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Isländische Märchen


Illustrationen von Angelika Winkler

Märchen europäischer Völker


Auf, meine sechs, in Jesu Namen!

An einem Herbsttag fuhren sechs Mann auf Schafsuche, ihr Anführer war stark und beherzt. Als sie ganz weit entfernt waren, überfiel sie ein Unwetter, sie verirrten sich und wußten nicht mehr, wo sie waren. Nach langer Zeit merkten sie, daß es bergab ging. Sie kamen in ein kleines Tal, stießen auf einen Hof und klopften an die Tür. Ein alter Mann kam heraus, häßlich und böse von Ansehen. Er sagte, das sei etwas Neues, daß Leute herkamen und herumspionierten, und sah sie unfreundlich an. Ihr Anführer sagte, wie es sich mit ihrer Reise verhielt, drängte hinein und seine Gefährten mit ihm, ohne daß der Alte es erlauben oder verbieten konnte. Nachdem sie eine Zeitlang gesessen hatten, wurde ihnen Fleisch auf Schüsseln gebracht von einer Frau, die jung war, aber sehr traurig aussah. Der Alte stand inzwischen in der Zimmertür. Sie sagte ganz leise: »Eßt von der abgewendeten Seite!« Es schien ihnen Hammelfleisch auf der einen, auf der andern Seite aber Menschenfleisch zu sein. Dann räumte das Mädchen ab und zog ihnen die Regenkleider aus. Dabei sagte sie wieder ganz leise: »Nehmt euch in acht, behaltet die Unterkleider an und schlaft nicht!«

In der Nacht schien der Mond. Der Anführer lag in einem Bett, auf das der Schatten fiel. Er sagte zu seinen Gesellen, sie sollten sich nicht rühren, was auch vorfallen möge, bevor er sie rufe. Nach einer kleinen Weile kam der Alte herein, ging zu dem Bett des einen, befühlte ihn an der Brust und sagte: »Magere Brust, kraftlos!« Er befühlte sie alle und murmelte immer das gleiche. Zuletzt kam er zu dem Anführer, befühlte ihn und sagte: »Fette Brust, wacker!« Dann griff er schnell nach einer Axt im Winkel und drehte sich wieder nach dem Bett des Anführers. Dieser sah alles kommen, wand sich aus dem Bett herunter, und der Alte hieb in das Bett statt in ihn. Da packte der Mann die Axt und entriß sie dem Alten. Da schrie der Alte: »Auf, meine zwölf, in des Teufels Namen!«Aber der Mann schlug ihm die Axt in den Kopf, daß sie im Hirne stak und er fiel, und er rief: »Auf, meine sechs, in Jesu Namen!«Da öffnete sich die Tür im Estrich und ein Mannskopf tauchte auf. Er hieb ihn ab und tötete so alle zwölf in der Kellertür. Dann holten sie das Mädchen. Sie war eine Bauerntochter aus dem Eyafjord, der Alte hatte sie gestohlen und sie hatte seinen ältesten Sohn heiraten sollen. Sie aber hatte nicht gewollt, weil sie Menschenfresser waren. Viel Schätze fanden sich dort und viel Schafe im Tal. Der Anführer blieb mit



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dem einen Mann den Winter über da, um das Vieh zu pflegen. Im Frühjahr brachten sie alles fort, und der Anführer gründete eine große Wirtschaft im Norden und das Mädchen nahm er zur Frau. Sie lebten glücklich und lange.


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