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Russische Märchen


Illustrationen


von Wilhelm M Busch

Märchen europäischer Völker


Zwitscher hin und zwitscher her

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau, sie waren sehr arm und hatten weder Holz noch Späne.

Die Frau schickte den Mann weg, damit er in den Wald fahre und Holz schlage.

Der Alte tut das auch, sucht sich im Wald einen Baum aus, und klipp, klapp schlägt die Axt an den Stamm.

Da springt ein Vöglein aus dem Baum heraus und ruft:

»Zwitscher hin und zwitscher her, sag mir, was ist dein Begehr?«

»Meine Frau braucht Holz und Späne.«

»Geh nur heim, du hast Holz und Späne genug.«

Der alte Mann ist's zufrieden und läßt von dem Baum ab. Wie er nach Hause kommt -liegt sein ganzer Hof voll Holz und Späne. Er erzählt der Frau von dem Vöglein, und sie antwortet ihm:

»Unser Haus ist gar so schlecht und erbärmlich, geh wieder in den Wald, Alter, vielleicht, daß das Vöglein uns das Haus etwas richtet.« «

Der alte Mann gehorcht. Er kommt in den Wald und findet auch den Baum wieder. Er nimmt die Axt und fängt an zu schlagen.



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Wieder springt das Vöglein heraus:

»Zwitscher hin und zwitscher her, sag mir, was ist dein Begehr?«

»Ach, Vöglein, mein Haus ist gar schlecht und erbärmlich, könntest du es nicht etwas richten?«

»Geh nur heim, du hast ein neues Haus und Überfluß an allem, was du brauchst.«

Der alte Mann kommt heim und traut seinen Augen nicht: Im Hof steht ein ganz funkelnagelneues Haus. Auch Brot ist da, soviel man denken kann; die Menge der Kühe, Pferde und Schafe aber ist gar nicht zu zählen!

Eine Weile lebten sie so, das Wohlleben macht die alte Frau übermütig, und sie spricht zum Alten:

»Von allem haben wir genug, aber doch sind wir bloß Bauern, kein Mensch hat Achtung vor uns. Geh mal hin, Alter, und bitte das Vöglein, vielleicht macht es dich zum Beamten, dann bin ich Beamtenfrau.«

Der Alte nimmt die Axt. Er kommt in den Wald, findet den Baum und fängt an zu schlagen. Wieder hüpft das Vöglein heraus:

»Zwitscher hin und zwitscher her, sag mir, was ist dein Begehr?«

»Ach, liebes Vöglein, kannst du mich nicht zum Beamten machen, damit meine Frau Beamtenfrau wird?«

»Geh heim, du sollst Beamter sein und deine Alte Beamtenfrau.« Er kommt zurück. Schon auf der Fahrt durchs Dorf nehmen alle, auf die er trifft, vor ihm die Mütze ab, alle fürchten sie ihn. Der Hof ist voller Gesinde und die alte Frau aufgeputzt wie eine Herrin. Wieder leben sie eine Weile in Ruhe, doch bald will die Frau noch höher hinaus.

»Was ist da schon Großes dran, ein Beamter zu sein! Fällt es dem Zaren gerade mal ein, läßt er dich und mich einsperren! Geh mal zum Vöglein, Alter, und bitt recht schön, ob es dich nicht zum Zaren und mich zur Zarin machen könnte.«

Was soll der alte Mann tun? Er holt wieder die Axt, fährt in den Wald zu dem Baum und fängt an zu schlagen.

Das kleine Vöglein kommt herausgesprungen:

»Zwitscher hin und zwitscher her, sag mir, was ist dein Begehr?«

»Ja, sag, mein liebes, teures Vöglein, würdest du mich nicht zum Zaren und meine Alte zur Zarin machen?«



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»Geh heim, du sollst Zar und deine Alte Zarin sein.«

Er fährt nach Hause. Da kommen ihm schon Boten entgegen.

»Der Zar ist gestorben, du bist zu seinem Nachfolger gewählt!«

Nur eine kurze Zeit ist es dem Alten vergönnt, zu regieren -da erscheint es der Frau zu gering, Zarin zu sein.

»Was ist schon ein Zar! Wenn es Gott gefällt, schickt er den Tod zu dir, und sie scharren dich ein in die kühle Erde. Geh mal zum Vöglein, Alter, und bitte, es möchte dich selber den Herrgott werden lassen und mich die Mutter Maria . .

Der Alte greift zur Axt, geht zum Baum und fängt an zu schlagen. Das kleine Vöglein kommt herausgesprungen:

»Zwitscher hin und zwitscher her, sag mir, was ist dein Begehr?«

»Hab die Güte, Vöglein, laß mich selber zum Herrgott werden.«

»Gut, geh heim, sollst ein Ochse sein, deine Alte ein Schwein.«

Und der alte Mann wird auf der Stelle zum Ochsen. Er kommt heim und sieht - seine Alte: im Stall ist sie ein Schwein geworden.


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