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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Connlas Meerfahrt

Als Connla der Rote, der Sohn Conns des Hundertkämpfers', eines Tages an der Seite seines Vaters auf der Anhöhe von Uisneach 2 weilte, erblickte er ein Weib in wunderbarem Gewand. »Woher bist du gekommen, o Weib?«fragte er.

»Ich komme«, erwiderte sie, »aus den Landen der Lebenden, wo es weder Tod noch Sünde gibt. Wir feiern immerzu festliche Gelage, die keiner Zurüstung bedürfen. Heitere Geselligkeit ohne jeden Zwist herrscht bei uns. In tiefem Frieden 3 leben wir; deshalb nennt man uns das Sidh 3 -Volk.«

»Mit wem sprichst du?«fragte Conn seinen Sohn; denn niemand sah die Frau, Connla allein ausgenommen. Jene erwiderte an seiner Statt:

»Er spricht mit einem jungen, schönen Weibe aus edlem Geschlecht, dem weder Tod noch Alter droht.

Ich liebe Connla den Roten!

Ich rufe ihn nach dem wonnigen Gefilde,



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In dem König Buadhach 1 ewig herrschet,

Ein König, dessen Land weder Klage noch Weh kennt, Seit er die Herrschaft angetreten.

Komm mit mir, Connla,

Du, dessen Nacken wie Milch und Blut, du mit dem Flammengelock!

Die goldblonde Krone, die über deinem rosigen Antlitz schimmert,

Sie wird das Zeichen deiner Königswürde sein.

Wenn du mir folgst, so wird die Jugendfrische und Schönheit deiner Gestalt bis in Ewigkeit niemals dahinwelken.«

Da sprach Conn zu seinem Druiden Corann - es hörten nämlich alle, was das Weib sprach, obzwar sie niemand sehen konnte.

»Ich bitte dich, Corann, Sangeskundiger, Künstereicher! Schwere Not ist über mich gekommen, gegen die mein Wissen und meine Macht nichts vermögen.

Seit ich die Herrschaft ergriffen, hatte ich keinen so schweren Strauß auszufechten wie diesen.

Ohnmächtig bin ich im Kampfe gegen jene unsichtbare Gestalt, Die mich bedrängt, um meinen schönen Sohn durch zauberische Künste mir zu rauben;

Weibersprüche sind es, die ihn von meiner königlichen Rechten hinweglocken wollen.«

Da sang der Druide ein Zauberlied gegen die Stimme jener Frau, so daß keiner mehr ihr Rufen vernahm und sie auch hinfort Connlas Blicken entschwand. Aber während sie vor dem mächtigen Gesange des Druiden entwich, warf sie Connla einen Apfel zu. Einen ganzen Monat lang verblieb hierauf Connla ohne Speise und Trank; jedwede Nahrung verschmähte er, seinen Apfel allein ausgenommen.



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Und soviel er auch davon essen mochte, der Apfel nahm niemals ab, sondern blieb immer ganz. Schließlich wurde Connla von Sehnsucht nach der Frauengestalt ergriffen, die er gesehen hatte. An dem Tage, an welchem der Monat um war, befand sich Conla an der Seite seines Vaters im Archomain 1 -Felde. Da sah er dieselbe Frau auf sich zukommen, und sie sprach zu ihm:

»Auf kläglichem Sitze thront Connla
Unter Sterblichen und Vergänglichen
In Erwartung grausigen Todes.
Die ewiglich Lebenden laden dich ein!
Bald rufen dich die Mannen des Teathra 2 ,
Die dich täglich unter deinen lieben Verwandten erschauen.
In den Versammlungen deines Vaterlandes.«

Sobald Conn die Stimme des Weibes vernahm, sprach er zu seinen Leuten:

»Ruft mir den Druiden herbei, denn ich sehe, daß ihr die Zunge heute wiederum gelöst ist!«

Da sang die Frau:

»O Conn, Hundertkämpfer!

Des Druiden Kunst sollst du nicht lieben!

Denn es währt nicht mehr lange,

So betritt, um Gericht zu halten, unseren weiten Strand Ein Gerechter 3 mit zahlreichen herrlichen Begleitern.

Bald wird dich sein Gesetz erreichen,

Das der Druiden Zaubersprüche und ihre ruchlosen Lehren Vor den Augen des Teufels, des schwarzen Zauberers, zunicht macht.«



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Conn wunderte sich darüber, daß Connla mit niemandem redete, sobald das Weib erschienen war.

»Geht dir, o Connla«, fragte Conn, »das zu Herzen, was das Weib spricht?«

»Ich weiß nicht recht«, entgegnete Connla. »Ich liebe die Meinigen über alles, aber die Sehnsucht nach jenem Weibe läßt mir keine Ruhe.«

Da sang die Frau:

»Du kämpfst -vergeblichstes Bemühen! —

Gegen die Woge deiner Sehnsucht, die doch fort von den Deinen treibt,

Mit mir in meinem kristallenen Schiffe

Zum Sidh des Buadhach zu fahren.

Ich weiß noch ein anderes Land,

Das um nichts schlechter ist;

Zwar senkt sich schon die Sonne,

Doch erreichen wir es noch vor Anbruch der Nacht.

Das ist das Land, das den Sinn eines jeden

Erfreut, der darin wandelt.

Kein anderes Geschlecht lebt dort

Als nur Mädchen und Frauen.«

Da sprang Connla fort von ihnen in das kristallene Schiff. Man sah die beiden sich weiter und weiter vom Lande entfernen; schließlich konnte ihnen kaum mehr ein Auge folgen, wie sie auf der weiten Meeresfläche dahinführen. Seitdem wurden sie nie mehr gesehen. Als nun Conn seinen zweiten Sohn Art auf sich zukommen sah, sprach er: »Jetzt wird Art ganz einsam sein.«

Deshalb heißt er »Art der Einsame«.


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