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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Der Häuslerssohn und seine Katze

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau in ihrer ärmlichen Hütte und ein König und eine Königin in ihrem Reiche. Der alte Mann war so geizig, daß er viel Geld zusammengescharrt hatte. Die Leute sagten, er bekomme immer für ein Geldstück zwei. Da wurde er krank und starb. Die beiden Alten hatten zusammen nur einen einzigen Sohn. Er träumte in der ersten Nacht nach seines Vaters Tode von einem Fremden, der zu ihm kam und sprach:



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»Hier liegst du, dein Vater ist tot und all sein Reichtum gehört nun dir, denn deine Mutter wird auch bald sterben. Die Hälfte des Geldes aber ist unrechtmäßig erworben und deshalb sollst du die Hälfte unter die Armen verteilen und die andere Hälfte sollst du ins Meer werfen; was aber im Meer schwimmt, nachdem alles andere versunken ist, ob es nun ein Stück Papier oder sonst etwas ist, das sollst du auffischen und gut aufbewahren.«

Dann verschwand der Fremde, und der Sohn wurde wach.

Er war ganz traurig über diesen Traum und bedachte in seinem Sinn, was er wohl tun solle; denn er wollte doch nicht gern sein Vermögen fortwerfen. Aber endlich kam er doch zu dem Entschluß, die eine Hälfte den Armen zu geben und die andere Hälfte ins Meer zu werfen, und da kam es auch so, wie es der Fremde gesagt hatte: obenauf schwamm etwas. Er holt es und sieht, daß es ein Stück Papier ist, in das sechs Schillinge eingewickelt waren.

Da dachte er bei sich: >Was soll ich wohl mit den sechs Schillingen machen, nachdem ich mein großes Vermögen fortgeworfen habe?<Trotzdem steckte er sie zu sich.

Er wurde traurig und bekümmert über seinen Verlust, legte sich zu Bett, stand aber bald wieder auf.

Seine Mutter hatte er nun auch beerdigt und ging traurig fort. Er ging in den Wald hinaus, wanderte lange umher und kam schließlich zu einer ärmlichen Hütte. Er klopfte an, und ein altes Weib machte auf. Er bat darum, ob er denn hier bleiben könne zur Nacht, aber Geld habe er keins.

Das Weib sagte, deshalb möge er ruhig hereinkommen. Er kam auch, und man gab ihm zu essen. Es waren nur zwei Frauen und drei Männer im Hause, sie sprachen wenig und schienen ruhige Leute zu sein. Er sah auch ein graues, nicht sehr großes Tier drinnen. Er hatte noch nie solch ein Lebewesen gesehen und fragte, wie man denn das Tier nenne. Sie sagten, es heiße »Katze«.

Dann fragte er, ob sie die Katze verkaufen wollten und was sie denn koste. Sie sagen, für sechs Schillinge könne er sie haben. Er kaufte sie auch für seine Schillinge und legte sich dann schlafen. Am andern Morgen nahm er Abschied von den Leuten und steckte die Katze unter seinen Mantel.

Er zog den ganzen Tag durch unwegsame Wälder und kam abends zu einem Hofe. Er klopfte an und ein alter Mann kam heraus. Es war der



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Hausherr, und der Bursche bat ihn um ein Nachtlager, sagte aber auch da wieder, daß er kein Geld habe.

»Dann gibt man dir's umsonst«, sagte der Mann und führte ihn in die Stube. Dort waren noch zwei Frauen und zwei Männer. Es waren die Frau und die Tochter des Hausherrn. Die Katze ließ er unter seinem Mantel herausspringen, und alle waren erstaunt über das seltsame Tier, wie sie noch nie zuvor eins gesehen hatten. Er blieb die Nacht da. Am andern Morgen sagte man, er solle doch zum König gehen, seine Halle sei nicht weit von hier entfernt. Der König sei gut und sei gewiß freundlich zu ihm. Das tat er auch.

Er schickte dem König die Botschaft, er möchte ihn gerne aufsuchen, und der König bat ihn hereinzukommen in seine Halle. Und er kam auch.

Als er hereinkam, saßen alle Leute bei Tisch. Er begrüßte den König und seine Hofleute, war aber sehr verwundert, als er eine endlose Anzahl kleiner Tiere in der Halle herumlaufen sah. Die kamen so nahe zum König und seinen Hofleuten, daß sie auf Tisch und Teller herumsprangen und alles wegnahmen, ja sie bissen den König sogar in die Hände, und er hatte keine Ruhe vor ihnen. Die Hände des Königs waren ganz blutig, und sie wußten sich keinen Rat, sich gegen diese bösen Tiere zu wehren.

Der Bursche fragte, was das denn sei und wie die Tiere heißen. Der König sagte, sie hießen »Ratten«und quälten ihn schon viele Jahre, er wisse sich nicht zu helfen gegen sie.

Da sprang die Katze aus dem Mantel heraus und ging auf die Ratten los. Etliche biß sie tot, die übrigen jagte sie fort aus der Halle. Da waren der König und seine Hofleute ganz erstaunt und fragten, was denn das für ein Tier sei. Der Bursche sagte, es sei eine »Katze«, und er habe sie für sechs Schillinge gekauft.

Da sagte der König:

»Weil du gekommen bist und ein Glück gebracht hast, sollst du wählen dürfen, was du lieber willst: ob du mein erster Minister sein oder aber ob du meine Tochter heiraten und mein Erbe sein willst.«

Der Bursche sagte, er wolle lieber die Tochter und das Reich. Da wurde Hochzeit gehalten und als alles vorbei war, schickte er Boten zu den Bauern, bei denen er übernachtet hatte, und sie wurden seine Minister, als er selber König geworden war.


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