Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Der Fisch und der Ring

Vor langer, langer Zeit lebte einmal ein mächtiger Baron im Norden des Landes, der auch ein mächtiger Zauberer war und alles wußte, was in der Zukunft geschehen würde. Eines Tags, als sein kleiner Sohn vier Jahre alt geworden war, schlug er das Buch des Schicksals auf, um zu sehen, was dem Knaben bevorstand. Zu seinem Schrecken erfuhr er, daß sein Sohn ein Mädchen niederen Standes heiraten würde, das grade in einer Hütte, die im Schatten des Yorker Münsters stand, geboren war. Der Baron wußte, daß der Vater des kleinen Mädchens bettelarm war und schon fünf Kinder hatte. So ließ er sein Pferd satteln, ritt nach York, kam zum Hause des Vaters und sah ihn traurig und kummervoll vor der Türe sitzen. Er stieg ab, ging zu ihm hin und fragte: »Was fehlt dir, guter Mann?«Und der Mann antwortete: »Ach, Euer Gnaden, die Sache ist die, daß ich schon fünf Kinder habe und nun noch ein sechstes dazugekommen ist, ein kleines Mädchen. Und ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll, sie alle satt zu bekommen.«

»Sei nicht so niedergedrückt, guter Mann!« sagte der Baron, »wenn du keine andere Sorge hast, dann kann ich dir helfen. Ich will das Neugeborene zu mir nehmen, und du brauchst dir seinetwegen keine Sorge mehr zu machen.«

»O wie sehr danke ich Euch, edler Herr«, rief der Mann, lief hinein und brachte das Mädchen, gab es dem Baron, der wieder sein Pferd bestieg und mit dem Kind davonritt. Und als er ans Ufer der Ouse kam, warf er das winzige Wesen in den Fluß und ritt davon auf sein Schloß.

Aber das kleine Mädchen versank nicht. Seine Hüllen trugen es für kurze Zeit, und es trieb und trieb im Strom dahin, bis es vor einer Fischerhütte an Land gespült wurde. Dort fand sie der Fischer. Er hatte Mitleid mit dem erbärmlichen kleinen Ding und nahm es in



Bd-11-078_Maerchen aus England Flip arpa

sein Haus. Dort lebte es, bis es fünfzehn Jahre alt und ein schönes freundliches Mädchen geworden war.

Dann geschah es eines Tages, daß der Baron mit seinen Gefährten am Ufer der Ouse jagte und bei der Fischerhütte anhielt, um einen Trunk zu erbitten. Das Mädchen kam heraus und reichte ihm einen Becher. Alle bewunderten ihre Schönheit, und einer sagte zu dem Baron: »Ihr könnt ja in der Zukunft lesen, Baron, wen wird sie wohl einmal heiraten, sagt uns das!«

»Ach, das ist leicht zu erraten«, erwiderte der Baron, »den einen oder anderen Tölpel. Aber ich will ihr Horoskop stellen. Komm her, Mädchen, und erzähl mir, an welchem Tag du geboren bist.«

»Das weiß ich nicht, gnädiger Herr«, antwortete das Mädchen. »Ich bin vor fünfzehn Jahren hier aufgefischt worden, als mich der Fluß ans Ufer warf.«

Da wußte der Baron, wer sie war, und als er mit seinen Gefährten fortritt, kam er nochmals zurück und sagte zu ihr: »Paß auf, Mädchen, du sollst dein Glück machen. Bring diesen Brief zu meinem Bruder nach Scarborough, und du wirst für dein ganzes Leben versorgt sein.« Und das Mädchen nahm den Brief und versprach, ihn hinzubringen. Aber in dem Brief stand dies:

»Lieber Bruder -ergreife und töte die Überbringerin sofort.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt