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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Jade Hannaford

Es war einmal ein alter Soldat, der lange Zeit im Kriege gewesen war — so lange, daß er ganz herunterkam und nicht mehr wußte, wie er seinen Lebensunterhalt finden konnte. Und so trampte er über die Moore und durch Täler, bis er schließlich zu einem Bauernhof kam, dessen Besitzer auf dem Markt war. Er hatte eine Witwe geheiratet, die ein dümmliches Weib war. Auch der Bauer war ziemlich töricht, und es läßt sich einfach nicht feststellen, wer von den beiden törichter war. Wer meine Geschichte hört, mag es selber entscheiden. Bevor



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der Bauer zum Markt gegangen war, hatte er zu seiner Frau gesagt: »Hier sind zehn Pfund in Goldstücken, verwahre sie mir gut, bis ich wieder nach Hause komme.« Wäre der Mann kein Dummkopf gewesen, hätte er seiner Frau nicht das Geld zum Aufheben gegeben.

Nun, er fuhr in seinem Wagen zum Markt, und die Frau überlegte: >Wo hebe ich die zehn Pfund nur ganz sicher vor Dieben auf?< Sie wickelte sie in ein altes Stück Stoff und legte sie auf den Kamin im Wohnraum.

>Dort<, sagte sie sich, >wird sie gewiß kein Dieb finden.<

Jack Hannaford, der alte Soldat, kam und klopfte an die Tür.

»Wer ist da?«fragte die Frau.

»Jack Hannaford.«

»Woher kommst du?«

»Aus dem Paradies.«

»Du lieber Himmel! Da hast du womöglich meinen Verflossenen dort getroffen«, meinte sie im Hinblick auf ihren verstorbenen ersten Mann.

»Ja, das habe ich wohl.«

»Und wie ging es ihm?« fragte die Gutgläubige.

»Recht mittelmäßig. Er trägt geflickte Schuhe und hat nichts zu essen als Kohl.«

»Ach herrjeh!«rief die Frau. »Läßt er mir denn nichts ausrichten?« »Doch, das tat er«, erwiderte Jack Hannaford. »Er sagte, er habe kein Leder mehr, und seine Taschen seien leer. Deswegen erbittet er von dir ein paar Mark, damit er sich neues Leder kaufen kann.«

»Bei meiner Seele Seligkeit, die soll erhaben!«Und die Frau lief zum Kamin im Wohnraum, holte den Lappen mit den zehn Pfund herunter und gab dem Soldaten das ganze Geld mit der Anweisung, ihr früherer Mann möge davon nehmen, soviel er brauche, und den Rest zurückschicken.

Nachdem Jack das Geld erhalten hatte, blieb er nicht mehr lange; er machte sich davon, so schnell er konnte. Bald darauf kam der Bauer nach Hause und fragte gleich nach dem Geld. Die Frau erzählte ihm, sie habe es ihrem ersten Mann durch einen Soldaten ins



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Paradies geschickt, damit er sich Leder kaufen könne, um die Schuhe der Heiligen und Engel im Himmel flicken zu können.

Da wurde der Bauer fuchswild und schwor, noch nie wäre ihm eine derart Verrückte wie sein Weib begegnet. Die Frau jedoch erwiderte, der größere Narr wäre er, weil er ihr das Geld anvertraut habe.

Doch jetzt war keine Zeit für leere Worte. Der Bauer schwang sich aufs Pferd und ritt hinter Jack Hannaford her. Der alte Soldat hörte das näher kommende Hufgeklapper und dachte sich gleich, daß der Bauer ihm nachsetzte. Er legte sich auf die Erde, beschattete, in den Himmel blickend, mit der einen Hand seine Augen, während er mit der anderen nach oben zeigte.

»Was tust du denn da?«fragte der Bauer und hielt an.

»Gott segne dich!«rief Jack aus. »Ich habe etwas so Seltsames gesehen.«

»Was war denn das?«

»Einen Mann, der stracks in den Himmel hinaufstieg, so als ob er auf einem ganz gewöhnlichen Weg ginge.«

»Siehst du ihn noch?«

»Ja, ich kann ihn noch sehen.«

»Wo?«

»Steig ab und leg dich hier neben mich her!«

»Ja, wenn du so lange mein Pferd halten willst.«

Sofort war Jack bereit.

»Ich kann ihn nicht sehen«, sagte der Bauer.

»Decke deine Augen mit der Hand ab, dann wirst du gleich sehen, wie da einer vor dir flieht.«

Kaum machte der es, da sprang Jack auf das Pferd und ritt eilends davon. Der Bauer begab sich nach Hause. Ohne Pferd.

»Du bist ein viel größerer Narr als ich«, sagte die Frau, »denn ich habe nur einmal etwas Törichtes getan, du aber hast es zweimal gemacht.« «


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