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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Das Gespenst zu Hagi

Zu Hagi im Reykjadal wohnte einst ein angesehener und reicher Bauer, dessen Name nicht mit überliefert ist. Er hatte nur eine Tochter und sonst keine Kinder. Einmal kamen gegen Wintersende viele herumvagierende Bettler nach Hagi, wie das damals öfters geschah. Und einmal kam auch ein junger Kerl und blieb über Nacht; er saß an der Tür der Wohnstube und streckte die Füße von sich. Nun ging gerade an diesem Tage die Tochter des Bauern hier vorbei, achtete nicht auf ihn und stolperte über die Füße des Fremden. Darüber wurde sie zornig, schimpfte mit dem Burschen und sagte, solche Vagabunden sollten doch anderswo herumlungern als den Leuten vor ihren Füßen. Ihre Reden erbitterten den Burschen, und er meinte, er würde ihr nicht oft zu solchem Anstoß Anlaß geben, indessen werde wohl einmal die Zeit kommen, wo er sie werde zu finden wissen.

Dann verschwand der Bursche, ohne daß jemand darauf geachtet hätte. Aber nach einer kleinen Weile ging die Bauerntochter in den Stall, um die Kühe zu füttern und zu melken. Der Bauer war mit ihr gegangen, um das Futterheu für den nächsten Morgen abzumessen, denn der Heuschuppen hing mit dem Stalle zusammen. Und sie waren noch nicht lange im Stall, so kam der Vagabund in die Tür, und der Bauer sah, daß er sich den Hals abgeschnitten hatte und jetzt im Augenblicke des Todes als Gespenst umging. Das Gespenst war ganz rasend und wollte in den Stall hinein, aber der Bauer verwehrte es ihm und fragte, was es wolle und was es im Stalle zu suchen habe. Da sagte das Gespenst, es suche die Bauerntochter. Der Bauer bat es, ihm erst einen kleinen Dienst zu tun und das Heu für die Kühe zum andern Morgen locker zu machen, danach dürfe es dann die Bauerntochter sehen. Das Gespenst war bereit dazu, und der Bauer wies ihm einen festgestampften Heuschober von vier Klafter Umfang an und den begann nun das Gespenst auseinanderzumachen.

Inzwischen schickte der Bauer so schnell wie möglich zu Arnthor auf Sand. Der verstand mehr Dinge als andere Leute und wußte am besten gegen Gespenster und allerlei Zauber zu raten und zu helfen. Er machte sich auch sofort auf und kam nach Hagi in dem Augenblick, wo das Gespenst soeben damit fertig war, den Heuschober zu lockern, und nun seinen Lohn haben wollte, nämlich zu der Bauerntochter gelassen zu werden. Arnthor ging dem Gespenst entgegen und fragte, was es



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denn von der Bauerntochter wolle. Das Gespenst sagte, dies ginge niemanden was an. Arnthor fragte, ob es damit zufrieden sei, wenn es die Bauerntochter nur sehe, und es erklärte sich auch damit zufrieden. Da hieß Arnthor es warten, bis er die Bauerntochter geholt habe. Er holte sie und wickelte ihr ein großes Tuch um den Kopf, so daß sie weder hören noch sehen konnte, dann führte er sie hinaus und zeigte sie dem Gespenst.

Da sagte das Gespenst, nun wäre es von Arnthor übertölpelt worden, denn es hätte nicht erwartet, daß er die Bauerntochter dergestalt sichern würde, sonst hätte er sie verrückt gemacht. Es geriet in furchtbare Wut und wollte durchaus an das Mädchen heran, aber Arnthor verwehrte es ihm. Er merkte aber, daß es nicht leicht war, das Gespenst auf diese Art loszuwerden, darum ließ er eine rote Färse aus dem Staue führen und ließ das Gespenst auf sie los. Und so wütend war das Gespenst, daß es diese Färse in lauter kleine Stücke zerriß. Dadurch aber hatte es sich selbst geschwächt, und Arnthor konnte es jetzt in eine kleine Grube im nördlichen Teil des Grasgartens von Hagi bringen. Dort soll er einen großen Pfahl eingeschlagen und das Gespenst dran festgebunden haben, und dieser Pfahl habe bis jetzt im Grasgarten zu Hagi gestanden. Das Gespenst aber habe von da ab keinen Schaden mehr anrichten können.


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