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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Das weissagende Meermännlein

Einmal im Herbst fuhr ein Vater mit seinen Söhnen, Handi und Rindi geheißen, auf Fischfang, und sie fingen ein Meermännlein. Es wurde zu König Hjörleif gebracht. Der gab ihn einer seiner Gefolgsfrauen zur Verwahrung und bat sie, gut mit ihm umzugehen. Aber niemand vernahm je ein Wort von ihm. Einmal spielten die Kerzenjunker am Hofe des Königs miteinander Ringen und verlöschten dabei das Licht. In dem Augenblick benetzte die Königin Hild den kostbaren Mantel der Königin Aesa. Da schlug sie der König, aber Hild schob es auf den Hund, der in der Halle lag, und so schlug der König den Hund. Da lachte das Meermännlein. Der König fragte, warum es lache. »Ober deine Einfalt«, sagte es, »denn diese werden dir das Leben retten.« Der König fragte das Meermännlein genauer, aber es antwortete nicht mehr. Später ließ es der König an die See bringen und bat es, ihm zu sagen, was er zu wissen bedürfe. Da sprach das Meermännlein, als es fuhr zur See:

»Ich sehe etwas leuchten
südlich auf der See.
Es will der dänische König
die Tochter rächen.
Schon hat er draußen
ein Gedränge von Schiffen.
Er zwingt den Hjörleif
zum Zweikampf heraus.
Hüte dich vor Unglück,
wenn du willst hören.
Mich verlangt's nach der See.«



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***
Und als sie mit ihm dorthin ruderten, wo sie es eingefangen hatten, da sprach es:
»Eine Kunde kann ich sagen
Halogalands Söhnen,
eine wenig gute,
wollt ihr sie hören:
Her fährt von Süden
die Tochter des Sward,
mit Blut besprengt,
von Dänemark.
Sie trägt auf dem Haupte
den Helm gebunden,
Hedins schreckliches
Heerzeichen auf dem Haar.
Kurz werden die Männer
auf Krieg nur warten
hier auf der Seefahrt,
Wahres seh ich.
Der Schild wird bersten,
es schickt die Jungfrau
hierher ihren Blick
zu den Herren der Männer.
Jeder Bursche soll schwingen
Schwert und Speere,
bevor der gewaltige
Waffensturm beginnt.
Doch muß ich, wenn's wahr ist,
die Heerfahrt tadeln.
Alle haben das Jahr
zu teuer erhandelt,
wenn der Frühling kommt.«


***
Dann ließ König Hjörleif das Meermännlein über Bord. Da ergriff ihn ein Mann bei der Hand und fragte: »Was ist dem Menschen das Beste?« Das Meermännlein antwortete:



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»Kalt Wasser den Augen,
den Zähnen Walfischfleisch,
Leinwand dem Leib.
Mich laßt in die See.
Mich fängt aber
fürder bei Tage
kein Mensch in sein Schiff
vom Grunde des Meers.«

Der König gab Handi und Rindi Land zum Bebauen und Knechte und Mägde zugleich. Dann schickte König Hjörleif Pfeilbotschaft und sammelte sein Heer. Eines Nachts kam König Hreidar von Seeland mit seinem Heer und schlug einen Ring um den Hof König Hjörleifs. In dieser Nacht heulte der Hund König Hjörleifs, der niemals heulte, außer er wußte seinen Herrn in Gefahr. König Hjörleif durchbrach den Zaun von Männern und schoß dann seinen Speer zurück auf das Heer. Da hörte er, daß König Hreidars Sohn gefallen wäre. Der König sah aus dem Walde den Brand seines Hofes und die Abfahrt Hreidars mit gewaltiger Beute. Und auch darin gingen die dunklen Weissagungen des Meermännleins alle in Erfüllung, daß Hreidar seine Fahrt nicht zu seinem Glück unternommen hatte, denn König Hjörleif drang in seine Halle und durchstieß ihn, als er auf dem Hochsitz saß, ließ ihn tot an den Galgen hängen und brachte sein ganzes Reich unter sich.


Copyright: arpa, 2015.

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