Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Katzenfell

Es lebte einmal ein Edelmann, der viele Ländereien und Häuser besaß und sich deswegen nichts sehnlicher wünschte, als einen Sohn zum Erben zu haben. Als ihm seine Frau aber eine Tochter schenkte, hatte er, so niedlich sie auch war, nichts für sie übrig und befahl: »Laß sie nie vor meine Augen kommen!«

Sie wuchs mit der Zeit zu einem schönen Mädchen heran. Doch ihr Vater sah sie erst wieder, als sie fünfzehn Jahre alt war und verheiratet werden sollte. Ihr Vater aber sagte nur: »Verheiratet sie mit dem ersten besten, der sie haben mag!«Und als das bekannt wurde, meldete sich zuerst ein schmutziger, grober, alter Kerl. Da wußte sie nicht, wie sie sich helfen sollte, ging zur Zauberin und bat um Rat. Die Zauberin riet ihr: »Sage, du willst ihn nicht nehmen, bevor sie dir nicht ein Kleid aus silbernem Stoff gegeben haben.«Nun, sie gaben ihr ein silberdurchwirktes Kleid, doch sie wollte ihn trotzdem nicht nehmen, sondern ging wieder zur Zauberin, die ihr riet: »Sage, du willst ihn nicht nehmen, bevor sie dir nicht ein Kleid aus goldenem Stoff gegeben haben.«Nun, sie gaben ihr ein golddurchwirktes Kleid, doch sie wollte ihn trotzdem nicht nehmen, sondern ging zur Zauberin, die ihr riet: »Sage, du willst ihn nicht nehmen, bevor sie dir nicht ein Kleid gegeben haben, das aus Federn aller Vögel, die in der Luft schweben, gemacht ist.«Da schickten sie einen Mann mit einer Riesenmenge Erbsen hinaus, der allen Vögeln in der Luft zurief: »Jeder Vogel gebe eine Feder, und er bekommt dafür eine Erbse.«Also nahm jeder Vogel eine Erbse und legte eine Feder hin, und sie nahmen alle Federn und machten ein wunderschönes Kleid daraus und gaben es ihr. Aber sie war noch immer nicht bereit, sondern fragte die Zauberin wiederum, die ihr riet: »Sage, erst müßten sie dir noch ein Kleid aus Katzenfellen machen.« Also machten sie ihr ein Kleid aus Katzenfellen, und sie zog es an, raffte ihre anderen Kleider zusammen und floh in den Wald. Dort lief und lief und lief sie, bis sie das Ende des Waldes erreicht hatte und vor sich ein schönes Schloß liegen sah. Sie verbarg ihre schönen Kleider, ging an das Schloßtor und bat um Arbeit. Die Schloßherrin sah sie und antwortete:



Bd-11-129_Maerchen aus England Flip arpa

»Es tut mir leid, aber es ist keine bessere Stelle frei. Doch wenn du willst, kannst du als Küchenmagd hier arbeiten.« Also ging sie in die Küche hinunter, und sie nannten sie ihres Kleides wegen Katzenfell. Die Köchin aber behandelte sie sehr schlecht und machte ihr das Leben schwer.

Nun geschah es, daß der junge Schloßherr bald darauf aus der Fremde heimkehrte und aus diesem Anlaß ein prächtiger Ball stattfinden sollte. Als die Dienerschaft davon sprach, bat Katzenfell: »Ach, liebe Frau Köchin, ich würde so gern auch dahin gehen.« »Was, du schmutzige, freche Schlampe«, rief die Köchin, »du willst dich unter den vielen vornehmen Herren und Damen in deinem verfilzten Katzenfell sehen lassen? Eine feine Figur würdest zu da machen!« Und damit nahm sie eine Schüssel voll Wasser und schleuderte es in Katzenfells Gesicht. Diese aber schüttelte nur schnell den Kopf und sagte kein Wort.

Als der Balltag kam, schlüpfte Katzenfell aus dem Haus und eilte an den Waldrand, wo sie ihre Kleider versteckt hatte. Sie wusch sich unter einem kristallklaren Wasserfall, zog dann ihr silberdurchwirktes Kleid an und lief geschwind zu dem Ball. Als sie eintrat, staunten alle über ihre Schönheit und Anmut, und der junge Schloßherr verlor sogleich sein Herz an sie. Erforderte sie zum ersten Tanz auf und tanzte die liebe lange Nacht mit keiner anderen. Als es Zeit zum Aufbruch war, fragte der junge Schloßherr: »Du Schöne, bitte sage mir, wo du wohnst?« Doch Katzenfell knickste und antwortete:

»Gnädiger Herr, es klingt fast wie Hohn:
Im Zeichen der >Wasserschalen< ich wohn'.«


***
Danach floh sie aus dem Schloß, streifte ihr Katzenfell über und schlüpfte, unbemerkt von der Köchin, wieder in die Küche. Am nächsten Tag ging der junge Edelmann zu seiner Mutter, der Schloßherrin, und erklärte ihr, keine andere als die Jungfrau im Silberkleid werde er heiraten und er wolle nicht ruhen, bis er sie gefunden habe.



Bd-11-130_Maerchen aus England Flip arpa

In der Hoffnung, das schöne Mädchen werde wieder teilnehmen, sollte ein zweiter Ball stattfinden. Wieder sagte Katzenfell zur Köchin: »Oh, wie gern wäre ich dabei!«Worauf die Köchin sie wütend anschrie: »Was, du schmutzige Schlampe! Fein würdest du unter all den vornehmen Damen und Herren aussehen!« Und sie packte einen Schöpflöffel und zerbrach ihn auf Katzenfells Rücken. Diese aber schüttelte sich und lief zum Walde, wo sie sich zuerst wusch, dann ihr goldgewirktes Kleid überstreifte und in den Ballsaal ging. Sowie sie eintrat, richteten sie alle Blicke auf sie, und der junge Schloßherr erkannte sofort in ihr die »Dame von den Wasserschalen« wieder, führte sie zum ersten Tanz und hielt sie bis zum letzten fest. Jetzt fragte er sie wieder, wo sie lebe. Doch alles, was sie erwiderte, war:
»Gnädiger Herr, es klingt fast wie Hohn:
Beim >Zerbrochenen Schöpflöffel< ich wohn'.«


***
Damit eilte sie weg, fort vom Ball, zog das goldene Kleid aus, das katzige an und war in der Küche, ehe die Köchin sie sah. Als der junge Schloßherr am nächsten Tage vergebens die »Wasserschale« und den »Zerbrochenen Schöpflöffel« zu finden versucht hatte, bat er seine Mutter, nochmals einen großen Ball zu geben, weil das schöne Mädchen dann vielleicht noch einmal kommen würde. Alles geschah so wie vorher. Katzenfell sagte der Köchin, wie gern sie zu dem Ball gehen möchte, die Köchin nannte sie eine »schmutzige Schlampe«und zerbrach den Schaumlöffel auf ihrem Kopf. Sie aber schüttelte sich nur, lief zum Wald, wo sie im kristallklaren Wasser badete, dann ihr Federkleid überstreifte und so den Ballsaal betrat.

Als sie hereinkam, staunten alle, wie schön sie war und was für ein kostbares und seltenes Kleid sie trug. Der junge Schloßherr erkannte sofort das geliebte Mädchen und wollte den ganzen Abend hindurch nur mit ihr tanzen. Als der Ball sich dem Ende zuneigte, bedrängte er sie mit der Frage, wo sie denn lebe. Sie aber antwortete nur:


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt