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Russische Märchen


Illustrationen


von Wilhelm M Busch

Märchen europäischer Völker


Iwan-Kuhsohn

In einem fernen Zarenreich lebte dereinst ein Zar mit seiner Zarin, die hatten keine Kinder. Wie sehr sie sich auch grämten, wie viele Zauberkundige sie befragten, Kinder bekamen sie nicht.

Eines Tages kam nun ein Großmütterchen vom Hinterhof zu ihnen ins Haus.

»Legt Netze aus im Meer«, sprach sie, »es wird sich ein Fischlein Goldflosse drin fangen. Kocht es in sieben Wassern ab und laßt die Zarin davon essen - da wird sie bald guter Hoffnung sein .

Der Zar befahl alsbald Netze zu knüpfen und diese im blauen Meer auszulegen, um das Fischlein Goldflosse zu fangen. Die Fischer warfen Netze aus im blauen Meer und fingen nichts, sie warfen sie ein zweites Mal aus - wieder nichts, beim dritten Mal aber haben sie wahrhaftig das Fischlein Goldflosse gefangen.

Sie nahmen es und brachten es dem Zaren. Der belohnte die Fischer und befahl, das Fischlein in die Küche zu bringen, es in sieben Wassern abzukochen und der Zarin vorzusetzen. Die Köche putzten das Fischlein, wuschen und kochten es, das Brühwasser aber schütteten sie auf den Hof. Da lief gerade eine Kuh über den Hof, die leckte an dem Brühwasser. Die Küchenmagd legte das Fischlein auf eine Platte, um es der Zarin zu bringen; unterwegs aber rupfte sie sich eine kleine Goldflosse ab und kostete davon. Die Zarin verzehrte das ganze Fischlein.

Alle drei wurden am selben Tage guter Hoffnung: die Kuh, die Küchenmagd und die Zarin; und alle drei gebaren zur gleichen Stunde einen Sohn. Die Zarin gebar Iwan-Zarewitsch, die Magd - Iwan-Magdsohn, und auch die Kuh gebar einen Menschen, und dieser wurde Iwan-Kuhsohn genannt.

Die Kinder hatten gleiche Gesichter, gleiche Haare und gleiche Stimmen. Sie wuchsen heran nicht etwa in Tagen, nein, in Stunden:



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wie sich im Hefestück der Teig hebt, so wurden sie größer und immer größer . . . Ob's kurze Zeit, ob's länger gedauert hat, sie mochten so gut an die zehn Jahre zählen, da fingen sie an, sich mit anderen Burschen die Zeit zu vertreiben, wollten mit ihnen spielen und lustig sein. Bald aber arteten die Späße aus, denn faßten sie einen Burschen bloß an der Hand - war dessen Hand ab, faßten sie ihn am Kopf — war der Kopf ab! Klagen über Klagen wurden im Volke laut. Da sprach Iwan-Kuhsohn zu seinen Brüdern: »Statt beim Väterchen Zar herumzusitzen und das Volk zu beunruhigen, wollen wir lieber in ferne Reiche ziehen!«

Iwan-Zarewitsch, Iwan-Magdsohn und Iwan-Kuhsohn gingen zum Zaren und baten, er möge ihnen eiserne Keulen schmieden lassen und ihnen seinen väterlichen Segen geben zur Fahrt in die Fremde, wo sie sich ebenbürtige Gegner suchen wollten.

Der Zar befahl, drei eiserne Keulen zu schmieden. Eine Woche lang schmiedeten die Schmiede. Dann waren die Keulen fertig: niemand konnte sie auch nur an einem Ende anheben. Iwan-Zarewitsch, Iwan-Magdsohn und Iwan-Kuhsohn aber drehten sie zwischen den Fingern, als wären es Gänsefederkiele.

Die Brüder traten jetzt in den weiten Hof hinaus.

»Los, ihr Brüder«, rief Iwan-Zarewitsch, »wir wollen mal unsere Kräfte messen: wer von uns seine Keule am höchsten schleudern kann, soll der Älteste sein!«

»Gut - wirf du als erster!«

Iwan-Zarewitsch schleuderte seine Keule, sie flog hoch -kaum war sie noch mit den Augen zu verfolgen; nach einer Stunde erst fiel sie wieder zur Erde. Nach ihm kam Iwan-Magdsohn an die Reihe: die Keule flog noch höher, war gar nicht mehr zu sehen und erst nach zwei Stunden fiel sie wieder zur Erde. Als aber Iwan-Kuhsohn seine Keule schleuderte, flog sie hoch über die Wolken hinauf und kam erst drei Stunden darauf wieder zur Erde zurück.

»Iwan-Kuhsohn, du sollst nun der Älteste sein!«

Die drei Brüder sattelten ihre Pferde, baten den Zaren um seinen Segen und ritten hinaus, der Ferne entgegen - so weit das Auge reichte!

Sie ritten über Berg und Tal und grüne Wiesen und kamen, nach kürzerer oder längerer Zeit - gar schnell ist ein Märchen erzählt,



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nicht so rasch eine Tat getan - an den Fluß Smorodinà. Eine Holunderbrücke führte über den Fluß, und an den Ufern war fast knietief Menschengebein aufgehäuft.

Die Brüder sahen eine Hütte, gingen hinein und fanden sie leer. Sie beschlossen, da zu rasten. Sie nahmen den Pferden das Zaumzeug ab, aßen und tranken, bis es Abend wurde. Da sprach Iwan-Kuhsohn zu seinen Brüdern: »Wir wollen hier nun jede Nacht abwechselnd Wache halten und aufpassen, wer wohl über diese Brücke reitet.« «

Sie warfen das Los: die erste Nacht sollte Iwan-Zarewitsch Wache stehen, die zweite Iwan-Magdsohn und die dritte Iwan-Kuhsohn. Iwan-Zarewitsch zog sich an und ging auf seinen Posten, zum Flusse Smorodinà, an die Holunderbrücke. Eine Weile ging er dort auf und ab und schlief schließlich ein. Iwan-Kuhsohn in der Hütte aber fand keinen Schlaf. Er drehte und wendete sich, verknüllte das Kissen unterm Kopf- er stand auf, zog sich Schuhe und Kleider an, nahm seine Keule und ging hinaus zur Brücke. Da fand er nun Iwan Zarewitsch in festem Schlaf. Iwan-Kuhsohn faßte den Schlafenden unter die Schultern und trug ihn unter die Brücke, er selber aber setzte die Wache fort .

Da brausten die Wasser auf im Fluß, die Adler auf den Eichen fingen zu schreien an, die Brücke dröhnte - und angeritten kam das Wunderwesen Tschudo-Judo, der sechsköpfige Drache.

Plötzlich stolperte das Roß des Drachen, ein schwarzer Rabe auf seiner Schulter flatterte auf, und der Windhund hinter ihm sträubte sein Fell. Da sprach zu ihnen Tschudo-Judo: »Was stolperst du, Wolfsgezücht? Was flatterst du, Rabengefieder? Und du, Hundefell, was sträubst du dich? Spürt ihr Freund oder Feind?«

»Einen Feind spüren wir.«

»Gelogen ist das, in aller Welt besteht für mich kein Widersacher, es sei denn Iwan-Kuhsohn. Von dem aber hat nicht mal ein Rabe das Gebein hierhergebracht, geschweige denn, daß er selber hier wäre!«

Da sprang Iwan-Kuhsohn unter der Brücke hervor: »Du irrst! Hier bin ich selber!«

»Was führt dich her, Iwan-Kuhsohn? Willst du meine Töchter oder meine Schwestern freien?«



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»Ach, du Wunderwesen, Tschudo-Judo, sechsköpfiger Drache du, im Felde fechten, heißt nicht Sippschaft flechten, wir wollen uns im Kampf messen!«

Sie gingen gegeneinander an, prallten hart aufeinander. Dem Wunderwesen aber war das Glück nicht hold: Iwan-Kuhsohn hieb ihm mit einem Schlag drei Köpfe ab.

»Halt ein, Iwan-Kuhsohn, gewähre mir eine Atempause!«

»Keine Atempause, Tschudo-Judo! Bei mir heißt es: schlagen und schlachten - seiner selbst nicht achten!«

Wieder gingen sie aufeinander los. Tschudo-Judo schlug zu, Iwan-Kuhsohn sank bis an die Knie in die feuchte Erde, hieb aber seinerseits zu und schlug Tschudo-Judo die restlichen drei Köpfe ab; zerhackte den Rumpf und warf die Stücke in den Fluß, die sechs Köpfe aber versteckte er unter der Holunderbrücke. Dann kehrte er in die Hütte zurück.

Frühmorgens kam Iwan-Zarewitsch zurück.

»Na, Bruder, was hast du erspäht? Wer ging, wer ritt über die Holunderbrücke?«

»Ich sah niemanden reiten, niemanden gehen, Brüderlein. Nicht eine Fliege ist an mir vorbeigeflogen.«

Die zweite Nacht zog Iwan-Magdsohn auf die Wache. Eine Weile ging er auf und ab, schlüpfte dann ins Gebüsch und schlief ein. Iwan-Kuhsohn aber in der Hütte fand keinen Schlaf, drehte und wendete sich, das Kissen verknüllte sich ihm unterm Kopf. . . Gegen Mitternacht stand er auf, zog Schuhe und Kleider an, nahm seine Keule, ging hinaus und stellte sich unter die Holunderbrücke.

Da brausten die Wasser auf im Fluß, die Adler auf den Eichen fingen zu schreien an, die Brücke dröhnte -angeritten kam das Wunderwesen Tschudo-Judo, der neunköpfige Drache. Seinem Roß stieg Rauch aus den Ohren, und Flammen schlugen aus seinen Nüstern. Plötzlich stolperte das Roß des Drachen, der schwarze Rabe auf seiner Schulter flatterte auf, der Windhund hinter ihm sträubte sein Fell.

»Was stolperst du, Wolfsgezücht? Was flatterst du, Rabengefieder?

Und du, Hundefell, was sträubst du dich? Spürt ihr Freund oder Feind?«

»Einen Feind spüren wir, ist nicht Iwan-Kuhsohn hier?«



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»Von dem hat nicht mal ein Rabe das Gebein hierhergebracht, geschweige denn, daß er selber hier wäre!« Da sprang Iwan-Kuhsohn unter der Brücke hervor:

»Du lügst, hier bin ich selber!«

»Was führt dich her, Iwan-Kuhsohn? Willst du meine Töchter oder meine Schwestern freien?«

»Ach, du Wunderwesen, du neunköpfiges, im Felde fechten -nicht Sippschaft flechten, kämpfen wollen wir!«

Sie gingen sich hart an, prallten aufeinander, daß rings die Erde aufstöhnte; Iwan-Kuhsohn holte aus mit seiner Keule - schlug Tschudo-Judo drei Köpfe ab, holt nochmals aus -schlug ihm wieder drei Köpfe ab. Tschudo-Judo schlug zu - bis zum Gürtel fuhr Iwan-Kuhsohn in die feuchte Erde.

Iwan Kuhsohn griff eine Handvoll Erde und warf sie Tschudo-Judo in die Augen; ehe dieser sich die Glotzaugen ausgerieben hatte, schlug Iwan-Kuhsohn ihm die restlichen drei Köpfe ab. Den Rumpf hieb er in Stücke und warf diese in den Fluß Smorodinà, die neun Köpfe aber versteckte er unter der Holunderbrücke. Dann ging er in die Hütte zurück und legte sich schlafen. Frühmorgens kam Iwan-Magdsohn zurück.

»Nun, Bruder, was hast du erspäht? Wer ging, wer ritt über die Holunderbrücke?«

»Niemand, Brüderlein, nicht eine Fliege ist an mir vorbeigeflogen, nicht eine Mücke vorbeigesummt!«

Iwan-Kuhsohn führte die Brüder unter die Holunderbrücke, zeigte ihnen die Drachenköpfe und hub an, sie zu schmähen: »Oh, ihr Helden! Zum Kampf taugt ihr nicht -in der Stube müßt ihr hocken, auf dem Ofen liegen!«

In der dritten Nacht machte sich Iwan-Kuhsohn für die Wache fertig. Er stieß ein Messer in die Wand und hing ein weißes Handtuch darüber, auf den Fußboden, unter das Handtuch, stellte er eine Schüssel.

»Ich ziehe in einen schrecklichen Kampf, Brüder! Ihr aber schlaft nicht in dieser Nacht. Gebt gut acht, wenn Blut aus dem Handtuch zu rinnen beginnt: läuft die Schüssel halb voll Blut, so steht es gut um mich; auch wenn sie ganz vollaufen sollte, ist es noch nicht gar so schlimm, läuft sie aber über - dann eilt mir zu Hilfe!«



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Iwan-Kuhsohn stand unter der Holunderbrücke, Mitternacht war grade vorüber. Die Wasser im Fluß brausten auf, die Adler auf den Eichen fingen zu schreien an, die Brücke dröhnte -Tschudo-Judo, der zwölfköpfige Drache, kam angeritten. Seinem Roß stieg Rauch aus den Ohren, Flammen schlugen aus seinen Nüstern, garbenweise schleuderten die Hufe den Ruß hinter sich.

Da stolperte das Roß unter dem Drachen, der Rabe auf seinen Schultern flatterte auf, der Windhund hinter ihm sträubte das Fell. »Was stolperst du, Wolfsgezücht? Was flatterst du, Rabengefieder? Und du, Hundefell, was sträubst du dich? Freund oder Feind, was wittert ihr?«

»Den Feind wittern wir! Iwan-Kuhsohn ist hier!«

»Ihr lügt! Kein Rabe noch hat je sein Gebein hierhergebracht!« »Ach du, Tschudo-Judo, du zwölfköpfiges Wunderwesen, du«, rief da Iwan-Kuhsohn und sprang unter der Brücke hervor, »wohl hat noch kein Rabe je meine Gebeine hierhergebracht, ich selber bin es, der hier vor dir steht!«

»Was willst du hier?«

»Will dich mal näher besehn, du unreine Macht! Deine Kraft erproben will ich in der Schlacht!«

»So warst du es, der meine Brüder umgebracht hat? Und jetzt glaubst du, auch mich besiegen zu können? Ein Schnaufer nur von mir, und es bleibt auch nicht ein Stäubchen von dir übrig!«

»Ich bin nicht zum Märchenanhören hierhergekommen! Laß uns auf Tod und Leben kämpfen!«

Iwan-Kuhsohn holte aus mit seiner Keule und schlug Tschudo-Judo drei Köpfe ab. Tschudo-Judo fing die Köpfe auf, strich sachte mit seinem Feuerfinger darüber -schon waren die Köpfe wieder angewachsen, als wären sie ihm nie von den Schultern gerollt. Tschudo-J udo schlug seinerseits zu und trieb Iwan-Kuhsohn bis zu den Knien in die feuchte Erde.

Da nun stand es schlecht um Iwan-Kuhsohn.

»Halt ein, böse Macht, gib mir eine Atempause!« Tschudo-Judo gab ihm eine Atempause. Iwan-Kuhsohn streifte den rechten Handschuh ab und schleuderte ihn nach der Hütte. Der Handschuh schlug Türen und Fenster ein, die Brüder aber schliefen und merkten nichts.



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Iwan-Kuhsohn holte ein zweites Mal aus, stärker als das erste Mal, und schlug Tschudo-Judo sechs Köpfe ab. Tschudo-Judo fing sie auf, strich mit seinem Feuerfinger leicht darüber -alle Köpfe saßen wieder auf ihrem Platz; nun schlug Tschudo-Judo seinerseits ein zweites Mal zu und jagte Iwan-Kuhsohn bis zum Gürtel in die feuchte Erde.

»Halt an, böse Macht, gib mir eine Atempause!«

Iwan-Kuhsohn streifte den linken Handschuh ab und schleuderte ihn nach der Hütte. Der Handschuh riß das ganze Dach herunter, die Brüder aber schliefen und merkten nichts.

Ein drittes Mal holte Iwan-Kuhsohn aus, mächtiger noch als die beiden ersten Male, und hieb Tschudo-Judo neun Köpfe ab. Tschudo-Judo fing sie auf, strich sachte mit dem Feuerfinger darüber -die Köpfe saßen alle wieder fest. Doch nun jagte Tschudo-Judo Iwan-Kuhsohn bis unter die Schulter in die feuchte Erde.

»Halt ein, böse Macht, gib mir ein drittes Mal eine Atempause!« Iwan-Kuhsohn nahm seine Mütze ab und schleuderte sie nach der Hütte. Von diesem Schlag fiel die ganze Hütte zusammen, und alle Balken rollten durcheinander.

Jetzt fuhren die Brüder aus dem Schlaf auf, sahen sich um: das Handtuch war ganz blutig, auf dem Fußboden lief die Schüssel über von Blut. Erschrocken griffen sie zu ihren Keulen und liefen dem Bruder zu Hilfe.

Inzwischen war es Iwan-Kuhsohn gelungen, Tschudo-Judo den Feuerfinger abzuschlagen. Und nun begannen die Brüder gemeinsam, dem Ungeheuer die Köpfe abzuhauen.

Sie kämpften den ganzen Tag über bis zum hereinbrechenden Abend und überwältigten endlich Tschudo-judo den zwölfköpfigen gefährlichen Drachen, schlugen ihm alle seine Köpfe ab, bis zum letzten, den Leib hieben sie in Stücke und warfen sie in den Fluß Smorodinà.

Ganz früh am anderen Morgen sattelten die Brüder ihre Pferde und ritten weiter. Da sagte plötzlich Iwan-Kuhsohn: »Halt! Ich habe meinen Handschuh vergessen! Reitet langsam weiter, Brüder, ich hole euch bald wieder ein.«

Er ritt etwas abseits, stieg ab, ließ sein Pferd auf einer Wiese weiden, verwandelte sich in einen Sperling und flog über die Holunder-



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brücke, über den Fluß Smorodinà zu dem Gebäude aus weißen Steinen; dort setzte er sich ans offene Fenster und lauschte.

In dem Gebäude aus weißen Steinen aber saß die alte Drachenmutter mit ihren drei Schwiegertöchtern, den Frauen der Tschudo-Judos. Sie berieten, wie sie wohl den bösen Iwan-Kuhsohn mit seinen beiden Brüdern umbringen könnten.

»Ich lasse Hunger über sie kommen«, sagte die jüngste Schwiegertochter, »und verwandle mich selber in einen Apfelbaum voll wunderschöner Äpfel. Jeder von ihnen wird ein Äpfelchen verzehren - da wird es sie in Stücke reißen.«

Die mittlere Schwiegertochter sprach: »Ich lasse Durst über sie kommen und verwandle mich in einen Brunnen - sie sollen es nur probieren, aus mir zu trinken!« Die älteste Schwiegertochter sagte: »Und ich, ich lasse Schlaf über sie kommen, verwandle mich in ein weiches Bett - wer sich auf mich legt, wird lichterloh brennen!«

»Ich werde mich in eine alte Sau verwandeln«, sagte die alte Drachenmutter, »meinen Rachen aufreißen und sie alle drei verschlingen!«

Iwan-Kuhsohn hörte sich das alles an, flog zurück zu den grünen Wiesen, warf sich zur Erde und stand wieder auf als schmucker Bursche. Seine Brüder hatte er bald wieder eingeholt, und so zogen sie weiter ihres Weges. War es lang oder kurz, daß sie so dahinritten —Hunger begann sie zu quälen, und sie hatten nichts zu essen. Doch sieh! Da stand am Weg vor ihnen ein Apfelbaum mit herrlichen Äpfeln an seinen Zweigen. Iwan-Zarewitsch und Iwan-Magdsohn wollten sich gleich daranmachen, Äpfel zu pflücken, Iwan-Kuhsohn aber kam ihnen zuvor und hackte kreuz und quer auf den Baum ein, daß das rote Blut nur so herausspritzte!«

»Da könnt ihr sehn, ihr Brüder, was das für ein Baum ist!«

Sie ritten weiter über Steppen und Wiesen, und immer heißer wurde der Tag, kaum noch auszuhalten. Und nun bekamen sie auch noch Durst. Da sahen sie einen Brunnen, eine frische Quelle. Die jüngeren Brüder stürzten gleich darauf zu, Iwan-Kuhsohn aber sprang vor ihnen vom Pferde und begann auf die Quelle loszuschlagen, daß das Blut nur so spritzte.

»Da könnt ihr sehn, ihr Brüder, was das für eine Quelle ist!« Der Tag wurde nebliger, die Hitze ließ nach, und kein Durst quälte



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sie mehr. Und so ritten sie denn wieder ihres Weges dahin. Die dunkle Nacht brach an, sie konnten sich kaum noch des Schlafes erwehren, sahen schließlich ein Hüttchen, Licht schien aus dem Fenster; im Hüttchen stand eine hölzerne Bettstelle mit Daunenbetten.

»Laß uns hier übernachten, Iwan-Kuhsohn!«

Der aber sprang vor und hackte kreuz und quer auf das Bett los, daß das Blut nur so herumspritzte.

»Da könnt ihr sehn, ihr Brüder, was das für ein Daunenbett ist!« Da war ihnen rasch aller Schlaf vergangen.

Weiter ritten sie ihres Weges und hörten, daß sie verfolgt wurden: die alte Drachenmutter kommt als Sau angebraust, hat ihren Rachen aufgesperrt von der Erde bis hinauf zum Himmel. Iwan-Kuhsohn sieht - es ist schlecht bestellt um ihn und seine Brüder. Wie sollen sie sich retten? Da wirft er der Sau drei Fuder Salz in den Rachen. Die Drachenmutter schlingt alles hinunter, kriegt Durst und läuft zum blauen Meer hinunter.

Bis aber die Drachenmutter fertig war mit Trinken, waren die Brüder weit davongeritten; doch kaum hatte die Drachenmutter ihren Durst gelöscht, als sie auch schon die Verfolgung wieder aufnahm. Die Brüder trieben ihre Rosse an und kamen im Wald an eine Schmiede. Sie gingen hinein: »Auf, ihr Schmiede, schmiedet uns zwölf eiserne Ruten und bringt die Zangen in Rotglut. Eine große Sau wird angerannt kommen und wird zu euch sprechen: >Gebt den Schuldigen heraus!< —Gebt ihr zur Antwort: >Leck doch mit deiner Zunge zwölf eiserne Türen durch und hol ihn dir selber!«

Da kommt auch schon die alte Drachenmutter in Gestalt einer riesigen Sau dahergerannt und schreit: »Schmiede! Schmiede! Gebt mir den Schuldigen heraus!«

Die Schmiede antworten, wie Iwan-Kuhsohn ihnen befohlen hat: »Leck mit der Zunge zwölf eiserne Türen durch, und hol ihn dir selber! «

Das Drachenweib machte sich ans Lecken. Sie leckte alle elf Türen durch und steckte die Zunge durch die zwölfte. Iwan-Kuhsohn packte die Zunge mit der rotglühenden Zange, die Brüder hieben mit den eisernen Ruten auf die Sau los und zerfleischten das Drachenweib bis auf die Knochen. Die tote Drachenmutter verbrannten sie und streuten die Asche in alle Winde.



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Nachher ritten die drei, Iwan-Kuhsohn, Iwan-Magdsohn und Iwan-Zarewitsch, wieder nach Hause.

Dort lebten sie in Saus und Braus, bei Spiel und Festen. Auch ich bin da hineingekommen, Honigbier wurde mir eingeschenkt. Es lief mir nur alles den Schnurrbart entlang -kein Tropfen davon kam mir in den Mund. Sie wollten mich ganz groß bewirten: nahmen dem Ochsen den Zuber, gossen mir Milch hinein. Ich aber aß nicht, ich trank nicht, ich wollte einmal verschnaufen, da fingen sie an, mit mir zu raufen. Ich stülpte mir meine Kappe auf, da kriegte ich selber einen Schlag ins Genick


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