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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Die Frau will was haben für ihren Knopf

Es lebte einmal ein alter Mann mit seiner alten Frau in einer ärmlichen Hütte. Sie waren so arm, daß sie nichts Wertvolles besaßen außer einem goldenen Knopf an der Spindel der Frau. Gewöhnlich fuhr der Mann jeden Tag zur Jagd oder zum Fischfang, um für sie beide Lebensunterhalt zu schaffen. Nahe bei der Hütte des Bauern war ein großer Hügel, und die Leute glaubten, da drinnen wohne ein Eib mit Namen Kidhus, dem man großes Mißtrauen entgegenbrachte.

Eines Tages nun kam es, wie schon oft, daß der Bauer auf die Jagd fuhr und die Frau wie gewöhnlich zu Hause saß. Da es schönes Wetter war, setzte sie sich ins Freie mit ihrer Spindel und spann eine Weile. Da fiel der goldene Knopf von der Spindel und rollte fort, so daß die Frau ihn aus den Augen verlor. Sie war recht wütend darüber und suchte ihn vor der Tür und dem Haus; aber er kam durchaus nicht wieder zum Vorschein; sie konnte ihn nirgends mehr finden.

Als der Mann heimkam, erzählte sie ihm von dem Unheil, das sie betroffen hatte. Da meinte der Bauer, gewiß habe Kidhus den Knopf genommen, das sei so ganz seine Art. Er machte sich wieder von Hause auf und sagte seiner Frau, er wolle zu Kidhus gehen und den Knopf zurückverlangen oder etwas anderes dafür haben. Das kam ihr sonderbar vor. Der Mann ging nun dem Wege nach zum Hügel des Kidhus und klopfte da lange und fest mit einem Prügel. Schließlich fragte Kidhus:



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***
»Wer klopft an mein Haus?«

Der Bauer sagte:



***
»Der alte Bauer ist's, lieber Kidhus, Die Frau will was haben für ihren Knopf.«


***
Kidhus fragte, was er denn dafür haben wolle. Da bat ihn der Bauer um eine Kuh, die jedesmal ein Viertelfaß Milch gebe beim Melken, und Kidhus gewährte ihm diese Bitte. Der Bauer fuhr mit der Kuh heimwärts zu seiner Frau. Als am andern Tage die Bäuerin am Abend und am Morgen gemolken und all ihre Gefäße mit Milch gefüllt hatte, fiel ihr ein, sie könne Grütze kochen, aber da erinnerte sie sich, daß sie kein Mehl zur Grütze habe. Sie ging zu ihrem Mann und bat ihn, zu Kidhus zu gehen und ihn um Mehl zu bitten. Da ging der Mann auch zu Kidhus und klopfte wie vorher mit dem Stock an den Hügel. Da sagte Kidhus:
»Wer klopft an mein Haus?«


***
Der Bauer antwortete:
»Der alte Bauer ist's, lieber Kidhus,
Die Frau will was haben für ihren Knopf.«


***
Kidhus fragte ihn, was er denn wolle. Da bat ihn der Bauer um Mehl in seinen Topf, da seine Frau Grütze kochen wolle. Kidhus gab ihm eine Tonne Mehl. Der Bauer fuhr wiederum heim mit der Tonne, und seine Frau kochte die Grütze.

Als die Grütze gekocht war, setzten sie sich hin und aßen. Als sie sich satt gegessen hatten, hatten sie immer noch eine Menge übrig und fingen an zu überlegen, was sie denn mit den Oberresten tun sollten; es schien ihnen das beste, sie der heiligen Maria zu bringen. Aber sie sahen bald ein, daß es nicht gar leicht war, zu ihr hinaufzukommen in den Himmel. Deshalb beschlossen sie, noch einmal den Kidhus um eine Leiter zu bitten, die bis zum Himmel reiche, und sie glaubten, das dürften sie schon noch verlangen für den goldenen Knopf. Der Bauer ging nun und klopfte wiederum bei Kidhus an den Hügel. Kidhus fragte wie vorher:

»Wer klopft an mein Haus?«



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***
Da gab der Bauer zur Antwort:
»Der alte Bauer ist's, lieber Kidhus,
Die Frau will was haben für ihren Knopf.«


***
Da wurde Kidhus böse und sagte: »Ist denn der lumpige Knopf noch immer nicht bezahlt?«Aber der Bauer bat ihn nur um so herzlicher und sagte ihm, er möchte doch der Jungfrau Maria die Grützereste bringen. Und Kidhus ließ sich bewegen, gab ihm die Leiter, richtete sie ihm sogar noch auf. Da war der Bauer voller Freude und ging heim zu seiner Frau. Sie machten sich zur Fahrt fertig und nahmen die Grützeschüsseln mit. Als sie aber schon ziemlich hoch auf der Leiter hinaufgekommen waren, fingen sie an schwindlig zu werden. Sie verloren die Besinnung, stürzten von oben herunter, und ihre Schädel sprangen entzwei. Da flogen die Gehirnteile und die Breireste überall hin. Wo aber die Gehirnteile der beiden auf die Steine fielen, da entstanden weiße Flecken, und wo die Breireste hinfielen, da entstanden gelbe Fiekken, und diese beiden Arten Flecken sind noch heute im Gestein zu sehen.

Copyright: arpa, 2015.

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