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Märchen aus England Schottland und Irland


Illustrationen


von Antje Schönau

Märchen europäischer Völker


ZUR EINFÜHRUNG

Die Engländer kennen unseren klar umrissenen Begriff »Märchen« nicht. Ihre »Fairy Tales«umfassen Märchen wie Sagen gleicherweise. Die kurzen humorvollen Erzählungen wie »Katzenkönig« und andere werden »drolls« genannt. Daneben gibt es noch etwa sechs andere Bezeichnungen. Sobald es sich um typische »Wundervarianten« handelt, wird auch das deutsche Wort »Märchen« übernommen, das schon J. F. Campbell in seinen Erläuterungen zu den von ihm mündlich gegebenen Quellen aus dem westlichen Hochland angewandt hat (»Celtic Tradition« und »Popular Tales of the West Highlands«).

Englische Märchen unterscheiden sich merkbar von unseren deutschen, vor allem die von J. Jacobs herausgegebenen »English Fairy Tales«, die zu den volkstümlichsten gehören, deren Stil englischer Liebenswürdigkeit entspricht, einen im Volkscharakter begründeten treffenden Humor besitzt und innige Verbundenheit mit dem Kind bezeugt. Durch diese Art des Märchenerzählens ist England zum Land der gehaltvollsten Kinderbücher geworden. Auch dürfen wir den großen Wirklichkeitssinn der Engländer nicht vergessen, der Märchen und Sage mit genauen Orts- und Zeitangaben kennzeichnet. Nicht nur der Hauptheld Jack oder Dick, sondern auch andere Personen werden mit der Bezeichnung Mr. und Mrs. beehrt — sogar Drachen und Ungeheuer werden noch mit Namen angesprochen, wodurch die Fabelgeschichten in eine vertraute Umwelt rücken und enger mit der Landschaft verbunden werden.

Ähnlich wie in Dänemark die Überflutung durch die Grimmschen Märchen eigenes Volkstum verdrängte, haben normannisch-französische



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Einflüsse (Perraults Märchen wurden schon i 697 ins Englische übersetzt) viele typisch englische Märchen sehr früh verschüttet. Auch in späteren Zeiten drohten den englischen Märchen wiederholt Gefahren, besonders durch die Kirche. In Norfolk und Suffolk, den Hochburgen des Puritanismus, ist das Märchen zumindest seit dem 17. Jahrhundert gänzlich verkümmert.

Die in unserem Band aufgenommenen Märchen sind typisch englisch und noch heute volkstümlich und lebendig. Das weitverbreitete Märchen von Dick Whittington und seiner Katze liest sich wie eine Geschichte von Dickens, sehr anders als die Varianten des armen Knaben und seiner Katze bei anderen Völkern. Vielleicht sind englische Märchen ärmer an Motiven, kühler in der Phantasie und entbehren jener Kühnheit, Wildheit und des ungeheuren Einfallsreichtums der gälischen und keltischen Überlieferungen.

Wie die in Schottland geläufigen Märchen gehen auch die irischen bis aufs frühe ii. Jahrhundert zurück. Den bekannten Streit, ob Macpherson die dem Ossian zugeschriebenen Gesänge selber geschrieben habe, wird man tunlich auf sich beruhen lassen, doch lassen sich gerade auch für die schottischen Märchen mehrere Motivquellen nachweisen: Volksballaden, Shakespeare, Mythen und Ossian. Irische Märchen, von denen wir hier einige mit freundlicher Zustimmung des Verlags Eugen Diederichs aus dessen Band »Irische Märchen«nachdrucken, bieten besonders auffällige Nachweise für die durch alte Erzähler bewirkten Wanderungen einzelner Volksmärchen und einen lebendigen Wechsel in der Dauer und der räumlichen Ausdehnung mündlicher Weitergabe. Den Sammelbemühungen der irischen Folklore-Kommission gebührt nachhaltiger Dank. Während Bolte-Polivka zu den Märchen der Brüder Grimm knapp zehn irische Varianten kannte, ist deren Zahl bis zum Jahre 1958 auf über fünfhundert angewachsen.

K. R.


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