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Russische Märchen


Illustrationen


von Wilhelm M Busch

Märchen europäischer Völker


Och

Früher war es nicht so wie jetzt. Früher geschahen noch Wunder auf der Welt, und auch die Welt selbst war nicht so, wie sie jetzt ist. Zu unserer Zeit gibt es von alledem nichts mehr. Ich will euch ein Märchen erzählen von dem Waldkönig Och und berichten, was das für einer war.

Vor langer Zeit einmal, viel früher noch, als unsere Erinnerung zurückreicht -vielleicht waren noch nicht einmal unser Vater und unser Großvater auf der Welt -, vor langer Zeit also lebten einmal ein armer Mann und seine Frau. Sie hatten nur einen einzigen Sohn, aber der war nicht so geraten, wie es sein sollte: Er war so faul, daß Gott erbarm! Nichts tat er, und kaltes Wasser ließ er nicht an sich heran, sondern lag immer nur auf dem Ofen und wühlte in der Asche herum. Er war vielleicht schon zwanzig Jahre alt, saß aber noch immer auf dem Ofen und kroch nie herunter. Gab man ihm zu essen, so aß er, gab man ihm nichts, so war er auch damit zufrieden.

Vater und Mutter aber waren sehr traurig und sagten: »Was sollen wir mit dir anfangen, wo du doch zu nichts zu gebrauchen bist? Andere Kinder helfen ihren Eltern, du aber frißt ganz unnütz unser Brot!«



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Der Sohn aber wollte von Arbeit nichts wissen, saß da und wühlte in der Asche. Vater und Mutter grämten und grämten sich, und schließlich sagte die Mutter:

»Was denkst du, Alter, was wir tun sollen, wo er doch schon erwachsen ist, aber solch ein Nichtsnutz, daß er keinerlei Arbeit versteht? Du solltest ihn irgendwohin geben, vielleicht lernt er etwas bei fremden Leuten.«

So gab der Vater ihn zum Schneider in die Lehre. Dort blieb er wohl drei Tage und lief davon; er kroch auf den Ofen und wühlte wieder in der Asche. Der Vater prügelte ihn, schalt ihn aus und gab ihn dann zu einem Schuster, das Schusterhandwerk zu erlernen. Aber er lief auch dort davon. Der Vater prügelte ihn wieder und tat ihn zu einem Schmied in die Lehre. Doch er blieb auch dort nicht lange und lief fort. Was sollte der Vater noch tun?

»Ich will den Schlingel, den Faulpelz, in ein anderes Land bringen und dem ersten besten in die Lehre geben, vielleicht läuft er dort nicht davon.«

Und er führte ihn fort. Sie wanderten und wanderten und kamen schließlich in einen Wald, der so dunkel war, daß man nur noch Himmel und Erde zu sehen vermochte. Als sie den Wald durchschritten hatten, waren sie müde geworden; am Wege aber stand gerade ein verkohlter Baumstumpf. Da sagte der Vater:

»Ich bin recht müde geworden und will mich setzen und ein wenig erholen.«Und als er sich auf den Baumstumpf niederließ, ächzte er: »Och, wie bin ich doch müde!«

Kaum hatte er das gesagt, als im selben Augenblick aus dem Baumstumpf ein kleiner alter Mann hervorkroch; ganz runzlig war er, und ein grüner Bart hing ihm bis zu den Knien hinab.

»Was willst du von mir, guter Freund?«fragte er.

Der Bauer staunte über das wunderliche Männchen und sagte zu ihm: »Ich habe dich nicht gerufen, geh nur fort!«

»Du hast mich nicht gerufen?« erwiderte das Männlein. »Natürlich hast du's getan!«

»Wer bist du denn?«fragte der Bauer.

»Ich bin der Waldkönig Och. Warum riefst du mich?«

»Geh nur fort, ich habe nicht daran gedacht, dich zu rufen!« sagte der Bauer.



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»Und doch hast du mich gerufen, du hast >Och!< gesagt.«

»Ich war müde, darum hab ich es gesagt.«

»Wohin gehst du denn?«fragte Och.

»Wohin die Augen schauen! Ich will meinen faulen Sohn verdingen, vielleicht bringen ihm fremde Leute Vernunft bei, denn daheim lief er fort, wohin ich ihn auch gab.«

»Verding ihn mir«, sagte Och, »ich will ihn in die Lehre nehmen; aber eine Bedingung stelle ich: Wenn du nach einem Jahr kommst, ihn zu holen, und du erkennst ihn - so nimm ihn mit; erkennst du ihn nicht - muß er mir noch ein Jahr dienen!«

»Schon gut«, sagte der Bauer.

Und sie gaben sich die Hände und tranken eins darauf, wie sich's gehört; der Bauer ging heim. Den Sohn aber nahm Och zu sich. Als der Waldkönig mit ihm fortging, führte er ihn in die andere Welt unter der Erde und brachte ihn in eine grüne Hütte, die war von einem Rohrzaun umgeben. In der Hütte aber war alles grün: die Wände waren grün und die Bänke, Ochs Frau war grün, und die Kinder waren grün, alles, alles.

Und die Wasserweibchen, die bei ihm dienten, waren so grün wie Rauten.

»Na, setz dich«, sagte Och zu seinem Knecht, »und iß etwas!« Die Wasserweibchen brachten ihm Essen, und auch das Essen war grün; und er aß sich satt.

»Jetzt geh auf den Hof«, sagte Och, »schlag Brennholz klein und trag es her!«

Der Knecht ging hinaus. Ob er nun Holz gehauen hat oder nicht, er legte sich drauf und schlief ein. Och kam heran und sah ihn schlafen. Da hob er ihn auf, ließ das Holz zusammentragen, legte den gefesselten Knecht darauf und zündete den Holzstoß an. Der Bursche verbrannte! Dann streute Och die Asche in den Wind, aber eine Kohle fiel aus der Asche heraus. Och besprengte sie mit Lebenswasser, und der Knecht wurde wieder lebendig, aber er war schon ein wenig fleißiger geworden.

Och befahl ihm nochmals, Holz zu hacken, aber er schlief wieder ein. Och zündete das Holz an, verbrannte den Knecht streute die Asche in den Wind, besprengte die Kohle mit Lebenswasser, und der Bursche ward wieder lebendig und so schmuck, wie es keinen



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zweiten gab! Dann verbrannte ihn Och zum drittenmal und besprengte wieder die Kohle mit Lebenswasser, und aus dem faulen Lümmel wurde ein so flinker und schöner Bursche, daß es nicht zu sagen noch zu denken, noch im Märchen zu erzählen ist. Er diente ein Jahr bei dem Waldkönig, und als das Jahr herum war, ging der Vater seinen Sohn holen.

Er kam in den Wald, setzte sich auf den verkohlten Baumstumpf und rief: »Och!«

Da kroch der Waldkönig aus dem Baumstumpf hervor und sprach:

»Guten Tag, Bauer!«

»Guten Tag, Och!«

»Was willst du, Bauer?«

»Ich will meinen Sohn holen.«

»Na, so komm. Erkennst du ihn, so nimm ihn mit dir, erkennst du ihn aber nicht, muß er mir noch ein Jahr dienen.«

Der Bauer ging mit Och, und sie kamen zu seiner Hütte. Och trug ein Maß Hirse hinaus und streute sie umher: Da lief eine Unmenge von Hähnen herbei!

»Na, such ihn dir heraus«, sagte Och, »wo ist denn dein Sohn?« Der Bauer sah sie sich an, doch alle Hähne waren einander gleich, einer wie der andere, und er erkannte seinen Sohn nicht.

»Na, dann geh nur wieder, wenn du ihn nicht erkannt hast; ein Jahr dient dein Sohn noch bei mir.«

Und der Bauer ging nach Hause.

Als das zweite Jahr herum war, ging der Bauer wieder zu Och. Er kam zum Baumstumpf und rief:

»Och!«

Da kroch dieser heraus und sprach:

»Komm, such ihn heraus!«

Er führte den Bauern in die Schafhürde, die war aber voll von Schafen, und eines glich dem andern. Der Bauer suchte und suchte und fand ihn nicht heraus.

»Geh nur heim, wenn's so ist«, sagte Och, »dein Sohn wird noch ein Jahr bei mir bleiben.«

Der Bauer ging fort und grämte sich.

Auch das dritte Jahr ging herum. Der Bauer wanderte wieder zu



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Och. Und wie er so dahinging, begegnete ihm ein alter Mann, der war weiß wie Milch, und auch seine Kleider waren weiß.

»Guten Tag, Bauer!«

»Guten Tag, Alter!«

»Wohin führt dich dein Weg?«

»Ich gehe zu Och, meinen Sohn auslösen.«

»Wie geht das zu?«

»So und so«, sagte der Bauer und erzählte dem weißen Alten, wie er seinen Sohn dem Och gegeben hatte und unter welcher Bedingung.

»Oh, das ist schlecht, Bauer«, sagte der Alte, »der zieht die Sache lange hinaus.«

»Ich seh ja schon selber, daß es schlecht steht«, erwiderte der Bauer, »aber ich weiß nicht, was in aller Welt ich anfangen soll. Weißt du nicht, Alterchen, wie ich meinen Sohn erkennen kann?«

»Ich weiß es wohl!« sagte der Alte.

»Sag es mir doch, Väterchen, ich will mein Lebtag für dich beten. Denn sei es, wie es sei, was für ein Lümmel er auch ist, er ist schließlich mein Sohn, mein eigen Blut!«

»Hör zu«, sagte der Alte, »wenn du zu Och kommst, wird er Tauben herauslassen; dann nimm dir aber keine andere als jene, die nicht fressen, sondern unterm Birnbaum sitzen und sich die Federn glattstreichen wird: Das ist dein Sohn!«

Da dankte der Bauer den Alten und ging weiter.

Er kam zum Baumstumpf und rief: »Och!«

Och kam sogleich heraus und führte ihn in sein Waldreich. Dort schüttete er ein Maß Weizen aus und lockte die Tauben. So viele flogen herbei, daß Gott erbarm! Und eine war genau wie die andere.

»Such deinen Sohn!« sagte Och. »Erkennst du ihn -ist er dein, erkennst du ihn nicht - ist er mein!«

Alle Tauben pickten den Weizen auf, nur eine saß ganz allein unterm Birnbaum, hatte sich aufgeplustert und strich sich die Federn glatt. Da sprach der Bauer: »Das ist mein Sohn!«

»Na, du hast's erraten! So nimm ihn!«

Och verwandelte die Taube, und ein so schmucker Bursche stand da, wie es keinen zweiten mehr auf der Welt gab. Der Vater freute sich



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von Herzen, umarmte ihn und küßte ihn. Sie alle beiden waren froh!

»Komm, mein Sohn, laß uns nach Hause gehn!«

Und sie machten sich auf.

Sie gingen ihres Weges und plauderten miteinander. Der Vater fragte, wie es beim Waldkönig gewesen war, und der Sohn erzählte. Und dann erzählte der Vater, wie elend es ihm gehe, und der Sohn hörte zu. Endlich sagte der Vater:

»Was sollen wir jetzt anfangen, mein Sohn? Ich bin arm, und du bist arm. Drei Jahre hast du gearbeitet und nichts erworben!«

»Gram dich nicht, Vater, alles wird gut werden. Schau, dort jagen die Herren hinter den Füchsen her. Ich will mich in einen Windhund verwandeln und den Fuchs fangen, dann werden die Herren mich kaufen wollen; verkaufe mich für dreihundert Rubel, aber nur ohne Halsband, so werden wir zu Geld kommen und reich werden!«

Und als sie so weitergingen, jagten die Hunde am Waidrande den Fuchs und jagten hart hinterher, daß der Fuchs nicht auskam, doch erreichen konnte ihn kein Hund. Da verwandelte sich der Sohn in einen Windhund, jagte den Fuchs und fing ihn. Die Herren kamen aus dem Walde gesprengt.

»Ist das dein Windhund?«

»Ja, er ist mein!«

»Ein guter Hund! Verkauf ihn uns!«

»Kauft ihn nur!«

»Was willst du für ihn haben?«

»Dreihundert Rubel ohne Halsband.«

»Was sollen wir mit deinem Halsband? Wir wollen ihm ein goldenes machen lassen. Hier hast du hundert Rubel!«

»Nein, dreihundert habe ich gesagt.«

»Na, so nimm das Geld; gib den Hund her!«

Sie zählten ihm das Geld ab, nahmen den Hund mit sich und jagten weiter.

Sie ließen den Windhund auf einen Fuchs los, doch als er hinter dem Fuchs herjagte, lief er in den Wald, verwandelte sich wieder in den

Burschen und kam zum Vater zurück.

Und als sie weitergingen, sprach der Vater:

»Was nützt uns schon das bißchen Geld, mein Sohn, es reicht nur,



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um für die Wirtschaft was anzuschaffen und die Hütte auszubessern.«

»Sorge dich nicht, Vater, es kommt noch mehr zusammen. Dort jagen die Herren mit dem Falken auf Wachteln. Ich will mich in einen Falken verwandeln, die Herren werden mich kaufen wollen, und du verkaufst mich für dreihundert Rubel, aber ohne Kappe.« Sie gingen über ein Feld, und die Herren ließen den Falken auf die Wachteln los; der Falke stieß hinab, aber die Wachtel versteckte sich. Da verwandelte sich der Sohn in einen Falken und stieß sofort auf die Wachtel hinunter. Die Herren sahen es.

»Ist das dein Falke?«

»Ja, er ist mein.«

»Verkauf ihn uns!«

»Kauft ihn nur!«

»Was willst du für ihn haben?«

»Gebt ihr dreihundert Rubel, so nehmt den Falken, aber ohne Kappe.«

»Wir werden ihm eine aus Brokat machen.«

Sie handelten, und schließlich verkaufte der Bauer ihn für dreihundert Rubel. Dann ließen die Herren den Falken auf eine Wachtel, aber er flog fort, weiter und immer weiter, verwandelte sich wieder in den Burschen und kam zum Vater zurück.

Jetzt sind wir schon ein wenig reicher geworden«, sagte der Vater. Und der Sohn sagte: »Warte nur, Vater, wenn wir auf den Jahrmarkt kommen, will ich mich in ein Pferd verwandeln, und du verkaufst mich. Man wird dir tausend Rubel für mich geben, aber verkaufe mich nur ohne Halfter.«

Und als sie in den nächsten Ort kamen, war dort gerade Jahrmarkt. Der Sohn verwandelte sich in ein Pferd, und es war feurig wie ein Drache, so daß man Furcht hatte, heranzutreten! Der Vater führte das Pferd am Halfter, und es bäumte sich und stampfte die Erde mit den Hufen!

Da stellten sich die Händler ein und feilschten.

»Für tausend ohne Halfter«, sagte der Vater, »dann sollt ihr es haben.«

»Was brauchen wir einen Halfter, wir machen ihm einen Zaum, der wird aus Silber sein und vergoldet!«



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Fünfhundert gaben sie.

»Nein, dafür bekommt ihr's nicht!«

Da kam ein Zigeuner heran, der war auf einem Auge blind.

»Was willst du, Bauer, für das Pferd?«

»Tausend, ohne Halfter.«

»He, teuer bist du, mein Lieber! Nimm fünfhundert mit dem Halfter.«

»Nein, das paßt mir nicht«, sagte der Vater.

»Na, sechshundert - hier!«

Aber der Zigeuner mochte noch so sehr handeln, der Bauer gab nicht nach.

»Gut, ich gebe dir's, Alter, aber mit dem Halfter.«

»He, nein, Zigeuner! Der Halfter ist mein.«

»Guter Freund, hast du schon einmal gesehen, daß man ein Pferd ohne Zaum verkauft? Man kann es ja so nicht einmal dem anderen in die Hände geben.«

»Wie du willst, aber der Halfter ist mein!« sagte der Bauer.

»Dann will ich dir noch fünf Rubel zulegen, Alter - aber mit dem Halfter.«

Der Bauer überlegte sich's: Der Zaum war vielleicht seine drei Silberlinge wert, der Zigeuner aber gab fünf Rubel! Da gab er ihm Roß und Halfter. Sie tranken eins drauf, und dann steckte der Bauer sein Geld ein und ging nach Hause. Der Zigeuner aber saß auf und ritt davon. Es war Och, der sich in einen Zigeuner verwandelt hatte. Das Pferd trug den Och weit fort, trug ihn höher als die Bäume und niedriger als die Wolken. Endlich ließen sie sich in dem Walde nieder und kehrten heim zu Och; er ließ das Pferd auf der Weide und ging selbst in die Hütte.

»Er ist mir nun doch nicht entschlüpft, der Lümmel!« sagte er zu seiner Frau.

Zur Mittagzeit aber führte Och das Pferd am Zügel zur Tränke an den Fluß. Kaum hatte er es herangeführt und sich zum Saufen niederbeugen lassen, als es sich in einen Barsch verwandelte und davonschwamm. Och besann sich nicht lange, verwandelte sich in einen Hecht und verfolgte den Barsch. Und fast hätte er ihn schon eingefangen, aber da schlug der Barsch mit den Flossen und wendete so flink mit dem Schwanz, daß der Hecht ihn nicht zu fassen kriegte.



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Schließlich rief der Hecht:

»Barschlein, Barschlein,
dreh dein Köpfchen her zu mir geschwind
und plaudere mit mir!«

»Willst du, Gevatter, mit mir plaudern«, sprach der Barsch zum Hecht, »so hör ich dich auch so.« Und wieder hatte der Hecht ihn fast erreicht und rief:

»Barschlein, Barschlein,
dreh dein Köpfchen her zu mir geschwind
und plaudere mit mir!«

Doch der Barsch schlug mit den Flossen und sagte: »Willst du das, Gevatter, dann hör ich dich auch so.«

Lange jagte der Hecht ihm nach, aber vergebens. Endlich schwamm der Barsch ans Ufer; dort wusch gerade die Zarentochter ihre Wäsche. Der Barsch verwandelte sich in einen Granatring mit goldener Fassung, den erblickte die Zarentochter und hob ihn aus dem Wasser. Sie brachte ihn heim und sagte: »Schau, was für einen schönen Ring ich gefunden habe, Väterchen!«

Dem Zaren gefiel der Ring, aber die Zarentochter wußte gar nicht, an welchen Finger sie ihn stecken sollte, so schön war er!

Als einige Zeit vergangen war, meldete man dem Zaren, daß ein Kaufmann gekommen sei - es war aber Och, der sich verwandelt hatte. Der Zar ging hinaus und fragte:

»Was willst du, Alterchen?«

»So und so«, sagte der, »ich bin auf dem Schiff übers Meer gefahren und brachte für den Zaren in meiner Heimat einen Granatring mit, aber ich ließ ihn ins Wasser fallen. Hat nicht vielleicht einer von Euren Dienern den Ring gefunden?«

»Nein«, sagte der Zar, »aber meine Tochter hat ihn gefunden.«

Und er rief sie herbei. Och bat sie flehentlich, sie möge ihm den Ring zurückgeben.

»Ich kann nicht länger leben«, sagte er, »wenn ich den Ring nicht mitbringe.«



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Sie gab ihn aber nicht her, um keinen Preis. Da sagte aber der Zar: »Gib ihn her, Töchterchen, sonst kommt der Arme durch uns ins

Unglück; gib ihn nur!«

Und Och bat sie: »Was Ihr nur wollt, nehmt von mir, aber gebt mir nur den Ring wieder!«

»Wenn es so ist«, sagte die Zarentochter, »soll er nicht mein sein und nicht dein!«

Und sie warf den Ring auf die Erde. Da zerfiel der Ring in Weizenkörner, und sie kollerten überall herum. Och besann sich nicht lange, verwandelte sich in einen Hahn und begann eilends, die Körner aufzupicken. Er pickte und pickte und hatte schon fast alle aufgepickt. Ein Korn aber war unter den Fuß der Zarentochter gerollt, und das hatte er nicht gefunden. Als Och mit Picken fertig war, flog er durchs Fenster davon.

Das Weizenkorn aber verwandelte sich in einen Burschen, der war so schmuck, daß die Zarentochter sich sofort in ihn verliebte, als sie ihn sah. Und gleich bat sie auch den Zaren und die Zarin, sie möchten ihn ihr zum Manne geben.

»Mit keinem anderen werd' ich glücklich sein«, sagte sie, »bei ihm ist mein Glück!«

Der Zar runzelte wohl die Stirn darüber, daß er die Tochter einem einfachen Bauern geben sollte; aber schließlich war er's zufrieden. Und sie segneten die beiden und verheirateten sie und feierten eine solche Hochzeit, daß alle Welt zusammenlief.

Dort war auch ich, Met und Wein trank ich, und kam auch nichts in den Mund, so floß es doch übern Bart - und davon bin ich so weiß geworden.


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