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Märchen aus Frankreich den Niederlanden und der Schweiz

Märchen europäischer Völker


Das kleine Rotkäppchen

Es war einmal ein kleines Mädchen, welches man das Rotkäppchen nannte. Seine Mutter gab ihm ein Körbchen, legte einen Topf Butter und einen Kuchen hinein und sagte zu ihm: »Mein Liebling, bring das deiner Groß!«

Das kleine Rotkäppchen begegnete unterwegs dem Wolf, welcher zu ihm sprach: »Kleine, wohin gehst du?« —»Ich gehe zu meiner Groß und bringe ihr einen Topf Butter und einen Kuchen.« —»Und welchen Weg schlägst du ein, den Weg der Steinchen oder den Weg der Nädelchen?« »Den der Nädelchen, ich möchte einige auflesen.« — »Aber dein Korb wird dich stören. Gib ihn mir, ich will ihn tragen; ich gehe den Steinchenweg, wir treffen uns an der Tür deiner Groß wieder.«

So gab das kleine Rotkäppchen dem Wolf seinen Korb, und dieser beeilte sich, zuerst anzukommen. Als er am Haus der Großmutter war, klopfte er. »Poch, poch.« »Wer ist da?« fragte die Großmutter. »Ich bin's, deine kleine Enkelin. Ich bringe dir einen Topf Butter und einen Kuchen.«»Oh, das ist schön. Drücke auf die Klinke und stelle alles auf den Tisch.« Daraufhin trat der Wolf ein, stürzte sich auf die Groß und verschlang sie. Als er satt war, legte er das, was von ihr übriggeblieben war, in den Schrank, und das Blut stellte er in einer Schüssel auf den Tisch. Dann setzte er die Mütze der Alten auf und legte sich in ihr Bett. Nun klopfte das arme kleine Rotkäppchen an. »Poch, poch.« — »Wer ist da?« —»Ich, deine Enkelin. Ich bringe dir Nädelchen.« —»Gut, drück auf die Klinke und leg sie auf den Tisch.« — »Ich hatte dir auch einen Topf Butter und einen Kuchen gebracht, Großmutter, aber ich bin dem Wolf begegnet; der hat mir meinen Korb abverlangt, und ich gab ihn hin, aus Angst, gefressen zu werden.« — »Da hast du sehr recht daran getan, mein Liebling.« »Ach, Groß, ich habe jetzt argen Hunger.« —



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»Da! Offne den Schrank, darin findest du Fleisch. Iß davon!« Und während die Kleine von dem Fleische aß, sagte der Wolf: »Oh, oh, die Kleine ißt das Fleisch, das Fleisch ihrer Groß. Die Kleine ißt das Fleisch ihrer Großmutter. Das Fleisch ihrer Groß.« —»Was redest du da, Groß, daß ich dein Fleisch esse?« —»Nein, nein, ich sagte nur, du solltest dich beeilen und endlich ins Bett kommen.« —»Ach, Großmutter, ich habe auch so argen Durst.« »So trink aus dieser Schüssel mit Wein, die auf dem Tisch steht.« Während sie trank, sagte der Wolf: »Oh, oh, die Kleine trinkt das Blut ihrer Großmutter. Das Blut ihrer Groß.« —»Was sagst du da, Großmutter, daß ich dein Blut trinke?«»Nein, nein, mein Liebling. Ich sagte: nun bin ich bald hundert Jahre alt.« —»Großmutter, ich bin so müde.« »Dann lege dich endlich zu mir ins Bett und schlafe.« Als Rotkäppchen im Bett lag, fragte es: »Oh, Großmutter, was hast du für lange Haare an den Beinen?« — »Das kommt vom Alter, mein Kind.« —»Mein Gott, Großmutter, und was hast du für lange Ohren?« »Damit ich dich besser hören kann.« —»Und was hast du für eine lange Nase?« — »Damit ich dich besser riechen kann.« »Und was hast du für leuchtende Augen?« »Damit ich dich besser sehen kann, mein Kind.« — »Mein Gott, Groß, und was hast du für lange Zähne?« — »Damit ich dich besser fressen kann, mein Kind.« Und happ, verschlang es der Wolf.


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