwärtskam, sich in Klugheit übte, in der er nun uns alle übertrifft. Dieser Mann soll mein Stellvertreter und Nachfolger werden."

So ward Djeha erst Stellvertreter des Agelith und nachdem der Agelith der Stadt!


Copyright: arpa, 2015.

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