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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Der Kormoran und der Eidervogel

Der Kormoran und der Eidervogel wollten beide Daunen haben. Aber es war schwierig, sich darüber zu verständigen, denn keiner wollte dem andern nachgeben: nur einer sollte sie bekommen, aber beide wollten sie gleich gern haben. Damit dieser Streit ein Ende nehmen möchte und sie nicht beide die Daunen verlieren sollten, beschlossen sie, daß der von ihnen, der am nächsten Morgen früher erwache und dem andern anzeige, wann die Sonne über dem Meeresrand auftauche, der solle die Daunen haben, um sich damit zu wärmen. Der Kormoran wußte wohl, daß er fest schlafe und schwer aufwache; aus Furcht, beim Sonnenaufgang nicht wach zu werden, wollte er bei Nacht nicht schlafen; er dachte, die Daunen seien wohl eine Nachtwache wert. Und nun setzte sich der Kormoran ganz stolz darüber, daß er, der sonst Schlafmütze hieß, die ganze Nacht nicht schlafen solle, während er den Eidervogel fest neben sich schlafen sah. Den ersten Teil der Nacht ging es erträglich, aber als es länger dauerte, fing es an schwer zu werden und er mußte mit dem Schlafe kämpfen, der ihn befallen wollte. Doch saß er noch halbwach, als es vom Tag zu leuchten begann; da rief er vor Freude: »Nun blaut es im Osten!« Über diesen Ruf erwachte der Eidervogel, der nun ausgeschlafen hatte; dagegen war der Kormoran so schläfrig, daß er nun die Augen nicht mehr offenhalten konnte, wo es am meisten darauf ankam, zu wachen.

Als die Sonne aufging, rief der Eidervogel: »Tag im Meer! Tag im Meer!«So erhielt er die Daunen; der Kormoran mußte noch mehr büßen; er verlor die Zunge, weil er nicht schweigen konnte, wo es galt zu schweigen, und das sagt man oft, wenn einer plauderhaft ist: »Warum ist der Kormoran ohne Zunge?«, damit er an seine eigene Zunge denken kann und in bezug auf das, was nicht gesagt werden soll, ihr einen Riegel vorschiebt.


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