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Kapitel 

Russische Märchen


Illustrationen


von Wilhelm M Busch

Märchen europäischer Völker


Der Löwe und der Hase

In einem Walde pflegten sich die Tiere zu versammeln. Und jedesmal erschien ein Löwe unter ihnen, riß ein Tier aus ihrer Mitte und fraß es auf der Stelle. So hielt er die Armen in ständiger Furcht. Da



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taten sie sich eines Tags zusammen und hielten Rat, was zu tun sei, um sich von dieser ewigen Angst zu befreien. Lange gingen sie zu Rate, lange stritten sie, überlegten hin und her. Schließlich beschlossen sie, dem Löwen lebenslang freiwillig ein Opfer zu bringen, als Entgelt dafür aber von ihm zu fordern, daß er sie von dem dauernden Schrecken befreie. Sie gingen also hin und trugen dem Löwen ihren Entschluß vor.

Der Löwe war einverstanden, nur stellte er die Bedingung, daß die Abgabe pünktlich zur genau bestimmten Stunde entrichtet werde. »Wenn nicht, fress' ich euch allesamt«, schloß er.

Und so brachten die Tiere dem Löwen tagtäglich einen der Ihren zum Opfer dar.

Schließlich kam der Hase an die Reihe; die Tiere wollten ihn dem Löwen zum Fraße bringen.

»Was kann man da machen?« sagte der Hase. »Ich bin eben an der Reihe. Nur kommt bitte nicht mit. Ich will allein hingehen und versuchen, mit dem Löwen fertig zu werden. Vielleicht rette ich mich und euch alle von der Bedrängnis.«

Da lachten die Tiere.

»Guckt mal an, wie der feige Hase sich aufspielt!«

Der Löwe hatte gerade großen Appetit, der Hase aber kam absichtlich zu spät. Mit funkelnden Augen und knirschenden Zähnen wartete der Löwe auf sein Opfer und schickte sich schon an, allen Tieren den Garaus zu machen, als plötzlich der Hase vor ihn trat. Der Löwe blickte ihn grimmig an und fragte:

»Du erdreistest dich, zu spät zu kommen?«

»Allmächtiger Herr und Gebieter«, flüsterte der Hase zaghaft.

»Mir wurde aufgetragen, Euch einen Hasen zum Fraß zu bringen. Ich führte ihn hierher, doch unterwegs überfiel uns ein anderer Löwe, nahm den für Euch bestimmten Hasen und schleppte ihn in ein tiefes Loch.«

»Zeig es mir auf der Stelle«, brüllte der Löwe.

Der Hase führte ihn zu einem Brunnen und sagte:

»So, mein Herr und Gebieter, hier ist es, aber ich fürchte mich, allein hinabzusehen, nehmt mich in Eure Pfoten; ich zeig' Euch den Räuber.«

Der Löwe nahm den Hasen in seine Pfoten, und sie blickten zusammen



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in den Brunnen. Tief unten im Brunnengrund aber lag auf dem Wasser ihr Spiegelbild. Ein Löwe, der einen Hasen in seinen Klauen hielt, sah von unten nach oben.

Da ward der Löwe zornig. Er warf den Hasen zur Seite und stürzte sich in den Brunnen, um den Rivalen zu töten und ihm seine Beute zu entreißen. Aber das Wasser im Brunnen war tief, und der Löwe ertrank.

Als die Tiere im Wald dies vernahmen, gerieten sie vor Freude ganz aus dem Häuschen. Nun waren sie den argen Feind los, und sie dankten dem Hasen von ganzem Herzen.


Copyright: arpa, 2015.

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