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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


Die drei Narren

Es war einmal ein Landmann und sein Weib. Sie hatten eine Tochter, die von einem vornehmen Herrn umworben wurde. Jeden Tag kam er, um sich mit ihr zu unterhalten, und blieb dann zum Abendbrot, und die Tochter wurde immer in den Keller geschickt, um Bier heraufzuholen. Eines Abends war sie auch wieder hinuntergegangen, um Bier zu zapfen, und während sie das tat, fiel ihr Blick auf die Decke, und sie erkannte ein faulendes Stück im Gebälk. Das mußte schon lange, lange Zeit dort sitzen, aber weder ihr noch sonst jemandem war es bisher aufgefallen, und sie begann nachzugrübeln. Sie bedachte, daß es doch sehr gefährlich sei, dort faulendes Holz zu haben, und überlegte weiter: >Wenn wir beide verheiratet wären und bekämen einen Sohn, und er wüchse zum Manne heran und käme in den Keller herunter, um Bier abzuzapfen, so wie ich es jetzt tue, und der verfaulte Balken stürzte auf seinen Kopf und erschlüge ihn, wie entsetzlich wäre das doch!<

Sie stellte Kerze und Krug hin, hockte sich nieder und weinte entsetzlich.

Oben wunderten sie sich allmählich, wie lange sie beim Bierholen blieb, und ihre Mutter ging hinunter, um nach ihr zu sehen, und fand sie schluchzend dasitzen, während das Bier über den Boden rann.

»Ach, was ist denn los?«fragte die Mutter.

»Ach, Mutter«, rief sie aus, »sieh doch nur diesen schrecklichen Balken! Angenommen, wir wären verheiratet und bekämen einen Sohn, und er wüchse heran und käme in den Keller herunter, um Bier zu zapfen, und der verfaulte Balken stürzte ihm auf den Kopf und erschlüge ihn, wie entsetzlich wäre das doch!«

»Oh, mein Liebes, mein Liebes! Ja, wie entsetzlich wäre das doch!« rief auch die Mutter, setzte sich zu der Tochter und weinte mit ihr zusammen. Dann, nach einiger Zeit, begann der Vater sich zu wundern, daß sie nicht zurückkamen, und nun ging er auch in den Keller, um nach ihnen zu sehen. Da saßen sie beide jammernd, während das Bier immer weiter ausfloß.

»Was ist denn los?«fragte er.



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»Ach«, sagte die Mutter, »sieh nur dort oben den schrecklichen Balken! Angenommen, unsere Tochter und ihr Liebster wären verheiratet und hätten einen Sohn, und er wüchse heran und käme in den Keller, um Bier zu zapfen, und der faulende Balken fiele ihm auf den Kopf und tötete ihn, wie entsetzlich wäre das doch!«

»Oh, Liebe, oh, meine Liebe, Gute! Ja, wie furchtbar wäre das!« rief auch der Vater und setzte sich zu den zweien und begann gleichfalls zu weinen.

Allmählich wurde es dem Edelmann zu langweilig, in der Küche zu sitzen, und er stieg schließlich auch in den Keller, um zu sehen, was dort los war. Und da saßen die drei schluchzend und weinend beieinander, während das Bier floß und floß. Er lief schnell hin und drehte den Hahn zu. Dann fragte er: »Was ist denn, daß ihr alle drei hier weinend sitzt und das Bier auslaufen laßt?«

»Ach«, sagte der Vater, »sieh dir nur den schrecklichen Balken an! Wenn du mit unserer Tochter verheiratet wärst, und ihr hättet einen Sohn, und er wüchse heran und wäre erwachsen und käme in den Keller, um Bier zu zapfen, und der Balken fiele ihm auf den Kopf und tötete ihn!« Und sie weinten noch herzzerbrechender als zuvor.

Der Edelmann aber schüttelte sich vor Lachen, griff hinauf, riß das morsche Stück fort und sprach: »Ich bin schon viel in der Welt herumgekommen, aber noch nie habe ich drei so große Narren kennengelernt, wie ihr welche seid. Jetzt werde ich wieder auf Reisen gehen, und wenn ich drei noch größere Narren als euch finde, will ich zurückkommen und eure Tochter heiraten.« Er wünschte ihnen noch alles Gute und ging, während die drei weinend zurückblieben, weil das Mädchen nun auch ihren Herzallerliebsten verloren hatte.

Ja, er ging. Und er reiste weit fort. Und zuletzt kam er zu einer Hütte, deren Dach grasbewachsen war und die einer Frau gehörte. Die Frau versuchte, ihre Kuh über die Leiter zu dem Gras oben zu treiben, doch das arme Ding weigerte sich entsetzt. Der Edelmann fragte die Frau, was sie da mache. »Ach, seht nur«, sagte sie, »seht nur das viele schöne Gras! Ich will die Kuh dazu bringen, auf das Dach zu steigen und es zu fressen. Es ist gar nicht gefährlich für sie,



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denn ich will ihr einen Strick um den Hals legen, den ich durch den Kamin herabwerfe und mir ums Handgelenk binde, wenn ich aus dem Hause gehe, so daß sie nicht unbemerkt herunterfallen kann.« »Ach, wie töricht bist du!« sagte der Edelmann. »Du kannst doch das Gras mähen und es der Kuh vorwerfen!« Aber die Frau glaubte, es wäre bequemer, die Kuh auf die Leiter zu jagen, als das Gras herunterzuwerfen, und so stieß sie die Kuh, redete ihr gut zu und trieb sie hinauf, legte ihr einen Strick um den Hals, ließ den durch den Schornstein herab und band ihn sich um das Handgelenk. Der Edelmann ging fort, aber er war noch nicht weit weg, als die Kuh vom Dach fiel und von dem Strick um ihren Hals erwürgt wurde. Das Gewicht der Kuh riß nun am Arm der Frau und zog sie im Kamin hoch, wo sie auf halbem Wege steckenblieb und im Rauch erstickte. Nun, das war also eine gewaltige Törin.

Und der Edelmann ging weiter und weiter und kam zu einem Wirtshaus, wo er übernachten wollte. Es war aber so besetzt, daß sie ihm nur ein Bett in einem Doppelzimmer geben konnten. Das zweite Bett bekam ein anderer Reisender. Dieser war ein freundlicher Bursche, und sie kamen gut miteinander aus. Doch am nächsten Morgen, als sie aufstanden, sah der Edelmann staunend, wie der andere seine Hosen an die Knöpfe der Kommode hing, quer durchs Zimmer lief, in sie hineinzuspringen versuchte, es immer wieder und wieder versuchte und es ihm doch nicht gelang. Der Edelmann wunderte sich, weshalb er das wohl täte. Schließlich hielt der Zimmergefährte inne und wischte sich das schweißtriefende Gesicht mit dem Handtuch ab.

»Ach, mein Liebster«, sagte er, »ich glaube, Hosen sind das ungeschickteste Kleidungsstück, das es gibt. Wer die Dinger bloß erfunden hat! Es kostet mich jeden Morgen fast eine Stunde, um in die meinen hereinzukommen. Und wie heiß wird mir dabei! Wie macht Ihr es denn mit den Euren?« Da brach der Edelmann in Lachen aus und zeigte ihm, wie man in sie hineinsteige. Der andere war ihm sehr dankbar und meinte, nie habe er vermutet, daß man es auf diese Art könne.

Das war also wieder ein großer Narr.



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Und weiter reiste der Edelmann. Und er kam zu einem Dorf. Und außerhalb des Dorfes lag ein Teich, und um den Teich herum stand eine Menge Leute. Sie hatten Harken und Besen und Mistgabeln, mit denen sie im Teich herumstocherten. Der Edelmann fragte, was denn hier los wäre. »Ach«, sagten sie, »genug ist los! Der Mond ist in den Teich gefallen, und wir können ihn auf keine Weise wieder herausbekommen.«Da prustete der Edelmann vor Lachen und hieß sie hinauf zum Himmel sehen, denn das im Wasser sei ja nur des Mondes Spiegelbild. Aber sie wollten nicht auf ihn hören, ja, sie beschimpften ihn schändlich. Da lief er so schnell davon, wie er nur konnte.

Hier war ein ganzes Dorf noch närrischer als die drei Törichten bei ihm zu Hause. Also wandte er sich wieder heimwärts und heiratete die Tochter des Landmannes, und wenn sie nun nicht für alle Zeit glücklich miteinander leben, so kannst weder du noch ich was dafür.


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