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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Mister Miacca

Tommy Grimes war manchmal ein guter Junge und manchmal ein böser Junge, und wenn er ein böser Junge war, dann war er auch gleich ein sehr böser Junge. Nun sagte seine Mutter oft zu ihm: »Tommy, Tommy, sei ein artiger Junge und geh nicht auf die Straße hinaus, sonst kommt Mister Miacca und nimmt dich mit!« Aber wenn er grade ein böser Junge war, ging er doch auf die Straße, und eines Tages, seht ihr, da war er kaum um die Ecke spaziert, als Mister Miacca ihn einfing, ihn ganz nach unten in seinen Sack steckte und mit nach Hause schleppte.

Dort holte Mister Miacca Tommy aus dem Sack heraus, stellte ihn vor sich hin und befühlte seine Arme und Beine. »Du bist ziemlich zähe«, sagteer, »aber du bist das einzige, was ich heute zum Abendessen habe, und schlecht gekocht würdest du nicht gut schmecken. Aber ach, ich habe ja die Kräuter vergessen, und ohne Kräuter wirst du zu bitter schmecken. Sally! Komm mal her, Sally!« Und er rief Misses Miacca.

Misses Miacca kam aus dem anderen Zimmer und fragte: »Was ist denn, mein Lieber?«

»Ach, hier ist ein kleiner Junge zum Abendbrot«, sagte Mister Miacca, »und ich habe die Kräuter vergessen. Willst du auf ihn aufpassen, während ich sie holen gehe?«

»Tu ich, mein Lieber«, sagte Misses Miacca, und er ging hinaus. Da fragte Tommy Grimes Misses Miacca: »Ißt denn Mister Miacca immer kleine Jungen zum Abendbrot?«



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»Meistens, mein Lieber«, sagte Misses Miacca, »wenn kleine Jungen unfolgsam genug sind, um ihm in den Weg zu laufen.«

»Und habt ihr gar nichts anderes zum Essen als immer nur so eine Jungensmahlzeit? Nicht mal Pudding?« fragte Tommy.

»Ach, ich esse Pudding so schrecklich gern«, sagte Misses Miacca.

»Aber so was kriege ich nicht oft zu sehen.«

»Ach, meine Mutter kocht gerade heute Pudding«, sagte Tommy Grimes, »und ich bin sicher, daß sie dir welchen abgibt, wenn ich sie darum bitte. Soll ich schnell hinlaufen und dir welchen holen?«

»Nun, du bist mir aber ein nettes Kerlchen«, rief Misses Miacca da, »aber mach schnell und sei ja zum Abendessen wieder da!«

Da rannte Tommy nur so los und war heilfroh, so ungerupft davongekommen zu sein. Viele Tage lang war er jetzt so artig, wie man überhaupt nur sein kann. Und nie mehr lief er um die Straßenecke. Aber immer brachte er es nicht fertig, artig zu sein, und eines Tages lief er doch um die Ecke und, wie das Unglück es wollte, gerade als er herum war, kam Mister Miacca, griff ihn, stopfte ihn in seinen Sack und schleppte ihn heim.

Dort angekommen, schüttelte er ihn heraus, und als er ihn wiedererkannte, rief er: »Ach, du bist es, Jüngelchen, der mir und meiner Frau einen so schäbigen Streich gespielt und uns ohne Abendessen gelassen hat! Nun, das wirst du nicht noch mal können. Ich selbst werde dich bewachen. Hier, los, unters Sofa, ich werde mich draufsetzen und warten, bis der Topf kocht.«

So mußte also Tommy Grimes unter das Sofa kriechen, und Mister Miacca setzte sich darauf und wartete, daß der Topf zum Kochen käme. Und er wartete und wartete, aber der Topf wollte noch immer nicht kochen, so daß endlich Mister Miacca des Wartens müde wurde und rief: »Hier, du da unten, ich warte jetzt nicht länger! Streck dein Bein vor, und ich werde schon zu verhindern wissen, daß du uns entschlüpfst.

So streckte Tommy also ein Bein aus, und Mister Miacca nahm ein Hackmesser, hieb es ab und warf es in den Topf.

Dann rief er: »Sally, meine liebe Sally!« Aber niemand antwortete. Und so ging er ins andere Zimmer, um nach Misses Miacca zu sehen.



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Und während er da drinnen war, kroch Tommy unter dem Sofa hervor und rannte durch die Tür davon. Denn es war ein Sofabein gewesen, das er herausgehalten hatte.

Und so rannte Tommy Grimes nach Hause, und niemals mehr lief er um die Straßenecke, bis er groß genug geworden war, allein auf die Straße zu gehen.


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