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Deutsche Kinder- und Hausmärchen


Illustrationen von Sigrid Witzig

Märchen europäischer Völker


Woher die Feindschaft zwischen Hund und Katze und zwischen Katze und Maus kommt

In alten Zeiten, als die Riesen noch auf Erden wohnten, gab es erst wenig Menschen, und die Riesen kümmerten sich nicht um die und verachteten sie; aber Hund und Katze merkten, daß die Menschen einst die Herren der Erde werden würden und schlossen sich ihnen an. Der Hund ging mit auf die Jagd und trieb das Wild heran und bewachte seinen Herrn, wenn der schlief. Die Katze hütete Küche und Feld und vertrieb das kleine Getier, das sich da unnütz machte. Und die Menschen waren dankbar und gut zu Hund und Katze und teilten ihre Speise mit ihnen. Als aber die Menschen sich vermehrten und mehr Müh und Not hatten, sich zu ernähren, vergaßen sie die treuen Dienste der beiden Tiere und gaben ihnen bald statt des Fleisches nur noch die Knochen. Da gingen zuletzt Katze und Hund vor Gericht und verklagten die Menschen. Die Richter aber getrauten sich nicht, so einen schwierigen Fall allein zu entscheiden und schickten nach einem ganz alten Mann, der wegen seiner Weisheit weit und breit berühmt war. Der Alte kam und besah erst dem Menschen und dann dem Hunde und der Katze die Zähne und sprach: »Hund und Katze sind mehr zum Fleischessen geschaffen als der Mensch; der soll auch Gemüse essen: Der Mensch muß den Hunden und Katzen ein genügend Teil Fleisch abgeben.« Das Urteil wurde auf Pergament geschrieben und den Klägern eingehändigt, damit sie es jederzeit dem Menschen vorhalten könnten, wenn der ihnen einmal wieder ihr Recht verweigern wollte. Froh gingen die Tiere nach



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Hause. Aber unterwegs sprachen sie zueinander: »Wie fangen wir es bloß an, daß uns der Mensch nicht über unsere Urkunde kommt und sie in den Ofen steckt?« Der Hund meinte: »Wir legen sie unter einen schweren Stein.« —»Nein«, sagte die Katze, »das geht nicht; wie leicht kann der Mensch sie da finden; und wenn er sie auch nicht findet, so wird sie feucht und verdirbt. Ich will sie in den Hahnenbalken tragen, da ist es hübsch trocken, und dahin kommt auch kein Mensch.«Das war der Hund zufrieden, und die Katze kletterte unters Dach und versteckte das Pergament unter einer Latte.

Ein paar Jahre lang taten nun die Menschen nach dem Richterspruch und gaben den Tieren von allem Fleisch, das auf den Tisch kam, ihr Teil ab. Allmählich aber wurden sie nachlässiger, und zuletzt hatten sie den Urteilsspruch des weisen Mannes vergessen, und Hunde und Katzen bekamen wieder nur Knochen. Da wollten sie die Menschen an ihre Pflicht erinnern, und die Katze kletterte unters Dach, um das Urteil zu holen. Als sie aber oben hinkam, da hatten die Mäuse das Pergament ganz zernagt, und es war nicht mehr zu gebrauchen. So konnten die beiden dem Menschen auch ihr Recht nicht beweisen und müssen sich seitdem immer mit den Knochen abspeisen lassen. Der Hund aber wurde bitterböse auf die Katze, und wo er eine erblickt, fährt er wütend auf sie los; die Katze aber sucht ihre Rache an den Mäusen und verfolgt sie, wie sie nur kann, weil sie die Urkunde zerstört haben. —Warum sind sie denn nicht wieder vor Gericht gegangen? Ja, der alte Mann war in der Zeit gestorben.


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