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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Die Kuh Bukolla

Einmal lebte ein alter Mann und sein altes Weib in einer ärmlichen Hütte. Sie hatten einen Sohn, aber von ihm erwartete man wenig Gutes. Mehr Leute waren nicht in der Hütte als eben diese drei. Eine Kuh hatten die beiden alten Leute, das war ihr ganzer Viehbestand. Diese Kuh hieß Bukolla. Einmal bekam die Kuh ein Kalb und das alte Weib half



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der Kuh in ihrer schweren Stunde. Als die Geburt vorüber und alles gut abgelaufen war, ging die Alte in die Hütte. Als sie kurz danach zurückkam, rückkam, um zu sehen, wie es der Kuh ginge, da war sie verschwunden. Nun gingen die beiden Alten die Kuh zu suchen und suchten weit und breit, kamen aber genauso zurück, wie sie ausgezogen waren -ohne die Kuh. Nun waren sie ganz traurig und hießen ihren Sohn, fortzugehen und nicht wiederzukommen vor ihre Augen, ehe er nicht mit der Kuh zusammen heimkomme.

Sie versahen den Jungen mit Proviant und neuen Schuhen und er machte sich auf die Reise ins Blaue hinein. Er ging lange, lange, dann setzte er sich hin und fing an zu essen. Und danach rief er:

»Brülle du nun, meine Bukolla, wenn anders du noch am Leben bist!« Da hörte er die Kuh aus weiter, weiter Ferne antworten und nun ging er wieder lange, lange weiter. Dann setzte er sich wieder hin und aß und rief:

»Brülle du nun, meine Bukolla, wenn anders du noch am Leben bist.« Da hörte er Bukolla wieder antworten, und zwar etwas näher als beim vorigen Mal. Und nun ging er wieder lange, ach so lange weiter, bis er auf einen großen Felsen kam. Da setzte er sich wieder hin zum Essen und rief: »Brülle, meine Bukolla, wenn du noch am Leben bist.« Da hörte er die Kuh unter seinen Füßen brüllen. Er kletterte den Felsen hinab und sah darin eine gar große Höhle. Er ging hinein und fand die Bukolla an einen Balken festgebunden. Er machte sie los, zog sie hinter sich her und ging heimwärts. Als er eine Weile gegangen war, sah er eine unheimlich große Riesin hinter ihm herkommen und eine kleinere war noch bei ihr. Er sah, wie die große Riesin so mächtig daherkam, daß sie ihn bald einholen würde. Da sagte er: »Was sollen wir nur machen, meine Bukolla?«Sie sagte: »Zieh ein Haar aus meinem Schwanz und lege es auf die Erde.« Er tat's und die Kuh sagte zum Haar: »Ich zaubere und sage, du sollst ein so großer Fluß werden, daß keiner darüber kommt als nur ein fliegender Vogel.« Und sogleich ward ein nesengroßer Fluß aus dem Haar.

Als aber die Riesin zum Fluß kam, sagte sie: »Das soll dir nichts helfen, Schurke!« —»Mach daß du heimkommst, Mädchen«, sagte sie zur Kleinen, »und hole den großen Ochsen meines Vaters.« Das Mädchen lief und kam mit dem mächtigen Ochsen wieder. Der trank mit einemmal den ganzen Fluß aus. Da sah der Bauernsohn, daß ihn die Riesin gleich kriegen konnte, weil sie so tüchtig ausholte beim Gehen. Wiederum



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sagte er zur Kuh: »Was sollen wir nur machen, liebe Bukolla?« —»Zieh wieder ein Haar aus meinem Schwanz und lege es zur Erde«, sagte sie. Er tat's und sie sagte: »Ich zaubere und sage, du sollst zu einem so großen brennenden Scheiterhaufen werden, daß keiner darüber kommt als nur ein fliegender Vogel.«Und sogleich ward das Haar zum Scheiterhaufen. Als nun die Riesin zum Scheiterhaufen kam, sagte sie: »Das soll dir wieder nichts helfen, du Schurke. —Geh und hole noch einmal den großen Ochsen meines Vaters, Mädchen.«Und sie ging und kam mit dem Ochsen. Dieser gab das ganze Wasser, das er aus dem Flusse getrunken hatte, von sich und löschte damit den Scheiterhaufen.

Nun sah der Bauernsohn, daß ihn die Riesin sofort erreichen würde, weil sie so große Schritte machte, und er sagte: »Was sollen wir nur machen, liebe Bukolla?« —»Zieh ein Haar aus meinem Schwanz und leg's zur Erde«, sagte sie. Und dann sprach sie: »Ich zaubere und sage, du sollst ein so großer Berg werden, daß niemand darüber kann als nur ein fliegender Vogel.«Da ward das Haar zu einem Berg, so hoch, daß der Bauernsohn nichts sonst als nur noch den heiteren Himmel darüber sehen konnte. Als die Riesin zum Berge kam, sagte sie: »Das soll dir nichts helfen, Schurke«; und zum Mädchen sagte sie: »Geh und hol mir meines Vaters Bohreisen.« Das Mädchen lief und kam damit zurück. Da bohrte das Riesenweib ein Loch in den Felsen und es ging recht langsam, bis sie endlich durchsehen konnte. Dann kroch sie schnell ins Loch hinein. Das war aber so eng, daß sie drin feststecken blieb und schließlich im Loch zu Stein wurde und dort steckt sie noch heute. Der Bauernsohn aber kam heim mit seiner Bukolla, und der Alte und seine Frau waren darüber voller Glück und Freude.


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