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Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

I. BAND


WEISHEIT

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EINBANDZEICHNUNG VON VON F. H. EMCKE


19. Feraon und die Neger

I n jener Zeit lebte ein Mann mit Namen Feraon (oder Ferräun). Feraon aß einen Akufin mit Gerste und war nicht satt. Feraon aß noch einen Akufin mit Weizen und wurde nicht satt. Als er alles, was die Menschen sonst genießen, gegessen hatte, war erst seine Speiseröhre gefüllt und das Essen noch nicht einmal bis in den Magen gelangt. Dann aber aß Feraon Bohnen, schwarze Bohnen. Die schwarzen Bohnen schmeckten Feraon. Er aß gierig und viel. Er aß so gierig, daß er die Bohnen gar nicht erst zwischen den Zähnen zermahlte, sondern sie ganz hinterschluckte. Er verdaute die Bohnen. Als er sich entleerte, kamen die schwarzen Bohnen unverdaut heraus. Die schwarzen Bohnen wurden auf der Erde Neger. So kamen aus Feraon die Neger hervor, und die Neger essen bis heute nichts lieber als Bohnen. Wenn sie Bohnen erhalten können, lassen die Neger jeden Kuskus und alles Fleisch liegen und verschlingen die Bohnen.

Nachdem Feraon soviel gegessen hatte, wurde er durstig. Er ging umher und sah sich nach Wasser um. Er kam an eine Quelle, beugte sich nieder und trank. Kaum hatte er aber einen Zug genommen, da versiegte die Quelle, und Feraon war durstig wie vorher. Er ging zu einer zweiten Quelle und beugte sich nieder, um zu trinken. Kaum hatte er aber einen Schluck genommen, da war die Quelle versiegt und Feraon durstig wie vorher.

Feraon ging mit seinem großen Durst weiter und kam endlich an einen großen Fluß. Er beugte sich darüber und trank und trank und trank. Da wurde Feraon satt. Der Fluß hatte aber noch nicht abgenommen, sondern floß breit und tief weiter. Feraon wurde zornig über den Fluß, von dem er so viel getrunken hatte und der doch nicht abnahm. Feraon rief: "Ist dieser Fluß etwa stärker, als ich es bin?"

Feraon ergriff große Klumpen Erde und warf sie in den Fluß, um ihn zuzuschütten. Der Fluß löste aber die Erde auf und trug den Lehm weiter. Die Erde wurde fortgeschwemmt. Das Wasser des Flusses wurde aber braun. Da schrien die Menschen, die an dem Ufer des Flusses wohnten: "Dieser Feraon verdirbt unser Wasser. Feraon hat erst aus dem Fluß getrunken, und nun beschmutzt er ihn (ithuan [er hat getrunken], ithlu[r] [er hat beschmutzt], äthif [der Fluß])."

Feraon aber sagte: "Dieser Fluß will stärker sein als ich. Die Erde,



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die ich werfe, trägt er fort. Nun werde ich ihn ausbrennen. Denn Feraon ist stärker als der Fluß." Feraon machte ein riesenhaftes Feuer und schleppte Wälder von Bäumen heran. Kein Baum blieb ringsum stehen. Alle Bäume wurden von Feraon in das Feuer geworfen. Die brennenden Bäume warf Feraon aber in das Wasser, die brennenden Bäume warf er alle in das Wasser, bis es allmählich verdampfte und nur noch ganz wenig Wasser übrigblieb, das in der Sonne auch verflog. Feraon vernichtete so die Wälder und alle Büsche und die Flüsse, weil er nicht wollte, daß der Fluß stärker war als er.

Deshalb leben die Neger heute in der Wüste, in der man oft vierzehn Tage gehen muß, um eine Quelle zu finden, und zwei Monate, um ein Dorf zutreffen. Deshalb wohnen die Neger ohne Waldschatten im glühenden Sande, und die Sonne steht nur eine Eile (die Eile irril. Daneben besteht noch, wie im Sudan, das lange Maß = nephthgfrel, das von der Achsel bis zur Spitze der ausgestreckten Hand gerechnet wird.) über ihrem Kopfe. Denn die Neger sind ja die Nachkommen Feraons.


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