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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Die drei Wünsche

Es war einmal, und sicher war das schon vor sehr langer Zeit, da lebte ein armer Waldarbeiter in einem großen Wald, und an jedem Tag seines Lebens ging er aus dem Hause, um Holz zu fällen. So brach er auch eines Morgens auf, und seine Frau füllte ihm den Rucksack und hing ihm seine Flasche über den Rücken, damit er im Walde etwas zu essen und zu trinken habe. Er hatte sich eine große alte Eiche ausgesucht, von der er dachte, sie würde eine Menge guter Bohlen ergeben. Bei ihr angekommen, nahm er seine Axt in die Hand und schwang sie so gewaltig rund um seinen Kopf, daß man meinen konnte, er wolle den Baum mit einem Streich fällen. Aber er hatte noch keinen Schlag getan, da hörte er ein jammervolles Rufen. Und vor ihm stand eine Fee, die ihn anflehte, den Baum doch zu verschonen. Ihr könnt euch vorstellen, daß er vor Staunen und Schrecken wie benommen war und kein einziges Wort zu sagen vermochte. Schließlich aber fand er die Sprache wieder und sagte: »Gut, ich will tun, worum du bittest.«

»Du hast dir selbst mehr Gutes getan, als du ahnst«, antwortete die Fee. »Und damit du siehst, daß ich nicht undankbar bin, will ich die nächsten drei Wünsche, die du aussprichst, erfüllen, ganz gleich, was für welche es sein mögen.« Damit war die Fee verschwunden, und der Mann hing seinen Beute! über die Schulter und die Flasche an seine Seite und machte sich auf den Weg nach Hause.

Aber der Weg war lang, und der arme Mann war noch regelrecht betäubt von dem Wunder, das er erlebt hatte. Und als er heimkam, war ihm der Kopf so wirr, daß er nichts wünschte, als sich hinzusetzen



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und auszuruhen. Sollte es doch vielleicht nur ein Trick der Fee gewesen sein? Wie kann man das wissen? Jedenfalls setzte er sich erst einmal neben den brennenden Herd, und als er so dasaß, wurde er hungrig, trotzdem es noch lange nicht Zeit zum Abendessen war.

»Hast du denn das Essen nicht fertig, Frau?«fragte er sie.

»Nein, um die Zeit doch noch nicht«, erwiderte sie.

»Ach!«brummte der Holzfäller. »Ich wünschte mir aber so sehr eine ganze Reihe schöner Blutwürste!«

Kaum hatte er das ausgesprochen, da kam es, klirr, klirr und klack, klack: aus dem Kamin prasselte eine Menge der schönsten Blutwürste, die ein Männerherz nur erfreuen können.

Der Mann war wie erstarrt, die Frau noch dreimal mehr. »Was soll denn das heißen?« rief sie aus.

Lebendig stand alles, was am Morgen geschehen war, in dem Mann wieder auf, und er erzählte die ganze Geschichte haargenau. Und je länger er erzählte, um so aufgeregter wurde seine Frau, und als er fertig war, brauste sie auf: »Du Narr du, Jan, o was bist du für ein Narr, ich wünschte wahrhaftig, die blöde Blutwurst säße dir an der Nase!«

Und ehe du »Jack Robinson« sagen könntest, saß der Mann da, und seine Nase war um eine Blutwurst länger geworden.

Er wollte sie abreißen, aber sie saß fest. Und die Frau wollte sie abreißen, aber sie saß fest. Und beide rissen gemeinsam, bis sie fast die Nase selbst abgerissen hätten - aber die Wurst saß fest.

»Was kann man denn nun noch machen?«fragte er.

»Das ist doch nicht schwer zu erraten«, sagte sie, indem sie ihn ungerührt anstarrte.

Und der Holzfäller sah ein, was er schnell wünschen mußte, und so wünschte er, daß die Blutwurst ihm wieder von der Nase weggenommen würde. Plumps, da lag sie auf einem Teller auf dem Tisch. Und wenn Mann und Frau künftig auch nicht in einer goldenen Kutsche fahren oder Kleider aus Silber und Seide tragen konnten: Wenigstens hatten sie zu guter Letzt eine so prächtige Blutwurst zum Abendessen, wie sie sich ein Männerherz nur wünschen konnte.


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