Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

Märchen aus Frankreich den Niederlanden und der Schweiz

Märchen europäischer Völker


Die Sprache der Tiere

Es war einmal ein Junge, der in der Schule nicht lernen wollte. Was seine Eltern auch versuchen mochten, er gab nicht acht. Strafen und Schläge halfen nicht.

Da sagte der Vater eines Morgens:

»Was soll im Leben aus dir werden, wenn du nicht lernen willst?« »Schick mich auf die Schule, wo man die Sprache der Tiere lernt«, antwortete der Junge, »dann wirst du schon sehen.«

Und wahrhaftig, als der Junge ein Jahr lang diese Schule besucht hatte, verstand er, was die Tiere untereinander sprachen. Er verstand die



Bd-09-240_Maerchen aus den Niederlanden Flip arpa

Sprache der Tiere, die auf der Erde leben, die Sprache der Vögel, die in der Luft fliegen, und die Sprache der Fische, die im Wasser schwimmen. Und als er wiederkam, sagte er:

»Vater, jetzt kenne ich die Sprache aller Tiere, die Gott erschaffen hat. Laß mich nun auch Bauer werden, und du wirst sehen, daß es mir Nutzen bringt.«

Der Vater kaufte dem Jungen einen Hof, und so wurde er Bauer. Er hielt Kühe und Hühner, Katze und Hund und einen Ochsen und einen Esel. Und es verging kein Tag, wo er nicht zuhörte, was sie sich erzählten. So erfuhr er alles, was auf seinem Hofe geschah und Knechte und Mägde falsch machten, und er wußte alsbald, was er dagegen tun mußte. Niemand begriff es. Es war, als ob der Teufel im Spiele sei. Eines Tages hörte er das Gespräch des Ochsen und des Esels, die nebeneinander im Stall standen.

»Es ist kein Leben mehr mit diesem Knecht«, sagte der Ochse. »Alle Tage, die Gott werden läßt, von morgens früh bis abends spät ins Joch gespannt sein und ziehen, immer ziehen, daß das Ende davon ab ist! Du hast dagegen ein Herrenleben. Du brauchst nur dann und wann mit dem Herrn auszureiten!«

»Warum bist du so dumm«, antwortete der Esel. »Ich würde mich krank stellen. Dann muß der Knecht selber ziehen!«

»Gut, daß ich das weiß«, sagte der Bauer und ging hinaus. Am anderen Tage befolgte der Ochse des Esels Rat. Als ihn der Knecht vor den Pflug spannen wollte, stand der Ochse nicht auf. Der Knecht sagte es dem Bauern. »Weißt du was«, sagte der, »nimm den Esel mit.« Und der Esel kam spät abends mit dem Knecht vom Felde zurück. »Nun, Freund, wie war es?«fragte der Ochse.

»Schweig«, sagte der Esel, »ich kann nicht mehr. Mir tun alle Glieder weh. Ich bin für die harte Arbeit nicht geschaffen. Ob ich das lange aushalte, weiß ich nicht. Und du? Willst du nicht bald wieder arbeiten?« »Ich denke nicht daran«, sagte der Ochse.

Am nächsten Tag, als der Esel wieder spät abends heimkehrte, fragte der Ochse, ob's ihm besser gehe. »Noch schlechter«, sagte der Esel. »Aber es ist mir immer noch lieber, als dein Schicksal zu teilen. Ich habe den Knecht sagen hören, wenn du morgen nicht gesund seiest, würde dich der Bauer an den Metzger verkaufen.«

»Ich bin gesund«, sagte der Ochse.

Der Bauer, der wieder alles mitangehört hatte, wußte, was er nun zu tun hatte, und gab seinem Knecht die nötigen Befehle. Als der in den Stall kam, sprang der Ochse zur großen Freude des Esels auf.



Bd-09-241_Maerchen aus den Niederlanden Flip arpa

Einige Zeit darauf entstand ein Streit in der Familie. Die Bäuerin hockte, und hockte so, daß sie tagelang im Bett liegen blieb und für ihren Mann nicht arbeiten wollte. Er bekam nicht mehr zu essen und zu trinken und mußte zusehen, wie der Haushalt verwahrloste. Das tat ihm leid. Er wußte nicht mehr, was er anfangen sollte, da hörte er eines Morgens, wie Katze und Hahn sich im Ofenhaus untefliielten.

»Es geht dem Bauern nicht gut«, sagte die Katze.

»Wie sollte es auch, wenn seine Frau immer solche Launen hat! Er müßte einmal Hahn sein und über einen Hühnerhof regieren! Man muß Ordnung halten unter dem Weibervolk. Hätte er die Frau zur rechten Zeit einmal tüchtig geprügelt, dann hätte er jetzt keine Last mir ihr!«

Als der Bauer das hörte, dachte er: >Der Hahn hat recht.<

Und er ging in die Stadt und kaufte eine nagelneue Karwatsche. Und als er heimkam, ging er an das Bett der Frau und sprach:

»Wie geht es, Frau? Noch nicht besser? Nein? Ich komme aus der Stadt und habe einen berühmten Arzt gesprochen. Der hat mir ein unfehlbares Mittel an die Hand gegeben, um dich zu kurieren.« Und er schlug seine Frau mit der Karwatsche, daß sie vor Schmerz heulte.

»Ich bin geheilt, Mann!«jammerte sie. »Ich bin geheilt und so gesund wie nie. Ich bin so glücklich, daß Haus und den Hof wieder versorgen zu können. Schlag mich nicht mehr. Ich bin geheilt! Ich bin gesund!« Und der junge Bauer lachte sich ins Fäustchen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt