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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Die Geschichte von Thorstein Stangennarbe

Es war ein Mann namens Bjarni, Sohn des Bordd-Helgi. Er lebte in Hof an der Waffenföhrde. Er hatte eine Frau, die hieß Rannweig.

Bjarni war ein begüterter Mann und ein angesehener Häuptling. Er hatte mit seinen Vettern aus der Kreuzbucht lange Zeit in Streit gelegen, und einmal hatten sie einen blutigen Kampf im Bödwarstal: da fielen manche, auf beiden Seiten. Seither hatten sie sich ausgesöhnt, und Bjarni lebte ruhig in Hof und galt für einen friedliebenden Mann.

Es war ein Mann namens Thorarin; der wohnte in Sonnental; ein alter Mann mit schwachem Gesicht. Er war ein Erz-Wiking gewesen in seiner Jugend. Es war nicht leicht, mit ihm umzugehen, trotz seinem Alter. Er hatte einen einzigen Sohn, der Thorstein hieß. Der war groß und kräftig, dabei von verträglichem Wesen und arbeitete so in der Wirtschaft seines Vaters, daß dreier Männer Werk nicht besser ausgegeben hätte.

Thorarin war einer von den Wenigbemittelten, aber Waffen besaß er viele. Er und sein Sohn hatten auch Zuchtpferde, und das war ihr Haupterwerb, daß sie Rosse davon verkauften; denn auf die konnte man immer zählen beim Ritt und bei der Pferdehatz.

Es war ein Mann namens Thord; der war Großknecht bei Bjarni auf Hof. Er hatte die Stallpferde des Bjarni zu besorgen; darum nannte man ihn den Pferde-Thord. Thord war so recht ein gewalttätiger Mensch und ließ es manche spüren, daß er Großknecht bei einem vornehmen Herrn war. Aber darum war er doch um nichts mehr wert, und beliebter wurde er auch nicht dadurch. Damals waren zwei Männer bei Bjarni in Quartier, der eine hieß Thorhall, der andere Thorwald. Die zogen gern alles durch den Mund, was sie in der Gegend erfuhren.

Thorstein und Thord veranstalteten zusammen eine Pferdehatz mit jungen Pferden. Und als sie nun ihre Tiere von beiden Seiten gegeneinander hetzten, da wollte Thords Pferd nicht recht losbeißen. Da schlug Thord dem Pferde des Thorsteins über die Augen, als er sah, daß sein Pferd den kürzeren ziehe; es war ein mächtiger Hieb. Aber Thorstein sah das und versetzte wieder dem Pferde Thords einen noch stärkeren Hieb. Und nun rannte Thords Pferd davon, und die Leute schrien um die Wette.

Da schlug Thord mit der Hetzstange nach Thorstein selbst, und es kam an die Augenbraue, so daß die über das Auge herunterhing. Thorstein



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aber riß ein Stück aus seinem Hemd unten, band die Braue in die Höhe und tat, als ob nichts geschehen sei. Er bat die Leute, sie möchten es vor seinem Vater geheimhalten. Und weitere Folgen hatte es für diesmal nicht. Die beiden, Thorwald und Thorhall, hatten damit ihren Spott und nannten ihn den Thorstein Stangennarbe.

Im Winter kurz vor Weihnachten machten sich die Weiber in Sonnental frühmorgens aus dem Bett an die Arbeit. Da stand auch Thorstein auf und trug Heu in den Stall. Aber nach einer Weile legte er sich nieder auf der Bank in der Wohnstube.

Jetzt kam der alte Thorarin herein, sein Vater, und fragte, wer da liege; Thorstein sagte, er sei es.

»Warum bist du so früh auf den Beinen, Sohn?«fragte der alte Thorann.

Thorstein antwortete: »Es sind doch nicht allzuviele hier, die einem die Arbeit abnehmen würden.«

»Tut dir nicht der Schädel weh, Junge?«fragte der alte Thorarin. »Ich spüre nichts«, sagte Thorstein.

»Hast du mir nichts zu erzählen, Sohn, von der Pferdehatz im Sommer? Wurdest du nicht ohnmächtig geschlagen, Junge, wie ein Hund?«

»Ich finde, man macht zuviel aus der Sache«, sagte Thorstein, »wenn man dies einen Schlag nennt - und nicht einfach einen Unfall.«

Thorarin sagte: »Das hätte ich nicht gedacht, daß ich einen Feigling zum Sohne hätte.«

»Sag nicht zuviel, Vater!« sprach Thorstein, »du möchtest vielleicht einmal, du hättest weniger gesagt.«

»Ich sage doch nicht soviel«, sprach Thorarin, »wie ich bei mir denke.«

Jetzt stand Thorstein auf und nahm seine Waffen und machte sich auf den Weg und ging, bis er zu dem Stalle kam, wo Thord die Pferde des Bjarni in Verwahrung hatte, und Thord befand sich gerade dort.

Da ging Thorstein auf ihn zu und sagte zu ihm: »Du, Thord, ich möchte wissen, ob das ein Versehen von dir war, daß ich auf der Pferdehatz im Sommer den Hieb von dir bekam, oder ist es mit Vorsatz geschehen ?

Thord antwortete: »Kannst du warm und kalt aus meinem Munde blasen, so mach es so, wenn du willst: das eine Mal nennst du's Versehen, das andre Mal nennst du's Absicht! Eine andre Buße bekommst du von mir nicht.«



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»Da mach dich drauf gefaßt«, sagte Thorstein, »daß ich sie möglicherweise kein zweites Mal bei dir einfordere.«

Damit lief er an Thord heran und gab ihm den Todeshieb, ging darauf zum Wohnhaus in Hof und traf eine Frau vor der Tür und sagte zu ihr: »Sag dem Bjarni, seinen Roßknecht Thord habe ein Rind gestoßen; er warte auf ihn dort im Staue.«

»Geh du nur heim, Mann«, sagte sie, »ich will es dann schon sagen, wenn es mir paßt.«

Darauf ging Thorstein heim, und die Frau ging an ihre Arbeit. Später am Morgen, als Bjarni aufgestanden und zu Tisch gekommen war, da fragte er, wo Thord sei, und die Leute gaben zur Antwort, er werde nach den Rossen gegangen sein.

»Dann dächte ich doch, er müßte zurück sein«, sagte Bjarni, »wenn ihm nichts geschehen ist.«

Da fing die Frau an, die dem Thorstein begegnet war: »Das ist doch wahr, was man uns Frauen oft nachsagt, daß bei uns wenig Verstand zu finden ist, bei uns Frauen. Heute früh war der Thorstein Stangennarbe hier und sagte, den Thord habe ein Rind gestoßen, so daß er sich nicht selber auf die Beine helfen könne. Aber ich hatte da nicht Lust, dich zu wecken, und da ist es mir seither aus dem Sinn gekommen.« Da stand Bjarni vom Tisch auf, ging nach dem Pferdestall und fand den Thord erschlagen; und er wurde darauf beerdigt.

Bjarni machte nun die Sache vor Gericht anhängig und ließ den Thorstein um Totschlag in die Acht tun. Aber Thorstein saß ruhig daheim in Sonnental und arbeitete weiter für seinen Vater. Und Bjarni ließ es so gehn.

Zur Herbstzeit saßen die Leute in Hof an den Feuern und brieten Köpfe von Schafen. Aber Bjarni lag draußen vor der Küchenwand und horchte dort dem Gespräch der Leute zu.

Da fingen die beiden Brüder an, Thorhall und Thorwald: »Das hätten wir nicht gedacht, als wir Quartier nahmen beim Haudegen-Bjarni, daß wir hier Lammsköpfe rösten würden, und der Thorstein, den er in die Acht brachte, sollte Hammelköpfe rösten! Es wäre kein Schade, wenn man damals bei dem Kampf im Bödwarstal die Verwandten ein wenig mehr geschont hätte: dann trüge jetzt nicht der Geächtete im Sonnental seinen Kopf so hoch. Aber wie es heißt: gebrannt Kind fürchtet das Feuer. Wir möchten nur wissen, wann er diesen Flecken von seiner Ehre wegwischen wird!«



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Da erwiderte einer: »So etwas bliebe besser ungesagt; ich weiß nicht, was für ein Teufel euch in die Zunge gefahren ist! Wir meinen eher, Bjarni bringt es nicht über sich, denen ihre Stütze wegzunehmen, dem halbblinden Vater und dem andern unversorgten Volk dort in Sonnental. Aber es soll mich wundern, wenn ihr künftig hier noch Lammsköpfe röstet oder eure Reden führt über das, was im Bödwarstal geschehen ist.«

Darauf gingen die Leute zu Tisch und nachher ins Bett, und' man merkte es dem Bjarni nicht an, was geredet worden war.

Am Morgen weckte Bjarni den Thorhall und Thorwald und sagte, sie möchten nach Sonnental reiten und ihm den Kopf Thorsteins, vom Rumpfe getrennt, an den Frühstückstisch bringen. »Es scheint mir, ihr seid die Rechten dazu, den Flecken von meiner Ehre wegzubringen, wenn es mir selber an Schneid dazu fehlt.«Jetzt fanden sie freilich, sie hätten besser geschwiegen. Aber doch machten sie sich auf den Weg und kamen nach Sonnental. Thorstein stand unter der Tür und wetzte ein Messer. Und als die beiden ankamen, fragte er, wo sie hinwollten. Sie sagten, sie hätten nach ein paar Pferden zu suchen. Thorstein meinte, nach denen brauche man nicht lange zu suchen, »die hier in der Nähe des Hauses sind«.

»Es ist nicht sicher«, sagten sie, »ob wir die Pferde finden, wenn du uns nicht den Weg zeigst.«

Da trat Thorstein heraus. Und wie sie auf den Hofplatz herunterkamen, da hob Thorwald die Axt auf und lief gegen ihn an. Thorstein aber fuhr mit dem Arm ihm dazwischen, so daß er hinfiel. Dann durchbohrte ihn Thorstein mit dem Messer. Da versuchte Thorhall den Angriff, und er hatte das gleiche Schicksal wie Thorwald.

Da band Thorstein die beiden auf ihre Pferde und legte die Zäume den Tieren über den Hals und wies allem zusammen seine Straße. Und die Pferde gingen nun nach Hof zurück.

In Hof standen Knechte vor dem Haus; sie gingen hinein und sagten dem Bjarni, Thorwald und der andere seien heimgekommen, und sagten, unverrichteter Dinge seien sie nicht zurückgekehrt. Bjarni ging hinaus und sah gleich, woran man war, und ließ sich nicht weiter darüber aus.

Er läßt sie nun begraben, und es bleibt alles ruhig bis über Weihnachten hinaus.

Da fing Rannweig eines Abends ein Gespräch an, als sie zu Bett gekommen



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waren, sie und Bjarni: »Was glaubst du, worüber wird jetzt am meisten geredet in der Gegend?« fragte sie.

»Ich weiß es nicht«, sagte Bjarni. »Ich achte selten auf das Gerede der Leute«, sagte er.

»Darüber wird jetzt am meisten gesprochen: die Leute fragen sich, wie weit es Thorstein Stangennarbe noch treiben soll, bis du es nötig findest, Rache zu nehmen. Er hat jetzt drei von deinen Hausgenossen erschlagen. Deinen Dingleuten will es scheinen, sie hätten sich wenig Schutz von dir zu versprechen, wenn dies ungerochen bleibt. Du tust gar nicht gut, die Hände in den Schoß zu legen!«

Bjarni antwortete: »Jetzt geht es wieder einmal so, wie man immer sagt: Keiner läßt sich des andern Strafe zur Warnung dienen. Aber gleichviel, ich will dir folgen. Übrigens, unverdient hat Thorstein wohl keinen getötet.«

Damit brachen sie das Gespräch ab und schliefen ein. Am Morgen erwachte Rannweig, wie Bjarni seinen Schild herunternahm; und sie fragte, wohin er wolle. Er antwortete: »Jetzt soll es sich über die Ehre entscheiden zwischen mir und Thorstein in Sonnental.«

»Mit wieviel Mann willst du hingehen?« sagte sie.

»Ich werde keine Mannschaft gegen Thorstein aufbieten«, sagte er; »ich gehe allein hin.«

»Tu das nicht«, sagte sie, »dich allein vor die Waffen dieses Teufelskerls wagen!«

Bjarni sagte: »Du wirst dir jetzt nicht die Frauen zum Beispiel nehmen, die heut zu einer Sache treiben und morgen drüber weinen. Manchmal ertrag ich's lange, von dir und andern, daß ihr mir den Mut absprecht. Aber dann trägt es auch nichts ab, mich zurückzuhalten, wenn ich entschlossen bin.«

Bjarni ging nun nach Sonnental. Thorstein stand unter der Tür, und sie wechselten einen kurzen Gruß. Thorstein fragte, was ihn herführe. Bjarni sagte: »Bei den Leuten heißt es, es gebe für mich schon etwas Triftiges zu bestellen bei dir. Du mußt heut mit mir zum Zweikampf, Thorstein, hier auf der Anhöhe vorm Haus.«

»Dazu fehlt's mir an allem«, sagte Thorstein, »mich mit dir zu schlagen! Aber ich will außer Landes, sobald die Schiffe gehn. Denn ich weiß, du bist ritterlich und wirst meinem Vater für die Wirtschaft sorgen, wenn ich daraus bin.«

»Es trägt jetzt nichts ab, sich auszureden«, sagte Bjarni.



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»Da erlaubst du mir doch, daß ich meinen Vater erst noch aufsuche«, sagte Thorstein.

»Gewiß«, sagte Bjarni.

Thorstein ging ins Haus und erzählte seinem Vater, Bjarni sei gekommen und habe ihn zum Zweikampf gefordert.

Der alte Thorarin antwortete: »Das wird sich jeder schon selbst sagen können, wenn er's mit einem mächtigeren Mann zu tun hat und sitzt mit ihm in der gleichen Landschaft zusammen, und er hat ihm einen Schimpf angetan, daß er dann nicht mehr viele Hemden auftragen wird. Ich kann mich da nicht um dich grämen, denn ich finde, du hast reichlich danach gehandelt. Jetzt nimm deine Waffen und wehre dich recht mannhaft! Denn bei mir hätte es einmal eine Zeit gegeben, wo ich mich nicht geduckt hätte vor einem wie Bjarni. Und doch ist Bjarni ein großer Haudegen! Ich will auch lieber dich verlieren, als einen Feigling zum Sohn haben.«

Jetzt ging Thorstein vors Haus, und sie traten dann hinaus auf die Anhöhe und fingen an, scharf aufeinander loszugehen, und beiden wurde der Schild stark zerhauen. Und als sie lange Zeit gekämpft hatten, sagte Bjarni zu Thorstein: »Jetzt bekomm ich Durst, denn ich bin nicht so an derlei Anstrengungen gewöhnt wie du!«

»Dann geh zum Bach«, sagte Thorstein, »und trink.«

Bjarni tat so und legte das Schwert neben sich nieder. Thorstein nahm es in die Hand, schaute es an und sagte: »Dieses Schwert hast du wohl nicht gehabt bei dem Kampf im Bödwarstal.« Bjarni gab keine Antwort.

Sie gingen wieder auf die Anhöhe hinauf und schlugen sich eine Weile, und es dünkte Bjarni, der andere verstehe sich aufs Fechten und sei zäher, als er gedacht hätte.

»Heut stößt mir mancherlei zu«, sagte Bjarni, »jetzt sind meine Schuhriemen aufgegangen!«

»So bind sie«, sagte Thorstein.

Da bückte sich Bjarni; aber Thorstein ging ins Haus und kam wieder mit zwei Schilden und einem Schwert. Er ging auf die Anhöhe zu Bjarni und sagte zu ihm: »Hier schickt dir mein Vater einen Schild und ein Schwert: das da wird keine stumpferen Hiebe führen als dein früheres. Ich habe auch keine Lust mehr, so ungedeckt vor deinen Hieben zu stehn. Aber am liebsten möchte ich jetzt aufhören mit diesem Spiel; denn ich fürchte, dein guter Stern wird's über meinen Unstern gewinnen,



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und jeder giert nach dem Leben, solange es eben noch in seiner Macht ist.«

»Das kann jetzt nichts abtragen, sich loszubitten«, sagte Bjarni, »es muß weitergekämpft werden!«

»Ich will nicht den ersten Hieb führen«, sagte Thorstein. Da hieb Bjarni dem Thorstein den ganzen Schild herunter, und darauf Thorstein den des Bjarni.

»Das war ein guter Hieb!« sagte Bjarni.

Thorstein antwortete: »Deiner war nicht schlechter.«

Bjarni sagte: »Jetzt schneidet dir die Waffe besser, und ist doch dieselbe, die du heut schon gehabt hast!«

Thorstein sagte: »Ich ersparte mir gern ein Unheil, wenn's mir möglich wäre, und nur mit Zagen kämpfe ich gegen dich. Ich möchte auch jetzt noch alles deiner Entscheidung überlassen.«

Nun hatte Bjarni wieder einen Hieb zu führen; aber beide standen schon ohne Schild da.

Da sagte Bjarni: »Das heißt ein schlechter Handel, eine Untat zu wählen statt eines großen Glücksfalles. Ich rechne als volle Erstattung für meine drei Hausgenossen dich allein, wenn du mir treu sein willst.« Thorstein antwortete: »Die Gelegenheit hätte ich heut gehabt, Untreue an dir zu begehen.«

Und weiter sagte er: »Wenn mein Unstern mehr vermocht hätte als dein Glück. Und so werde ich auch künftig keine Untreue an dir begehen«, sagte Thorstein.

»Ich sehe, du bist ein Mann, wie's wenige gibt«, sagte Bjarni; »du erlaubst mir wohl, daß ich zu deinem Vater hineingehe«, sagte er, »und ihm nach meinem Gutdünken berichte.«

»Geh nach Belieben meinethalb«, sagte Thorstein, »aber sei auf deiner Hut.«

Da ging Bjarni ins Haus und zu dem Bettverschlag, wo der alte Thorann darin lag.

Thorarin fragte, wer da komme, und Bjarni nannte sich.

»Was bringst du für Nachricht, mein Bjarni?«fragte Thorarin.

»Den Tod deines Sohnes Thorstein«, sagte Bjarni.

»Hat er sich denn auch gewehrt?«fragte Thorarin.

»Nie, glaube ich, hat sich einer wackerer gehalten im Waffengang als dein Sohn Thorstein.«

»Das ist nicht zu verwundern«, sagte der Alte, »daß man gegen dich



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einen schweren Stand hatte damals in Bödwarstal, wenn du jetzt über meinen Sohn Meister wurdest!«

Da sagte Bjarni: »Ich will dich zu mir nach Hof einladen, und du sollst dort auf dem zweiten Ehrenplatz sitzen, solange du lebst, und ich dir an Sohnes Stelle sein.«

»Mit mir geht es so«, sagte der Alte, »wie's mit allen denen geht, die nichts haben und nichts vermögen; hier heißt es auch: der Tor klammert sich an Versprechungen. Aber mit den Versprechungen von euch Häuptlingen ist es so: wenn ihr einem wohltun wollt nach solchen Erlebnissen, so ist die Wohltat für einen Monat, und nachher stehn wir im Ansehn wie andre Almosengänger auch, und darüber vernarben unsre Wunden nicht so bald. Aber doch, wer von einem Manne wie dir die Zusicherung durch Handschlag bekommt, der kann mit seinem Los zufrieden sein, mag vorliegen, was will. Und so will ich denn diesen Handschlag von dir entgegennehmen: tritt zu mir heran in die Bettkammer; du mußt schon nahe kommen, denn ich alter Mann bin ganz zittrig im Gebein vor Alter und Krankheit; wäre auch ein Wunder, wenn mir der Tod des Sohnes nicht zu Herzen gegangen wäre.«

Bjarni trat nun in die Bettkammer und reichte dem alten Thorarin die Hand hin. Da bemerkte er, wie der so an der Bettwand hinuntertastete: er zog dort ein Messer hervor und wollte nach Bjarni stechen. Bjarni fuhr mit seiner Hand zurück und sagte: »Du elendiger Glatzkopf!« sagte er, »jetzt sollst du's so haben, wie du's verdienst: dein Sohn Thorstein ist am Leben, und er soll mit mir nach Hof ziehen; aber dir wird man für Knechte sorgen in deine Wirtschaft, und fehlen soll's dir doch an nichts, solange du lebst.«

Thorstein zog nun zu Bjarni nach Hof und war um ihn bis zu seinem Todestag, und kaum ein zweiter, fand man, kam ihm gleich an Bravheit und Tapferkeit.


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