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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Der Herr und sein Knecht

Es waren früher einmal schlechte Zeiten, und viele Knechte suchten nach Arbeit, aber es gab nur wenig Stellen für sie. Da war nun ein Bauer, der wollte nur einen Mann annehmen, der sieben volle Jahre bei ihm bliebe und keinen anderen Lohn heischte, als was er beim Dreschen in der Scheune an Saatkörnern mit dem Munde erhaschen könnte.

Niemand wollte in seine Dienste gehen. Er sagte schließlich, er würde ihnen erlauben, ihre Saat auf seinem bester Acker auszusäen und mit seinen eigenen Pferden und seinem Pflug zu pflügen, Garben zu binden und zu eggen.

Da war ein junger Bursche, der sprach: »Ich will in deine Dienste gehen«, und der Bauer dingte ihn. Sie schlossen folgenden Handel ab: Der Bursche sollte als Lohn so viele Saatkörner erhalten, als er beim Getreidedreschen in der Tenne mit seinem Munde auffangen konnte, und er sollte diese Saat auf des Bauern bestem Land aussäen dürfen. Was von der Saat aufging, sollte ihm gehören. Dazu sollte er legen, was er beim Dreschen an Körnern mit dem Munde erhaschen konnte, und dies Korn dann wieder im nächsten Jahr auf des



Bd-11-231_Maerchen aus Schottland Flip arpa

Bauern bestem Stück Land aussäen. Pferde, Pflug und jedes andere zum Pflanzen oder zur Ernte nötige Gerät sollte er benutzen dürfen und so immer weiter bis zum Ende der sieben Jahre. Er sollte also sieben Winter zum Dreschen, sieben Lenze zum Säen, sieben Sommer des Wachsens für die Ähren und sieben Herbste zur Ernte haben, und was auch aus des Burschen Saat erwuchs, sollte sein Lohn sein, wenn er ginge.

Der Bursche nahm nun Dienst bei seinem Herrn, und immer, wenn er in der Scheune drosch, arbeitete der Bauer mit ihm, und er konnte in diesem Winter nur drei Saatkörner mit dem Munde erhaschen. Die hob er sorgfältig auf, bis der Frühling kam. Dann pflanzte er sie auf dem besten Boden seines geizigen Herrn.

Daraus wuchsen drei Ähren, und jede Ähre trug sechzig gute Saatkörner. Wieder hob der Bursche sie sorgfältig auf und legte dazu, was er an Körnern erhaschen konnte.

Im Frühling pflanzte er sie aufs neue und hatte im Herbst so gute Ernte wie das Jahr vorher.

Der Bursche bewahrte seine Saat sorgfältig auf und legte alles, was er im nächsten Winter beim Dreschen erlangen konnte, zu dem übrigen. Und so machte er es Jahr für Jahr, bis er schließlich - um eine lange Geschichte kurz zu machen - im letzten Jahre jedes bißchen Ackerland seines Herrn bepflanzt hatte, noch Saat übrigbehielt und der Geizhals fast zugrunde gerichtet war. Er mußte seinem Nachbarbauer Zins zahlen für das Land, das der Bursche zur Aussaat seines Ernteüberflusses brauchte, mußte einen Teil seiner Rinder verkaufen aus Mangel an Weideland und hatte nie wieder Lust, einen ähnlichen Handel mit einem Knechte abzuschließen.


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