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Märchen aus Frankreich den Niederlanden und der Schweiz

Märchen europäischer Völker


Die Geschichte von den drei Hunden

Es war ein Metzger, der hatte einen einzigen Sohn. Dieser war erwachsen und ging manchmal mit dem Vater auf den Viehmarkt. Der Vater kaufte Mastvieh und züchtete gelegentlich auch selbst solches. Der Bub war nun groß geworden, und da sagte der Vater zu ihm: »Nun kannst du einmal für mich auf den Markt gehen, du hast mich manches Mal begleitet und weißt, wie ich tu und handle, und kennst dich in den



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Geschäften des Kaufes aus. Wenn ich alt werde, mußt du das Haus übernehmen und mußt daher etwas verstehen vom Viehhandel.« Er gab dem Sohn eine Geldsumme und sagte: »Kaufe einige Stücke Vieh zur Schlachtung und einige zur Mästung, damit wir sie dann später schlachten können.«

Der Jüngling machte sich auf den Weg zum Markt. Da begegnete er auf der Straße einem Manne mit einem Hund. Dieser Mann fragte ihn, wohin er gehe. Er gehe auf den Markt, meinte der Junge, er sei der Sohn eines Metzgers und müsse Vieh einkaufen. Da erkundigte sich der andere, ob er denn keinen Hund habe, er müsse doch einen Hund haben, er brauche doch jemand, der das Vieh antreibe. Er solle diesen Hund da kaufen. Der Jüngling aber meinte, sein Vater habe all die Jahre, da er Metzger sei, nie einen Hund besessen. Der Mann jedoch forderte ihn auf, den Hund, der ein ganz außergewöhnlicher Hund sei und sein Glück bedeuten werde, abzukaufen. Er versicherte dem Jungen, daß das ein starker Hund sei, der Eisen und Stahl brechen könne und darum auch »Brich Eisen und Stahl« heiße. Der Hund war schön und hätte dem Jüngling gefallen, und er erkundigte sich nach dem Kaufpreis des Tieres. Da meinte der andere, der Hund sei ziemlich teuer, aber er werde sein Glück bedeuten und koste soundso viel, und dabei nannte er gerade die Summe, die ihm sein Vater für den Viehkauf mitgegeben hatte. Darauf meinte der Junge, ein solches Kapital könne er ihm nicht geben, er müsse Vieh kaufen, da sein Vater solches benötige und ihm das Geld nicht übergeben habe, um einen Hund zu kaufen.

Der Alte aber drang so lange in ihn, bis er endlich beschloß, diesen Hund zu kaufen, weil er ihm Glück bringen sollte. So nahm er seinen Hund und ging nach Hause. Wie er ankam, sagte sein Vater: »Wieso kehrst du schon zurück und dazu noch mit einem Hund?« Und der Sohn erklärte, es sei ihm so und so ergangen, er sei einem Mann begegnet, der ihn aufgefordert habe, diesen Hund zu kaufen, weil er unbedingt einen Hund zum Antreiben brauche. Und er habe den Hund gekauft. Wieviel er denn bezahlt habe für das Tier, fragte der Vater. Da eröffnete der Junge, er habe dem andern grad das Geld gegeben, wofür er hätte Vieh einkaufen sollen. Da wurde der Vater zornig und sagte: Er sei doch ein Dummkopf, ein solches Kapital zu geben für einen Hund. Er, sein Vater, sei nun so viele Jahre Metzger gewesen und hätte es immer ohne Hund geschafft. Doch nun sei der Hund da, aber solche Schnitzer solle er keine mehr machen.

Nach einigen Tagen war wiederum Viehmarkt. Der Vater meinte, nun könne der Bub nochmals auf den Markt gehen, um Vieh zu kaufen.



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Diesmal solle er nun schön gemästetes Schlachtvieh erstehen, da er das letzte Mal keines heimgebracht habe. Und er gab ihm etwas mehr Geld. Der Bursche machte sich auf den Weg und begegnete wiederum dem gleichen Mann, mit einem andern Hund. Der Fremde fragte ihn wieder, wohin er gehe, und der andere antwortete, er müsse auf den Markt, um Vieh einzukaufen. Da erkundigte sich der andere, wo er denn den Hund habe. Den habe er zu Hause gelassen, erwiderte der Junge. Ja, meinte darauf der Alte, dann solle er diesen zweiten Hund kaufen, der sei noch besser als der erste. Jenen solle er seinem Vater geben, diesen aber unbedingt für sich erstehen, dieser sei sein Glück.

Der Bursche wehrte sich und erklärte dem andern, sein Vater sei schon böse geworden, weil er den andern Hund gekauft habe, nun kaufe er keinen mehr. Immer wieder beharrte der Alte auf seiner Bitte und meinte, das sei ein Glückshund. Der andere aber entgegnete, er müsse Vieh einkaufen gehen. Schließlich erkundigte er sich doch noch, was der Hund denn koste. Ja, der sei teurer als der erste, erhielt er zur Antwort, der sei schnell wie der Wind und heiße auch »Geschwind wie der Wind«, und der Alte nannte wiederum die Summe, die der Jüngling von seinem Vater für den Ankauf des Viehs erhalten hatte. Da wehrte er sich und meinte, soviel könne er niemals ausgeben, er müsse unbedingt das Vieh kaufen, und er wollte seines Weges gehen. Der Alte aber drang wiederum so sehr in ihn und hielt ihn fest, bis er auch diesen Hund abkaufte. Und der Verkäufer meinte, dieser Hund koste ihnen keinen Unterhalt, sie sollten ihm die Abfälle geben, die sie sonst nicht verwerten könnten. Und so ließ er ihn nicht los, bis er den Hund erstanden hatte. Der Jüngling machte sich mit seinem Hund auf den Heimweg. Er hatte ein schlechtes Gewissen und dachte: Wenn du heimkommst, wird dir dein Vater schon heimzahlen für das Hundekaufen.< Zu Hause angekommen, schimpfte sein Vater, daß er schon wieder ohne Vieh, aber mit einem Hund heimkehre. Da erzählte der Sohn wiederum, wie es ihm ergangen war. Es sei wieder jener Mann gekommen und habe ihn gezwungen, den Hund abzukaufen mit der Begründung, dieser Hund sei sein Glück und sei schnell wie der Wind. Schließlich rückte der dritte Markttag heran. Wiederum gab der Vater seinem Buben Geld, und zwar mehr als das letzte Mal, und schickte ihn auf den Markt. Und er schärfte ihm ein, diesmal schön gemästetes Vieh zu erhandeln, und vor allem solle er diesmal Schlachtvieh und keine Hunde kaufen, sonst werde er ihn samt seinen Hunden zum Teufel jagen. Der Junge ging weg, und an der gleichen Stelle begegnete er wiederum dem Fremden, der wieder einen andern Hund bei sich hatte.



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Unser Bursche wollte vorbeigehen, ohne ihn zu hören, und dachte: >Das ist der Hundeverkäufer, wir wollen ihm nicht mal Antwort geben.< Der andere aber rief: »He, he!« und erkundigte sich, wohin er gehe und ob er ihn denn nicht grüßen wolle. Er müsse auf den Markt und habe keine Zeit, meinte der Metzgerssohn. Der Fremde aber sprang ihm nach und hielt ihn fest, indem er fragte, wo er die Hunde gelassen habe. Die seien daheim, antwortete er, und er habe Eile, auf den Markt zu kommen. Und der aufdringliche Fremde fragte ihn, ob er nicht diesen dritten Hund für seine Mutter kaufen möchte. Die Mutter sei den ganzen Tag in der Küche und habe wohl dann und wann einen Knochen für den Hund. Dieser lebe auch bloß von Knochen, die auf den Boden fallen. Sein Vater sei erzürnt genug gewesen, meinte der Junge, und er kaufe keine Hunde mehr. Und er wollte weitergehen. Der andere aber hielt ihn zurück und forderte ihn auf, diesen Hund zu kaufen, er werde sein Glück sein und plagte ihn, bis der arme Bursche sich nach dem Preis des Hundes erkundigte. Der sei noch teurer als die andern, erwiderte der Alte, er koste soundso viel, und er nannte wieder gerade die Summe, die der Vater für den Ankauf des Schlachtviehs bereitgestellt hatte. Der gute Junge wandte ein, er könne diesen Handel nicht machen, er könne den Hund nicht kaufen, denn er müsse Vieh erhandeln, da sein Vater sehr erzürnt sei. Der Fremde hielt ihn aber fest und drang auf ihn ein, bis er auch diesen Hund erstand. Dann ging unser Junge mit seinem Hund und mit einem schlechten Gewissen heim. Er wußte schon, daß sein Vater heftig erregt sein würde. Dieser sah wiederum den Sohn mit einem Hund kommen, führte die beiden andern Hunde vor die Haustür und sagte zum Sohn: »Geh und laß dich segnen«, und er jagte ihn weg und gab ihm nicht einen roten Rappen. »Mach, was du willst, mit deinen Hunden!« rief er ihm nach. Die Mutter eilte dem Sohne nach und gab ihm ein paar Batzen in die Tasche. Der Jüngling ging fort und kam am Abend spät in einen Wald. Er wußte bald nicht mehr wo ein und wo aus. Da erblickte er ein Haus, ging hinein und bat, übernachten zu dürfen. Das könne er schon, erwiderte man ihm. Und er fragte, ob man ihm etwas zu essen gebe. Er aß dann und erklärte darauf, er wolle sich schlafen legen. Das könne er machen, wurde ihm bedeutet, aber die Hunde müsse er zurücklassen, so habe man nichts dagegen. So ging man denn mit ihm in sein Zimmer. In der Stube gelang es den andern, den »Brich Eisen und Stahl« zurückzuhalten. Die andern beiden aber mußten sie mit ihm gehen lassen. Dann schritten sie durch ein weiteres Zimmer und konnten jenen Hund zurückhalten, der schnell war wie der Wind. Und im dritten Raume gelang



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es endlich, den dritten Hund, der schnell war wie der Sinn, festzuhalten. Nun war der Junge ohne seine Hunde. Da erklärte man ihm, nun solle er Reu und Leid erwecken, sein Leben sei verwirkt. Die Hunde konnten die andern auch gebrauchen. Der Jüngling kniete nieder, aber statt zu beten rief er die drei Hunde bei ihren Namen: »Brich Eisen und Stahl, Geschwind wie der Wind, Geschwind wie der Sinn!« Kaum hatte er die Namen gerufen, so standen alle drei Hunde vor ihm. »Brich Eisen und Stahl« hatte die Türschlösser weggerissen, und die beiden andern waren ihm nachgefolgt und standen nun zur Hilfe bereit. Nun befahl er seinen Hunden, die Räuber, die dort waren, zu töten, und die Tiere besorgten das, als gelte es, Hanfstengel zu brechen. Der Jüngling ging dann in die Stube zurück und fand dort die Magd. Sie bat ihn inständig, er möchte sie um des Himmels willen verschonen, sie sei ein armes Mädchen. Eigentlich sei sie die Tochter des Königs, aber sie sei von den Räubern gestohlen worden und hätte hier für sie die Magd spielen müssen, sonst wäre sie getötet worden. Er aber erkundigte sich, ob noch mehr Räuber herumseien. Das verneinte die Magd und erklärte, es seien nur diese da gewesen, die er getötet habe. Sie gingen dann schlafen.

Am Morgen standen sie auf, und der Jüngling ließ sich das Geld, das die Räuber besessen hatten, zeigen. Da fanden sich Vieh und Wagen und Pferde und ein Haufen Geld. Der Jüngling wollte das Geld mit sich nehmen und mußte einen Wagen herschaffen und zwei Pferde, um das Geld wegzuführen. Und eine schöne Viehherde nahm er auch mit sich. Das Vieh führte er auf die Straße und befahl seinen Hunden, es zu treiben. Und er setzte sich mit der Magd in die Kutsche und zog heimwärts.

Auf einmal sah der Vater eine Viehherde daherkommen und niemand, der sie trieb, und doch gingen die Tiere nicht von der Straße ab. Zuletzt kam eine Kutsche, aber sonst war niemand zu sehen. Der Jüngling ließ die Tiere vor seines Vaters Haus anhalten. Das Vieh stand still, und man sah nichts, als hin und wieder etwas wie einen Schatten vorüberhuschen. Die Kutsche fuhr vor, und da kam der Sohn heraus und sagte: Hier habe der Vater nun das Vieh für das Geld, welches er zum Ankauf der Hunde gebraucht habe. Jener Mann hätte gesagt, diese Hunde wären sein Glück, und sie seien es auch gewesen. Und da habe er noch etwas Geld für den Zins jener Summen und etwas Geld für die Mutter. Er gehe weiter, um diese Dame zu heiraten, die seine Braut werde. Und er ging seines Weges und heiratete die Magd, und ich habe ihn seither nicht mehr gesehen.


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