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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Der Hausierer von Swaffham

In alten Zeiten, als von einem bis zum anderen Ende der London-Bridge noch Läden standen und Lachse unter den Brückenbogen hindurchschwammen, da lebte in Swaffham in der Grafschaft Norfolk ein armer Hausierer. Nur mühsam verdiente er eben so viel, daß er leben konnte. Seinen Packen auf dem Rücken, seinen Hund zur Seite, schleppte er sich herum und war nach jeden Tages Arbeit froh, niedersitzen und schlafen zu können. Da geschah es, daß er eines Nachts einen seltsamen Traum hatte, in dem er die große Brücke der Hauptstadt London sah und eine Stimme sagen hörte, er werde eine gute Nachricht bekommen, wenn er dorthin ging. Er vergaß den Traum. Doch in der folgenden Nacht träumte er ihn nochmals und ebenso in der dritten Nacht.

Da sagte er sich: >ich muß herauszubekommen versuchen, was wohl dahintersteckt<, und so machte er sich auf den Weg nach der großen Stadt London. Der Weg war weit, und der Mann war ehrlich froh, als er auf der großen Brücke stand und die hohen Häuser zur Rechten und Linken sah und hinab auf das fließende Wasser und die vorübersegelnden



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Schiffe blickte. Den ganzen Tag lang ging er auf und ab, doch er hörte nichts, was für ihn gewinnversprechend sein konnte. Und am nächsten Morgen stand er wieder da und hielt Ausschau. Unermüdlich wanderte er London-Bridge entlang, aber nichts war zu sehen, nichts zu hören.

Als er am dritten Tag wieder da stand und um sich blickte, sprach ihn ein dort wohnender Kaufmann an.

»Freundchen«, sagte er, »ich wundere mich über dein untätiges Dastehen. Willst du denn keine Ware verkaufen?«

»Nein, das habe ich nicht vor«, antwortete der Hausierer.

»Und du bettelst auch nicht um Almosen?«

»Nein, jedenfalls nicht, solange ich mir allein weiterhelfen kann.«

»Aber was, sag mir das doch, hast du denn hier vor, und was für ein Geschäft betreibst du hier?«

»Ach, mein lieber Herr, um die Wahrheit zu sagen, ich habe geträumt, ich würde eine gute Nachricht bekommen, wenn ich hierher käme.«

Der Kaufmann mußte tüchtig lachen.

»Nein, was bist du bloß für ein Narr, daß du eine lange Reise auf so eine windige Kunde hin unternimmst. Ich will dir, du dummer Bursche vom Lande, verraten, daß ich selber nachts auch oft träume. Und letzte Nacht zum Beispiel träumte ich, ich wäre in Swaffham, einem mir unbekannten kleinen Flecken da irgendwo in Norfolk, wenn ich mich nicht täusche. Und im Traum war ich da in einem Obstgarten hinter dem Hause eines Hausierers, und in diesem Garten stand eine große Eiche. Und ich wußte, wenn ich hier graben könnte, dann würde ich unter dem großen Baum einen großen Schatz finden. Aber glaubst du vielleicht, ich wäre ein solcher Narr, daß ich nun eine lange und mühsame Reise unternähme um eines so dummen Traumes willen? Nein, mein guter Junge, lerne Klugheit von einem, der gescheiter ist als du. Geh lieber wieder heim und betreibe weiterhin dein Geschäft!«

Als der Hausierer das hörte, sagte er kein Wort, war aber im Innern von Herzen froh und kehrte eiligst nach Hause zurück. Er grub unter der großen Eiche und fand einen unwahrscheinlich großen



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Schatz. Er wurde steinreich, doch über dem Stolz auf seinen Reichtum vergaß er nicht, wozu dieser ihn verpflichtete. Denn er ließ die Kirche von Swaffham wieder neu aufbauen, und als er starb, errichtete man ein steinernes Denkmal, das ihn, seinen Packen auf dem Rücken, den Hund an seiner Seite, zeigte. Und da steht es noch heute als Beweis, daß ich nicht lüge.


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