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Russische Märchen


Illustrationen


von Wilhelm M Busch

Märchen europäischer Völker


Die Zarin Frosch

In einem Königreich lebte einmal ein Zar mit seiner Frau Zarin. Sie hatten drei Söhne. Alle waren sie jung und so kühn, daß man's gar nicht beschreiben kann. Den jüngsten nannten sie Prinz Iwan.

Eines Tages sagte der Vater Zar: »Meine lieben Kinder, nehmt euch jeder einen Pfeil, spannt die Bogen und schießt nach verschiedenen Richtungen. In wessen Hof der Pfeil fallen wird, dorthin sollt ihr euch verheiraten.«

Der älteste Bruder schoß seinen Pfeil ab, und er fiel in den Hof eines Bojaren, genau gegenüber dem Mädchenzimmer. Der mittlere Bruder schoß, und sein Pfeil fiel in den Hof eines Kaufmanns, wo er auf einer roten Freitreppe liegenblieb. Dort aber stand gerade ein liebliches Mädchen, die Tochter des Kaufmanns.

Als letzter ließ der dritte Bruder seinen Pfeil in die Lüfte schnellen, und er fiel in einen schmutzigen Sumpf, wo ihn eine quakende Fröschin fand.

Prinz Iwan sagte zum Vater: »Wie, soll ich eine Fröschin zu mir nehmen? Sie ist meiner nicht würdig!« — »Nimm sie!« antwortete der König. »Es ist dir vom Schicksal so bestimmt.«

Die Prinzen heirateten: der älteste die Bojarentochter, der zweite die Tochter des Kaufmanns und Prinz Iwan die Fröschin.

Eines Tages rief der König seine Söhne zu sich und gebot ihnen: »Eure Frauen sollen mir bis morgen früh schönes weißes Brot backen.«

Prinz Iwan kehrte traurig in sein Heim zurück und ließ den Kopf hängen.

»Quak, quak, Prinz Iwan! Warum bist du so traurig?« fragte die Fröschin. »Hast du von deinem Vater etwa böse Worte hören müssen?« «

»Wie sollte ich nicht traurig sein? Mein Vater, der König, hat dir befohlen, bis morgen früh schönes weißes Brot zu backen.«

»Sei unbesorgt, Prinz! Leg dich schlafen, der Morgen ist klüger als der Abend!«

Sie brachte den Prinzen zu Bett, warf dann ihr Froschkleid ab und verwandelte sich in ein wunderschönes Mädchen, die Prinzessin Wassilissa.



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Sie trat auf die rote Freitreppe und rief mit lauter Stimme: »Ihr Ammen und Wärterinnen, kommt herbei, bereitet ein schönes weißes Brot, so wie ich es bei meinem Väterchen gegessen habe!«

Am Morgen erwachte der Prinz Iwan, und die Fröschin hatte das Brot längst fertig. Es war ein so herrliches Brot, wie es nur im Märchen vorkommt. Es war mit großer Kunst ausgeschmückt, an der Seite waren Städte aus dem Zarenreich mit ihren Schlagbäumen zu sehen.

Der König dankte dem Prinzen Iwan für das Brot und befahl seinen drei Söhnen: »Jede eurer Frauen soll mir in einer einzigen Nacht einen Teppich weben.«

Wieder kam Prinz Iwan traurig nach Hause und ließ den Kopf hängen.

»Quak, quak, quak! Prinz Iwan, warum so mißmutig? Hat es beim Vater etwa böse Worte gegeben?«

»Wie sollte ich nicht traurig sein? Mein Vater, der König, hat dir befohlen, in einer einzigen Nacht einen Teppich zu weben.«

»Sei nicht bekümmert, Prinz! Leg dich schlafen, der Morgen ist klüger als der Abend.«

Sie legte ihn schlafen, warf ihr Froschkleid ab und verwandelte sich wieder in das wunderschöne Mädchen Wassilissa, ging auf die rote Freitreppe und rief: »Herbei, ihr Ammen und Wärterinnen, macht euch bereit, einen seidenen Teppich zu weben, genau wie jener, auf dem ich bei meinem Vater gelegen habe!«

Als der Prinz am anderen Morgen erwachte, war der Teppich der Fröschin längst fertig. Er war märchenhaft schön. Der Rand war mit Gold und Silber bestickt, und alles war bunt gemustert. Der König bedankte sich bei dem Prinzen Iwan für den Teppich. Dann gab er den Befehl, daß alle drei Prinzen zu ihm auf Besuch kommen und dazu ihre Frauen mitbringen sollten.

Der Prinz Iwan kam wieder ganz niedergeschlagen nach Hause. »Quak, quak, quak, Prinz, was bedrückt dich? Hast du dich mit deinem Vater gestritten?«

»Wie sollte ich nicht bekümmert sein? Der König, mein Vater, hat befohlen, daß ich mit dir zu ihm auf Besuch kommen soll. Wie soll ich dich den Leuten zeigen?«

»Sei unbesorgt, mein Prinz! Geh allein zum König als Gast, ich



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werde später nachkommen. Wenn du Pferdegetrappel und Lärm hörst, dann sage nur: >Das ist meine Fröschin, sie kommt in einer Schachtel.«

Die älteren Brüder kamen mit ihren schön gekleideten, geputzten Frauen, standen da und lachten über den Prinzen Iwan: »Was, Bruder, du bist ohne Frau gekommen? Hättest du sie nicht im Taschentuch mitbringen können? Wo hast du denn diese Schönheit gefunden? Ist etwa der ganze Sumpf ausgetrocknet?«

Plötzlich ertönte Lärm und Pferdegetrappel, der ganze Hof zitterte, die Gäste erschraken sehr, rannten auf ihre Plätze und wußten nicht, was sie anfangen sollten.

Prinz Iwan aber sagte: »Erschreckt nicht, meine Herrschaften! Das ist meine Fröschin, die in einer Schachtel herbeigefahren ist.« Zur königlichen Freitreppe aber kam eine vergoldete Kutsche mit sechs Pferden gefahren, und daraus stieg Wassilissa, so anmutig und schön, daß man es gar nicht beschreiben kann.

Sie nahm den Prinzen Iwan bei der Hand und führte ihn zum eichenen Tisch mit dem bunten Tischtuch. Die Gäste begannen zu schmausen und lustig zu sein. Wassilissa trank ihren Wein aus, den Rest aber goß sie sich über die linke Hand, sie aß von einem Schwan und verbarg die Knöchelchen in ihrer rechten Hand. Die Frauen der älteren Brüder sahen das und taten ebenso.

Als dann später Wassilissa mit ihrem Mann zum Tanze ging, winkte sie mit der linken Hand, und sogleich entstand ein See. Sie winkte mit der Rechten, und im Wasser schwammen Schwäne umher. Der König und seine Gäste staunten. Als die älteren Frauen zum Tanze gingen, winkten sie mit den linken Händen, aber sie bespritzten nur die Gäste. Sie winkten mit der Rechten, und ein Knochen fiel dem König unmittelbar ins Auge! Der König wurde sehr zornig und jagte sie mit Schimpf und Schande vom Hofe weg.

Inzwischen war Prinz Iwan nach Hause geeilt, hatte die Froschkleider gefunden und verbrannte sie in einem großen Feuer.

Wassilissa kam und suchte sie. Die Froschhaut war verschwunden. Da wurde sie sehr traurig und weinte: »Ach, Prinz Iwan, was hast du getan! Wenn du nur ein bißchen gewartet hättest, wäre ich auf immer dein gewesen, aber nun leb wohl! Suche mich im Lande, wo der Pfeffer wächst, beim großen Zauberer!«



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Sie verwandelte sich in einen Schwan und flog durch das Fenster davon.

Prinz Iwan weinte bitterlich, betete zu Gott nach allen vier Himmelsrichtungen und ging davon, wohin ihn gerade seine Füße trugen.

Während er so dahin wanderte, traf er auf einen alten Mann, der ihn ansprach: »Lieber junger Mann! Was suchst du, wohin geht der Weg?«

Der Prinz erzählte ihm von seinem Unglück.

»Ach, Prinz Iwan, warum hast du auch die Froschhaut verbrannt? Du hast sie ihr nicht angezogen, du durftest sie auch nicht wegnehmen. Wassilissa ist klüger als ihr Vater zur Welt gekommen. Darüber wurde er böse und hat ihr befohlen, drei Jahre lang als Fröschin zu leben. Hier hast du einen Knäuel. Wohin er rollt, dahin gehe ihm nach!«

Prinz Iwan dankte dem Alten und ging dem Knäuel nach. Er kam auf ein freies Feld und traf einen Bären.

>Den werde ich erlegen<, dachte der Prinz.

Aber der Bär bat ihn: »Töte mich nicht, Prinz. Irgendeinmal werde ich dir nützlich sein!«

Während er weiterzog, flog vor ihm eine Ente auf. Der Prinz spannte seinen Bogen, um den Vogel herunterzuschießen, als dieser plötzlich mit menschlicher Stimme sagte: »Töte mich nicht, Prinz, ich werde dir sehr nützlich sein!«

Er ritt weiter. Da rannte ein krummer Hase daher. Wieder griff der Prinz nach seinem Bogen und zielte, aber der Hase sprach: »Töte mich nicht, Prinz, du wirst mich noch brauchen können.«

Prinz Iwan hatte Mitleid, ritt weiter und kam ans blaue Meer. Dort lag ein Hecht im Sand.

»Ach, Prinz Iwan«, sagte er, »habe Erbarmen mit mir und wirf mich ins Wasser!«

Er warf ihn ins Meer und ging am Ufer entlang.

Nach kurzer Zeit rollte der Knäuel zu einer Hütte. Sie stand auf krummen Pfählen und drehte sich im Kreise. Da rief Prinz Iwan: »Hüttchen, Hüttchen, bleib stehen wie früher, genau wie dich deine Mutter hingestellt hat, zu mir von vorne, aber mit der Rückseite gegens Meer.«



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Die Hütte drehte sich mit der Rückseite zum Meer hin, mit der Vorderseite jedoch zu ihm. Er trat hinein und sah, daß auf dem Ofen, auf dem neunten Ziegel, eine knochige Hexe lag und sich die Zähne schliff.

»Oho, mein Junge! Was führt dich zu mir?«fragte die Hexe den Prinzen.

»Ach, du Alte! Hättest du mir lieber zuerst was zum Essen und Trinken gegeben und mir ein Bad gerichtet, bevor du mit deinen Fragen anfängst.«

Die Hexe gab ihm zu essen und zu trinken, badete ihn, und der Prinz erzählte, daß er auf dem Wege sei, seine Frau zu suchen.

»Ah, ich weiß es«, sagte die Hexe, »sie ist jetzt beim Zauberer. Es wird schwer sein, zu ihr zu kommen, und mit dem Zauberer ist nicht gut verhandeln. Sein Tod sitzt auf der Spitze einer Nadel, und die Nadel steckt in einem Hasen, der wieder in einer Kiste verborgen ist. Diese Kiste aber steht auf einer hohen Eiche, und diesen Baum hütet der Zauberer wie seinen Augapfel.«

Die Hexe zeigte dem Prinzen den Platz, an dem die Eiche stand. Der Prinz ging hin und wußte nicht, was er anfangen sollte. Wie sollte er zu der Kiste gelangen?

Da rannte auf einmal der Bär herbei und riß den Baum mitsamt den Wurzeln aus. Die Kiste fiel herunter und zerbrach in tausend Stücke. Heraus sprang ein Hase und wollte rasch entkommen, doch sieh, ihm jagte der andere Hase nach, erreichte ihn und zerriß ihn in Stücke. Daraus erhob sich eine Ente und flog hoch, hoch in die Luft. Der Enterich aber flog ihr nach, und als er sie traf, ließ sie ein Ei fallen, und dieses Ei fiel ins Meer. Als der Prinz das sah, fing er an zu weinen. Doch auf einmal kam der Hecht ans Ufer und hielt das Ei in seinem Maul. Der Prinz nahm es, schlug es auf, ergriff die Nadel und brach ihr die Spitze ab. Nun mochte sich der Zauberer winden und wehren, es nutzte alles nichts - er mußte sterben!

Prinz Iwan aber ging ins Haus des Zauberers, holte Wassilissa und brachte sie nach Hause. Dort lebten sie noch lange Zeit glücklich und froh.


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