Märchen aus England Schottland und Irland
Illustrationen
von Antje Schönau
Märchen europäischer Völker
Jack und seine goldene Schnupftabaksdose
Es gab einmal eine Zeit - und es war eine sehr gute Zeit, obgleich es weder meine Zeit noch deine Zeit, noch irgend jemandes anderen Zeit war -da lebten ein alter Mann und eine alte Frau, und sie hatten einen einzigen Sohn und lebten alle zusammen in einem großen Wald. Und ihr Sohn sah nie irgendeinen anderen Menschen; aber er wußte, daß es außer Vater und Mutter noch mehrere in der Welt gab, denn er hatte eine Menge Bücher, in denen er Tag für Tag eifrig las. Und wenn von bezaubernden Prinzessinnen geschrieben wurde, fieberte er so sehr danach, selbst welche zu sehen, daß er eines Tages, als sein Vater zum Holzfällen war, seiner Mutter erklärte, er wolle von Hause fort, um andere Länder kennenzulernen und auch andere Menschen als nur sie beide. Und er sagte: »Nichts sehe ich hier rundum als große alte Bäume, und wenn ich länger hier bleibe, werde ich wahnsinnig, ehe ich noch die Welt kennengelernt habe.« Während dieses Gesprächs war der Vater des jungen Mannes nicht im Haus.
Und so sagte die alte Frau zu ihrem Sohn, ehe er ging:
»Gut, gut, mein armes Kind, wenn du glaubst, gehen zu müssen, ist es auch besser, du gehst. Und Gott mit dir!«(Wie gut meinte es die alte Frau, als sie so sprach!) »Doch warte noch einen Augenblick, ehe du gehst. Was soll ich dir lieber mitgeben: einen kleinen Kuchen und meinen Segen oder einen großen Kuchen und meinen Fluch?« —
»Ach, meine liebe Mutter!« rief er. »Back mir einen großen Kuchen! Sicher werde ich unterwegs hungrig sein.«
Die alte Frau buk einen großen Kuchen, und als der Sohn geschieden
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war, ging sie aufs Dach des Hauses und fluchte ihm, solange sie ihn nur sehen konnte.
Bald traf er seinen Vater, und der alte Mann fragte ihn: »Wohin willst du, mein lieber Junge?«Der Sohn sagte dem Vater das gleiche, das er der Mutter gesagt hatte. »Ach«, sagte sein Vater, »ich bin voller Sorge, wenn du fortgehst; doch wenn du dir einmal vorgenommen hast zu gehen, so ist es besser für dich, du gehst auch wirklich.« Der junge Mensch war noch nicht weit fort, als ihn sein Vater zurückrief. Der alte Mann zog eine goldene Schnupftabaksdose aus seiner Tasche und sagte: »Hier, nimm diese kleine Dose und stecke sie ein! Und öffne sie erst, wenn du in Todesgefahr bist.«
Und von neuem ging der arme Jack seines Wegs und ging, bis er müde und hungrig wurde, denn inzwischen hatte er allen Kuchen aufgegessen, und die Nacht brach an, so daß er kaum noch den Weg vor sich erkennen konnte. Weit entfernt sah er ein Licht, und er ging darauf zu, fand die Hintertür und klopfte, bis eine Bedienerin kam und fragte, was er wolle. Er sagte, die Nacht habe ihn überrascht, und deswegen suche er jetzt ein Nachtlager. Die Bedienerin führte ihn hinein zum Kamin und gab ihm reichlich zu essen, Fleisch und Brot und Bier. Und während er am Feuer saß und aß, kam die junge Herrin, um ihn zu sehen, und sie liebte ihn sogleich, und er liebte sie. Und die junge Herrin lief zu ihrem Vater und erzählte ihm, daß hinten in der Küche ein junger Mann sei. Sofort ging auch der Edelmann hin und fragte ihn aus und wollte wissen, was für Arbeit er tun könne. Jack, der törichte Junge, sagte, er könne reinweg alles. (Er meinte damit, er könne ein wenig von allem, was so im Hause gebraucht würde.)»Das ist gut«, sagte der Edelmann zu ihm. »Wenn du rein alles kannst: Morgen früh um acht will ich einen großen See und auch ein paar Kriegsschiffe vor dem Herrenhaus haben. Und eines der größten Schiffe muß einen königlichen Salut abschießen, und die letzte Salve muß das Bein des Bettes treffen, in dem meine junge Tochter schläft. Und wenn du das nicht kannst, hast du dein Leben verwirkt.«
»Ist gut«, sagte Jack und ging schlafen, sprach ruhig sein Nachtgebet und schlief fest bis gegen acht Uhr am Morgen. Nun hatte er aber
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kaum noch Zeit zu überlegen, was er wohl tun solle, als ihm plötzlich die kleine goldene Tabaksdose einfiel, die ihm sein Vater mitgegeben hatte. Und er sagte sich: »Ganz gewiß, der Tod war mir noch nie so nahe wie jetzt«, und er griff in die Tasche und zog die Dose heraus. Und als er sie öffnete, sprangen drei winzige rotgewandete Zwerglein heraus und fragten Jack: »Was sollen wir tun?« —»Ach«, sagte Jack, »ich brauche einen großen See und ein paar Kriegsschiffe darauf, hier so um das Herrenhaus herum. Und eines der größten Schiffe muß königlichen Salut feuern, und der letzte Schuß muß eins der Beine des Bettes treffen, in dem die junge Herrin schläft.« — »In Ordnung«, sagten die drei kleinen Männer, »schlaf du nur ruhig weiter!«
Jack hatte kaum Zeit, die Worte hervorzubringen, um den Männlein zu sagen, was getan werden mußte, als die Uhr auch schon acht schlug. Und, bum, bum, dröhnte wie befohlen schon der Salut von einem der größten Kriegsschiffe. Da sprang Jack aber schnell aus dem Bett und ans Fenster. Und ich kann euch versichern, das war für ihn, der so lange allein mit Vater und Mutter im Walde gelebt hatte, ein herrlicher Anblick.
Nun zog Jack sich an, sprach sein Morgengebet und kam lachend heraus, denn er war stolz darauf, wie gut sich alles abgewickelt hatte. Der Edelmann trat zu ihm und sprach: »Ja, mein lieber junger Freund, ich muß gestehen, daß Ihr in der Tat sehr tüchtig seid. Kommt und frühstückt mit mir!« Und der Edelmann erklärte ihm: »Da sind noch zwei Dinge, die Ihr tun müßt, und dann sollt Ihr meine Tochter haben.«Jack frühstückte und schaute entzückt auf die junge Herrin und sie wiederum auf ihn.
Die zweite Aufgabe des Edelmannes bestand darin, alle großen Bäume im Umkreis vieler Meilen bis acht Uhr des nächsten Morgens zufällen. Und, um meine lange Geschichte abzukürzen: Es geschah, und das gefiel dem Edelmann recht gut. Der sagte nun: »Das dritte, was du noch tun mußt«(und es war die letzte Aufgabe), »du mußt mir ein Schloß bauen, zu dem zwölf goldene Stufen führen, und davor müssen Regimenter mit Soldaten antreten und exerzieren. Und um acht Uhr muß der oberste Offizier befehlen: >Gewehr über!«
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»In Ordnung«, sagte Jack. Als der dritte und letzte Morgen kam, konnte das große Fest gefeiert werden, und die junge Tochter wurde ihm angetraut. Doch, meine Lieben, jetzt brach ein großes Unglück herein. Der Edelmann veranstaltete eine prächtige Jagd und lud alle Edelleute rings im Lande dazu ein und zugleich zur Besichtigung seiner schönen Schloßanlage. Jack nahm im scharlachroten Jagdrock auf einem stolzen Pferde teil. Als an diesem Morgen der Kammerdiener Jacks Kleider, die er gegen den Jagdanzug getauscht hatte, weghängen wollte, fuhr er mit der Hand in Jacks Westentasche und holte die kleine goldene Schnupftabaksdose heraus, die Jack darin völlig vergessen hatte. Und als der Diener die kleine Dose öffnete, da sprangen die drei roten Männlein heraus und fragten, was sie tun sollten. »Oh«, befahl ihnen schnell der Diener, »ich will, daß dieses Schloß von hier fort und weit, weit weg jenseits des Meeres hingestellt wird.« —»Gut«, sagten die drei kleinen roten Männlein zu ihm, »willst du mit dorthin?« — »O ja«, sagte er. »Schön, los!« sagten sie, und fort ging's, weit, weit weg übers unendliche Meer.
Als nun die große Treibjagd zurückkam, war das Schloß mit den zwölf goldenen Stufen verschwunden, worüber die Gäste, die es vorher noch nicht gesehen hatten, sehr ärgerlich waren. Dem armen törichten Jack wurde seine schöne junge Frau fortgenommen, weil er ja alle betrogen habe. Aber dann schloß der Edelmann doch noch ein Abkommen mit ihm, und es wurden ihm zwölf Monate und ein Tag zur Durchführung befohlen. Schnell ritt er auf einem guten Pferd und mit Geld in der Tasche davon.
Auf der Suche nach dem verlorenen Schloß trabte Jack nun über Hügel und Hänge, durch Täler und Gebirge, durch dichte Wälder und über Schafstriften, weiter, als ich es euch je schildern könnte oder möchte, bis er dorthin kam, wo der Weitmäusekönig lebte. Da stand eine kleine Maus im Schilderhaus vor dem Eingangstor zum Palast und versuchte, Jack nicht hereinzulassen. Jack fragte die kleine Maus: »Wo wohnt hier der König? Ich muß ihn sprechen.« Die Maus schickte nun eine zweite mit ihm hinein, und als der König, ihn von weitem sah, rief er ihn zu sich hin. Er fragte ihn gleich, warum er ihn durchaus sprechen wolle. Nun erzählte Jack die volle
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Wahrheit, erzählte, daß ihm das große Schloß gestohlen wurde und er es suchen müsse und genau zwölf Monate und einen Tag Zeit habe, um es wiederzufinden. Jack fragte den König, ob er wohl etwas Näheres wisse, und der König antwortete: »Nein, aber ich bin ja der König aller Mäuse auf der ganzen Welt, und ich werde sie morgen früh zusammenrufen. Vielleicht haben sie etwas davon gehört oder gesehen.« Dann bekam Jack ein gutes Essen und ein weiches Bett, und am Morgen ging er mit dem König aufs Feld hinaus, und der König rief alle die kleinen Mäuse zusammen und fragte sie, ob sie das schöne Schloß mit den goldenen Stufen gesehen hätten. Und alle kleinen Mäuse sagten nein, keine habe es gesehen. Da sagte der alte König, er habe noch zwei Brüder: »Einer ist der König aller Frösche, und mein anderer, der älteste Bruder, ist der König aller Vögel auf der Welt. Wenn du zu ihnen gehst, kannst du vielleicht etwas über das verschwundene Schloß erfahren.« Und der König fuhr fort: »Laß dein Pferd hier, bis du zurückkommst, und nimm eines meiner besten Pferde und übergib hier diesen Kuchen meinem Bruder! Dann weiß er, von wem du geschickt wurdest. Richte ihm aus, es gehe mir gut und ich möchte ihn hebend gerne mal wiedersehen.« Und der König und Jack schüttelten sich die Hände.
Als Jack durch das Tor ritt, fragte ihn die kleine Maus, ob sie nicht mitkommen solle. Jack antwortete: »Nein, ich werde schon genug Schwierigkeiten auf dem Weg zu dem König haben.« Die kleine Maus erwiderte: »Es wird aber besser für dich sein, wenn ich mitkomme; vielleicht kann ich dir mehr behilflich sein, als du denkst.« —»Gut, dann spring auf!«Und die Maus lief an dem Bein des Pferdes hoch -oh, wie das plötzlich sprang! —, und Jack steckte sie in seine Tasche.
Nachdem er sich herzlich von dem König verabschiedet hatte, machte er sich mit der kleinen Maus aus dem Schilderhaus in der Tasche auf den Weg. Ein unsagbar weiter Weg, der vor ihm lag - und das war nur der erste Tag! Endlich aber kam er doch an. Dort stand ein Frosch mit geschultertem Gewehr vor dem Schilderhaus und wollte Jack am Eintreten hindern. Doch als Jack ihm erklärte, er müsse den König sprechen, ließ er ihn durch, und Jack ging hinein.
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Der König kam aus der Tür und fragte, was er wolle, und Jack erzählte ihm alles genau. »Gut, gut, komm mit!« Das war für den König in dieser Nacht eine interessante Unterhaltung, und am Morgen stieß er einen seltsam klingenden gewaltigen Quaker aus, der alle Frösche der Welt zusammenrief. Und er fragte sie, ob sie etwas von dem Schloß mit den zwölf goldenen Stufen gehört oder gesehen hätten: Sie alle quakten ein erstauntes Kro-Kro, Kro-Kro, und das hieß: nein!
Jack mußte wieder ein anderes Pferd nehmen und bekam einen Kuchen für den ältesten Bruder des Königs, der ja König alles dessen war, was in der Luft fliegt. Und als Jack durch das Tor trat, fragte ihn der kleine Frosch im Schilderhaus, ob er nicht mitkommen dürfe. Jack zögerte erst, dann aber ließ er ihn aufspringen und tat ihn in seine andere Westentasche. Und wieder ging es auf schier endlose Wanderschaft. Es war inzwischen dreimal soviel Zeit vergangen, wie seit dem ersten Tag vergangen war. Doch Jack fand hin. Da war ein schöner Vogel im Schilderhaus. Jack ging an ihm vorüber, der nicht den geringsten Laut von sich gab, sprach mit dem König und berichtete ihm alles über das Schloß.
»Nun«, sagte der König, »morgen früh sollst du von den Vögeln hören, ob sie irgend etwas wissen oder nicht.«Jack brachte sein Pferd in den Stall und legte sich schlafen, nachdem er etwas gegessen hatte. Und als er am Morgen aufgewacht war, ging der König mit ihm auf die Felder, ließ ein helles Tönen weit ausschwingen, und es kamen alle Gefiederten aus den vier Himmelsrichtungen herbei. Der König fragte sie: »Hat einer von euch das prächtige Schloß gesehen?« Und alle Vögel antworteten: »Nein.« — »Aber«, fragte der König, »wo ist denn mein königlicher Vogel?«Doch sie mußten noch lange warten, bis der Adler zu sehen war, der als letzter atemlos anfiog, nachdem zwei kleine Vögel in den Äther hinauf- und ihm entgegengeschickt worden waren, damit er sich so sehr wie möglich beeile. Der König fragte den riesengroßen Vogel, ob wohl er das Schloß gesehen habe, und der Vogel antwortete: »Ja, von dort, wo es steht, komme ich ja gerade her.« — »Wie gut«, sagte erfreut der König, »diesem jungen Edelmann ist es gestohlen worden, und du mußt mit ihm
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wieder dahin fliegen. Vorher aber sollst du erst etwas Kräftiges essen.
Sie schlachteten ein Kalb und gaben dem Adler davon die besten Stücke, weil er die große Reise übers Meer und mit Jack auf dem Rücken vor sich hatte.
Als sie später das Ziel erreichten und das Schloß vor ihnen auftauchte, wußten sie jedoch nicht, was tun, um die kleine goldene Dose wiederzugewinnen. Da sagte die kleine Maus: »Laß mich heraus, und ich werde dir die goldene Dose schon holen.« So schlüpfte die Maus in das Schloß und holte die goldene Dose. Doch als sie die Stufen herunterlief, stolperte sie und wäre beinahe erwischt worden. Sie rannte aber, was sie konnte, und lachte sich nachher eins ins Fäustchen. »Hast du sie?«fragte Jack. »O ja«, quiekte sie vergnügt. Und sie machten sich auf den Rückweg und ließen das Schloß bald schon weit hinter sich.
Gerade als sie über das Meer flogen (Jack, Maus, Frosch und Adler), hatten sie einen Streit darüber, was wohl die goldene Dose enthalte —und plumps, fiel diese ins Wasser. (Das kam, weil jeder sie ansehen und befühlen wollte, und während sie so von Hand zu Hand ging, fiel sie herunter und auch gleich bis zum Meeresgrund.) Denn sie war aus gutem schweren Gold.
»Seht ihr nun«, rief der Frosch, »ich wußte es doch, daß ihr mich noch brauchen würdet! Laßt mich jetzt also ins Wasser hinunter!« Das taten sie, und er war drei Tage und drei Nächte unten. Dann kam er endlich wieder hoch und schüttelte nur so das Wasser aus Mund und Nase. Alle fragten begierig: »Hast du sie?« Er antwortete: »Nein.« —»Ja, aber was soll denn nun geschehen?« —»Nichts«, sagte er, »ich muß nur erst einmal wieder richtig Atem holen.« Und nachdem er das getan hatte, sprang der brave kleine Frosch ein zweites Mal in das Meer und war einen Tag und eine Nacht unten, und dann brachte er sie herauf. Und damit waren vier kostbare Tage und vier kostbare Nächte vergangen.
Und eiligst flogen sie nun weiter und kamen nach einem langen Flug über Meere und Gebirge vor dem Palast des Königs an, der Herr über alle Gefiederten der Welt ist. Und der König war sehr stolz
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darauf, sie so erfolgreich wiederzusehen. Es gab eine herzliche Begrüßung und ein langes Berichten. Jack öffnete die kleine Dose und befahl den Zwerglein, hinzugehen und das Schloß hierher zu ihm zu bringen. »Und macht so schnell wie möglich!«fügte er hinzu.
Die drei Zwerge sprangen davon, und als sie zu dem Schloß kamen, warteten sie, bis die Herren und Damen und Diener zu einem Ball aufgebrochen waren. Niemand war mehr darin außer Köchin und Küchenmädchen. Und die drei Männlein fragten sie, was sie lieber wollten: schnell herauslaufen oder mitkommen? Beide sagten: »Wir wollen mit euch mit.« Da hießen die Zwerge sie eiligst nach oben laufen. Kaum waren sie dort und in einem der Säle, da kamen die Herren und Damen und die ganze Dienerschaft schon zurück, aber es war zu spät. Mit Windeseile brauste das Schloß davon, während die beiden Frauen am Fenster sich vor Lachen bogen, denn alle, die draußen waren, versuchten vergeblich, das Schloß festzuhalten.
Nachdem sie schon neun Tage unterwegs waren, kam ein Sonntag, den sie feierlich begehen wollten, indem eines der Zwerglein die Stelle des Priesters, der andere die des Meßdieners und der dritte die des Organisten übernahm, während die Frauen sangen, denn in dem Schloß gab es auch eine wunderschöne Schloßkapelle. Leider muß gesagt werden, daß in der Musik plötzlich ein Mißton war. Einer der kleinen Zwerge lief sofort auf den Orgelchor, um nachzusehen, woher dieser Mißton denn komme. Aber da war nichts weiter geschehen, als daß die beiden Frauen, statt zu singen, sich wegen des roten Männleins an der Orgel vor Lachen nicht halten konnten, weil das seine Beinchen lang ausgestreckt hatte, um die Baß-Pfeifen zu erreichen, und auch zugleich seine beiden Arme weit ausrecken mußte, während seine rote Zipfelmütze, die es nie ablegte, auf seinem Kopf vergnügt hin und her wackelte. So etwas hatten sie wahrhaftig nie zuvor gesehen, und deshalb konnten sie einfach nicht anders, als lang und laut herzhaft zu lachen. Und weil sie einfache Menschen waren, überlegten sie gar nicht, was sie anstellten und welche Gefahr sie heraufbeschworen, weil daraufhin nun das Schloß, so mitten über dem Meer, zu sinken begann.
Schließlich aber, eines schönen Tages, kamen sie doch bei Jack und
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dem König an, der ganz fassungslos war, als das Schloß in Sicht kam. Er schritt gleich die goldenen Stufen hinauf, um innen alles anzuschauen. Es gefiel ihm über alle Maßen, und er hätte es gern noch oft durchstreift. Doch Jacks Zeit von zwölf Monaten und einem Tag war bald vorbei, und da er auch Sehnsucht nach seiner jungen Frau hatte, befahl er den drei Zwerglein, pünktlich um acht Uhr am nächsten Morgen zu dem nächsten Bruder aufzubrechen, um dort eine Nacht zu bleiben. Von da sollte es dann zu dem letzten, also dem jüngsten Bruder, dem Herrn aller Mäuse der Welt, gehen, unter dessen Obhut das Schloß auch bleiben sollte, bis er es anforderte. Und so nahm Jack von dem König Abschied und dankte ihm viele Male für seine Gastfreundschaft.
Und wieder flogen Jack und sein Schloß davon und machten nur eine Nacht Rast wie vorgesehen und flogen weiter zum dritten König. Und unter seinem Schutz ließen sie erst mal das Schloß. Als Jack hier schied, bestieg er wieder sein eigenes Pferd, das er hiergelassen hatte, als er zum ersten Male davonritt.
Jetzt wandte unser recht geprüfter Jack zunächst seinem Schloß den Rücken und zog heimwärts. Da er mit den drei Brüdern jede Nacht im Gespräch verbracht hatte, wurde er während des Heimritts so müde, daß er glatt vom Wege abgekommen wäre, wenn die drei Männlein nicht rechtzeitig aufgepaßt hätten. Zuletzt aber kam er doch, wenn auch erschöpft und todmüde, an, und es sah nicht so aus, als wollten sie ihn einigermaßen freundlich empfangen. Sie glaubten ja, er habe das gestohlene Schloß nicht wiedergefunden. Es kam noch schlimmer, denn zu seiner Enttäuschung eilte ihm seine junge und schöne Frau nicht zur Begrüßung entgegen. Ihre Eltern hatten es nicht zugelassen.
Doch das dauerte nicht lange. Jack befahl den Zwergen, das Schloß auf dem schnellsten Wege herzubringen, und sie eilten davon. Der Edelmann schüttelte nun Jack die Hände und bedankte sich wieder und wieder für seine eines Königs würdige Güte, ihm das Schloß wiederbeschafft zu haben. Und Jack bat die kleinen Männer, sich zu sputen und bald wieder da zu sein.
Sie sprangen nur so davon und hatten kaum ihren Auftrag vollbracht,
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als schon Jacks junge Frau herbeieilte und auf ihrem Arm einen büschen, niedlichen, wohlgeratenen kleinen Sohn trug.
Und von jetzt an lebten alle glücklich und in Freuden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch.
Copyright: arpa, 2015. Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können. Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen. Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt |