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Märchen aus Frankreich den Niederlanden und der Schweiz

Märchen europäischer Völker


Däumling und die zwölf Räuber

Däumling war mit seiner Mutter auf den Markt gegangen. Da war der Knirps vom Laufen so müde geworden, daß er heimlich der Mutter davonlief und sich in einen Haufen Klee legte, um sich auszuruhen. Kaum lag er da, da schnarchte er auch schon. Eine Kuh roch den Klee, schnupperte,



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schnappte den ganzen Däumling mit einem Büschel Klee und schluckte ihn hinunter. Da saß nun der Knirps im Magen der Kuh, von aller Welt verlassen. Zum Glück wurde aber die Kuh noch am gleichen Tage verkauft und geschlachtet, und der Metzger warf den Magen mit den Eingeweiden hinter seinem Haus auf den Misthaufen.

Ihr könnt euch denken, daß Däumling in dem warmen Kuhmagen alsbald das Bewußtsein verloren hatte, aber nun im Freien kam es ihm langsam zurück. Er war schon wieder so sehr zu sich gekommen, daß er eben aus dem Magen herauslaufen wollte, da hörte er plötzlich menschliche Stimmen.

Und siehe da, an dem Misthaufen standen zwölf Räuber, die gerade dabei waren, gestohlene Schätze zu verteilen.

»Erst müssen wir abzählen, ob niemand fehlt«, sagte der Räuberhauptmann. »Ich fange an: Eins!«

»Zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf, zwölf«, fuhren die anderen Räuber fort.

Da rief Däumling plötzlich: »Dreizehn!«

»Was?« brüllte der Hauptmann, »wer wagt es, mich zum Narren zu halten! Wir zählen noch einmal ab! Wer >dreizehn<ruft, den schlag ich mit meinem Schwert tot, so wahr ich euer Hauptmann bin!«

Und sie zählten wieder bis zwölf. Und Däumling rief wieder, so laut er konnte: »Dreizehn!«

Bum! schlug der Hauptmann den zwölften Räuber mit seinem Schwert mausetot.

»Wir zählen wieder! Wer >zwölf< ruft, ist an der Reihe!«

Sie zählten von eins bis elf, und Däumling rief: »Zwölf!«

Da fiel der elfte Räuber unter dem Schwert des Hauptmanns. Und die Räuber mußten noch einmal zählen, und noch einmal, und Däumling zählte jedesmal mit, so daß das Schwert des Hauptmanns nacheinander acht Räuber um einen Kopf kleiner machte. Schließlich blieb der Hauptmann mit zwei Mann übrig.

»Jungens«, sagte er, »ihr seht, wie es den zehn Mann ergangen ist, ihr werdet doch nun vernünftig sein, und mich nicht reizen wollen.

Kommt, wir zählen ab.«

»Eins, zwei, drei!«

Und Däumling machte wieder mit, und der Hauptmann schlug seinem letzten Mann den Schädel ein.

»So, jetzt bin ich allein übrig. Ich weiß, was ich sage. Wenn ich vorbeizähle, bin ich nicht wert, länger zu leben. Los! Zähle! Eins!«

»Zwei!« rief Däumling.



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Und der Räuberhauptmann glaubte wahrhaftig, er selber hätte es gerufen. Er nahm sein Schwert und durchstach sich das Herz.

Da kam Däumling geschwind aus dem Magen der Kuh hervorgekrochen und raffte die Schätze auf, lauter Gold und Silber, steckte es in einen Sack und schleppte es nach Hause.

Und Däumling war froh, aber noch mehr freute sich die Mutter, als der kleine Knirps mit den Reichtümern angeschleppt kam. Es hätte sich nicht besser treffen können, denn zu Hause war gerade bittere Armut. Die war jetzt mit einem Mal vergessen. Von da an waren sie reich, und die Mutter brauchte ebenso wenig zu arbeiten wie Däumling. Und beide lebten ohne Sorge um den morgigen Tag!


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