Märchen aus England Schottland und Irland
Illustrationen
von Antje Schönau
Märchen europäischer Völker
Johnny-Gloke
Johnny-Gloke war von Beruf Schneider. Da er aber einen aufgeweckten Geist besaß, wurde er des Schneiderns müde und wünschte etwas zu verrichten, das ihm Ehre und Ruhm einbringen würde. Zunächst wußte er nicht, wie er es anfangen sollte, zu Ruhm und Glück zu gelangen, und deswegen legte er sich einfach faulenzend in die Sonne, statt Nadel und Schere fleißig zu handhaben. An einem schönen warmen Tage aber, als er sich so seines Nichtstuns freute, wurde er durch Fliegen gestört, die sich auf seine bloßen Füße setzten. Er ließ seine Hand auf sie herunterklatschen und tötete ihrer eine ganze Anzahl. Als er nachzählte, wie viele sein kräftiger Schlag umgebracht hatte, war er über seinen Erfolg recht froh. Und wieder brannte sein Herz danach, große Taten zutun. Er gab seinem Gefühl mit den Worten Ausdruck:
»Johnny-Gloke tat das sogleich: Fünfzig Fliegen auf einen Streich.« |
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Himmel auch! Was waren das für Riesenkerle mit schrecklichen Köpfen und ellenlangen schrecklichen Zähnen! Johnny verbarg sich in einem hohlen Baum und dachte vorerst nur an seine eigene Sicherheit. Da er sich hier gut versteckt wußte, lugte er vorsichtig aus seinem Schlupfwinkel und beobachtete die zwei bei ihrem Tun. Dabei entwarf er einen Schlachtplan. Er griff einen Kieselstein, warf ihn mit aller Kraft nach dem einen von ihnen und fügte ihm dadurch einen harten Schlag am Kopf zu. Der Riese, schmerzlich getroffen, drehte sich zu seinem Gefährten um und beschimpfte ihn wütend, weil er ihn geschlagen habe. Zornig leugnete der andere, ihn mit einem Stein geworfen zu haben.
John sah sich nun auf dem besten Weg, seine Belohnung und die Hand der Königstochter zu bekommen. Er verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete achtsam auf die Gelegenheit, einen neuen Wurf anzubringen. Bald war es wieder soweit, und ein neuer Stein flog genau an den Kopf des Riesen. Der verletzte Riese fiel brüllend über seinen Gefährten her, und die beiden bearbeiteten sich gegenseitig so lange, bis sie völlig erschöpft waren. Sie ließen sich auf einen Klotz fallen, um Atem zu schöpfen, auszuruhen und wieder zu sich zu kommen.
Während sie so dasaßen, sagte einer von ihnen: »Ja, das Heer des Königs kam nicht gegen uns an, aber ich glaube, in diesem Augenblick wäre selbst ein altes Weib, mit dem Endchen eines Strickes bewaffnet, für uns zuviel.«
»Wenn es so ist«, rief Johnny-Gloke aus, während er wie ein Löwe aus seinem Versteck sprang, »wie wäre es dann mit Johnny-Gloke und seinem alten rostigen Schwert?«Und damit fiel er über sie her, schnitt ihnen die Köpfe ab und kehrte im Triumph zurück. Er durfte die Königstochter heiraten und lebte einige Zeit in Glück und Frieden. Niemals erzählte er, auf welche Weise er die Riesen getötet hatte.
Später einmal brach eine Revolution im Reich seines Schwiegervaters aus. Auf Grund seiner einstigen Heldentat wurde John ausersehen, sie niederzuwerfen. Das Herz sackte ihm zu Boden, aber er konnte sich nicht weigern, wollte er nicht sein Ansehen verlieren.
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Also schwang er sich auf das wildeste Pferd, das Sonne und Wind je gesehen hatten, und ritt seiner schrecklichen Aufgabe entgegen. Er war es nicht gewöhnt, auf einem Pferderücken zu sitzen, deshalb verlor er schnell alle Kontrolle über seinen Hengst. Der raste in vollem Galopp dem Rebellenheer entgegen. In wilder Jagd fuhr er unter den Galgen durch, die am Wege standen. Die Galgen waren schon alt und morsch und plumpsten auf den Pferdehals. Doch das Tier hielt nicht inne, sondern raste wie Windessausen weiter auf die Rebellen zu. Als sie dieses hemmungslose Heranstürzen sahen, packte alle der Schrecken, und einer schrie dem anderen zu: »Da kommt ja Johnny-Gloke, der die zwei Riesen tötete! Er bringt schon die Galgen auf dem Hals seines Pferdes mit, um uns alle zu hängen!«
Ihre Reihen brachen zusammen, sie wandten sich, stürzten voller Entsetzen fort und hielten nicht inne, ehe sie wieder in ihren Häusern geborgen waren. Auf diese Art war Johnny-Gloke ein zweites Mal siegreich. Zur rechten Zeit bestieg er den Thron und lebte als König noch lange und glücklich in Frieden.
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