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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Die Sterne am Himmel



***
Einmal und zweimal und viele Male wurde mir diese Geschichte erzählt, daß da vor langen Zeiten ein winziges kleines Mädchen lebte, das jeden Tag weinte, weil es nicht die Sterne am Himmel zu Spielgefährten hatte. Es wollte nicht dies, und es wollte nicht das, die



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Sterne nur, die wollte es haben. Und deswegen machte es sich eines Tages auf den Weg, um sie zu suchen. Es ging und ging und ging, und schließlich kam es zu einem Mühlenwehr.

»Schönen guten Tag«, sagte es, »ich suche die Sterne am Himmel, ich möchte so gern mit ihnen spielen. Hast du wohl welche gesehen?« «

»O ja, liebes Kind«, sagte das Mühlenwehr, »sie scheinen mir nachts so ins Gesicht, daß ich nicht einschlafen kann. Spring herein, vielleicht findest du einen.«

Und sie sprang hinein und schwamm hierhin und dahin und dorthin, aber sie konnte nicht einen einzigen Stern entdecken. Also ging sie wieder weiter und kam an ein Bächlein.

»Einen schönen guten Tag, liebes helles Bächlein«, grüßte sie. »Ich suche die Sterne, die am Himmel stehen, um mit ihnen zu spielen.

Hast du wohl welche gesehen?«

»Ja, ganz bestimmt, liebes Mädchen«, sagte das Bächlein. »Ich sehe sie nachts an meinen Ufern schimmern. Rudere hier entlang, sicher findest du einen.«

Also ruderte, ruderte und ruderte sie, aber sie fand nicht einen einzigen Stern.

Und so ging sie weiter, bis sie zu den Elfen kam.

»Ich wünsche euch einen guten Tag, liebe Elfen«, sagte sie. »Ich suche die Himmelssterne, um mit ihnen spielen zu können. Habt ihr wohl einen einzigen gesehen?«

»O ja, mein liebes Kind«, sagten die Elfen, »nachts schimmern sie hier im Gras. Tanze mit uns, vielleicht findest du dabei einen.«

Und sie tanzte, tanzte und tanzte, aber nirgends war einer zu erblicken. Da setzte sie sich hin, und ich vermute, daß sie nun weinte.

»O ihr Lieben, o ihr Strahlenden, ich bin geschwommen, ich bin gerudert, und wenn ihr mir nicht helfen könnt, werde ich nie die Sterne am Himmel finden, um mit ihnen spielen zu können.«

Da flüsterten die Elfen miteinander, und dann trat eine von ihnen zu ihr, nahm sie an der Hand und sprach: »Wenn du nicht heimgehen willst in die mütterliche Geborgenheit, dann gehe vorwärts, immer vorwärts; wir meinen, du bist auf dem richtigen Weg. Bitte die



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Vierflügelige, dich zu der Schwebenden zu bringen, und bitte dann die Schwebende, dich zu den Stufen zu bringen, die aufwärts führen, und wenn du hinaufzuklimmen vermagst. .

»Oh, werde ich dann mitten unter den Sternen des Himmels sein?« rief das Kind aus.

»Wenn du nicht dorthin gelangen solltest, irgendwo kommst du hin«, sagten die Elfen und tanzten wieder weiter.

So ging sie erleichtert fort und kam dann zu einem Pferd, das gesattelt und an einen Baum gebunden war. »Guten Tag, liebes Tier«, grüßte sie, »ich suche die Sterne am Himmel, um mit ihnen spielen zu können. Willst du mir helfen, weil mir schon alle Glieder weh tun?«

»Ach nein«, sagte das Pferd, »ich weiß gar nichts von den Sternen am Himmel und bin nur auf die Bitten der Elfen hier und nicht von mir aus.«

»Ach«, sagte sie, »von den Elfen komme ich ja eben, und sie rieten mir, die Vierflügelige zu bitten, daß sie mich zur Schwebenden bringe.«

»Das ist etwas anderes«, sagte das Pferd, »steig auf und reite mit mir!«

Sie ritten, ritten und ritten, bis sie aus dem Walde herausgelangten und an das Ufer des Meeres kamen. Und vor ihnen auf dem Wasser lief ein breiter glitzernder Pfad dahin bis zu etwas ganz Wundersamem, das aus dem Wasser bis zum hohen Himmel aufwallte und in dem alle irdischen Farben schimmerten, Blau und Rot und Grün, und das ganz herrlich anzuschauen war.

»Nun steig ab«, sagte das Pferd. »Ich habe dich bis ans Ende der Welt getragen, und das ist mehr, als was die Vierflügelige vermag. Ich muß nun wieder nach Hause zu den Meinen.«

»Aber«, fragte das kleine Mädchen, »wo ist denn nun die Schwebende, und wo ist die Treppe ohne Stufen?«

»Das weiß ich nicht«, sagte das Pferd, »ich habe hier nichts mehr zu tun. Also guten Tag, kleines Mädchen.« Und damit sprang es davon.

Das Kind stand völlig verstummt da und schaute nur immer auf das



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Wasser, und zuletzt kam ein seltsamer Fisch bis zu ihr herangeschwommen.

»Guten Tag, du großer Fisch«, sagte sie. »Ich möchte zu den Sternen am Himmel und suche die Treppe, die zu ihnen hinaufführt. Kannst du mir den Weg zeigen?«

»Nein, das kann ich nicht«, sagte der Fisch, »es sei denn, du brächtest mir einen Auftrag von den Elfen.«

»Oh, den bringe ich«, freute sie sich. »Sie sagten mir, die Vierflügelige würde mich zuletzt zu der Schwebenden bringen, und die Schwebende würde mich dann zu der Treppe ohne Stufen führen.«

»Dann ist es ja gut«, sagte der Fisch, »dann ist alles in Ordnung. Sitz nur auf und halte dich fest!«

Und er schnellte, pitsch-patsch, herum und glitt mit ihr den silbrigen Wasserpfad entlang bis hin zu den leuchtenden Strahlen. Und je näher sie kamen, um so schimmernder wurde es, so daß sie zuletzt ihre Augen mit der Hand vor dem Gestrahl beschatten mußte.

Und als sie herankamen, sah sie, daß es ein breites, glänzendes, auf und ab schwebendes Gebilde war, an dessen Ende sie, droben in unendlicher Ferne, winzige goldene, strahlende Formen wie tanzend sich bewegen sah.

»Nun sind wir da«, sagte der Fisch, »und da ist die Treppe: steige hinauf, wenn du's vermagst, aber halte dich ja fest! Ich kann dir versichern, daß die Treppe bei dir daheim nichts gegen diese hier ist. Sie ist nicht so beschaffen, daß Kinderfüße sie beschreiten können.« Und damit schoß der Fisch durchs Wasser davon.

Sie aber kletterte, kletterte und kletterte und kam doch keine Stufe höher hinauf. Vor ihr und um sie war reinstes Strahlen, das Wasser aber unter ihr war dunkel, und je mehr sie sich aufwärts zu kämpfen versuchte, um so tiefer sank sie in Schwärze und Kälte ein, und je höher sie kletterte, um so tiefer glitt sie wieder zurück.

Doch sie kletterte und kletterte unentwegt, wenn auch das Licht sie schwindlig und die Kälte sie schauern machte und Furcht sie erfüllte. Doch immer noch kletterte sie, bis sie endlich betäubt und schwindlig losließ und sank, immer weiter sank und sank.



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Und bums -fiel sie auf harte Bretter. Und da wachte sie auf und fand sich weinend und schluchzend mutterseelenallein neben ihrem Bettchen sitzen.


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