Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

I. BAND


WEISHEIT

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_01-0004 Flip arpa

EINBANDZEICHNUNG VON VON F. H. EMCKE


13. Das Weltbild und der Weltbaum

Das Weltbild der Kabylen ist folgendes: Die ganze Welt ruht auf den Hörnern eines riesenhaften Stiers. Wenn dieser sich jemals rühren würde, würde die Welt sogleich einstürzen. Die Erde selbst ist nicht eine. Es sind sieben Erdschichten flach übereinander. Darüber liegen die sieben Himmel (sewain imbächarien). Die Menschen leben auf der fünften Erde (von unten). Zwischen der Erde und dem Himmel gibt es noch zwei Erden. Darüber kommt das Nichts (l'ohale), aus dem alles wurde.

Auf der untersten Erde wohnen die ganz kleinen Thitschäll. Das sind Geschöpfe, die sind aus den Eiern der Ameisen hervorgegangen, und sie sind noch schlimmer (und anscheinend auch klüger) als die Ameisen. Auf der Erde der Thitschäll steht ein mächtiger Baum, der ragt weit herauf, und wenn er je umstürzen sollte, so würden die Thitschäll freien Weg zu unserer Erde hinauf haben, und dann würden sie kommen, und alles würde bei uns zerstört werden. Das aber ist der Wunsch der Thitschäll.

Deshalb arbeiten die Thitschäll jeden Tag vom Morgen bis zum Abend daran, diesen Baum zu fällen. Es gelingt ihnen auch, dessen Stamm jeden Tag so weit durchzuschlagen, daß nur noch ein Rest von vier Finger Breite übrigbleibt und er somit dicht am Umstürzen angekommen ist. Wenn die Thitschäll aber abends so weit gekommen sind, hören sie mit der Arbeit auf und sagen: "Nun wollen wir uns ausruhen, den Rest der Arbeit wollen wir morgen verrichten." Damit hören sie also auf. Wenn sie dann aber am andern Morgen den Rest des Stammes durchschlagen wollen, finden



Atlantis Bd_01-084 Flip arpa

sie, daß der Baum wieder wohlerhalten dasteht, als sei er am Tage vorher nicht angerührt worden. Der Baum wächst jede Nacht so viel nach, als die Thitschäll ihm am Tage vom Holze wegschlagen, und so bleibt ihnen der Weg zu uns versperrt, sonst wären wir schon lange vernichtet worden.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt